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Wie können Multiplikatoren Botschaften rund ums Essen und Trinken verständlich und nachhaltig an die Zielgruppen kommunzieren? Dazu gab's beim 18. aid-Forum überraschende Erkenntnisse.

Margareta Büning-Fesel, Alexa Iwan
R. Schubert, BLE

„Ernährungsempfehlungen haben in der Therapie von ernährungsbedingten Erkrankungen einen hohen Stellenwert, müssen jedoch flexibler, individueller und alltagstauglicher gestaltet werden“, stellte Dr. Margareta Büning-Fesel, Geschäftsführender Vorstand des aid infodienst, auf dem 18. aid-Forum am 28. Mai 2015 in Bonn fest. Dr. Isabelle Wendt von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. erläuterte in ihrem Vortrag, wie Ernährungsempfehlungen aus wissenschaftlicher Sicht entstehen, welche Anforderungen sie erfüllen müssen und welche neuen Ansätze zu ihrer Weiterentwicklung verfolgt werden. „Lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen müssen dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen, kulturelle Unterschiede in der Ernährung berücksichtigen, praktisch umsetzbar sein und aus einfachen, klaren Ratschlägen zu geeigneten Ernährungsmustern bestehen – und sie dürfen den Genussaspekt nicht vergessen“, erklärte Wendt.

Professor Dr. Ingrid Hoffmann vom Max-Rubner Institut in Karlsruhe zog auf Basis der Nationalen Verzehrsstudie (NVS) II den Vergleich „was wir essen und was wir essen sollten“. Alle Empfehlungen gleichzeitig würden demnach nur von einem verschwindend geringen Anteil der Bevölkerung umgesetzt. „Um einer Alltagstauglichkeit und einer bedarfsgerechten sowie präventiven Ernährung in allen Bevölkerungsgruppen gerecht zu werden, gilt es, die lebensmittelbasierten Empfehlungen zu modifizieren.“

Nährstoffbasierte Empfehlungen in der Kritik

Denkbar wäre unter anderem eine Differenzierung nach Alter und Geschlecht bzw. Energiebedarf. Professor Dr. Ursel Wahrburg von der Fachhochschule Münster gab anschließend einen kritischen Überblick über die Probleme von Ernährungsempfehlungen und zeigte mögliche Alternativen für die Zukunft auf. „Im frühen 20. Jahrhundert bildeten Erkenntnisse, dass mit bestimmten Nährstoffen spezifischen Mangelerkrankungen vorgebeugt werden kann, die Grundlage für erste bevölkerungsweite Empfehlungen. Und das mit dem Ziel, Nährstoffmängel zu vermeiden und die Versorgungslage zu verbessern“. „Es stellt sich jedoch die Frage, ob dieser nährstoffbasierte Ansatz in der heutigen Zeit, in der mit den bekannten ernährungsabhängigen Zivilisationskrankheiten ganz andere Ernährungsprobleme im Fokus stehen, noch sinnvoll und zielführend ist“, so Wahrburg.

Über das Wirken und Scheitern von Ernährungsempfehlungen sprach Professor Dr. Christoph Klotter vom Fachbereich Oecotrophologie der Hochschule Fulda. Da Essen heutzutage als etwas Privates verstanden werde, könnten Ernährungsempfehlungen als unerwünschter staatlicher Eingriff aufgefasst werden, der Widerstand provoziere. „Obwohl sich das Essverhalten der deutschen Bevölkerung trotz vielfacher ernährungsbezogener Interventionen seit Jahren im Grunde nicht ändert, ernährt sie sich dennoch im Schnitt so gesund, dass unter anderem deshalb die durchschnittliche Lebenserwartung von 1990 bis 2010 um mehr als 5 Prozent angestiegen ist“, resümierte Klotter.

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Margareta Büning-Fesel
Begrüßung
Dr. Margareta Büning-Fesel
Geschäftsführender Vorstand aid infodienst e. V.

Kurzfassung des Vortrags (PDF)
Vita (PDF)
Isabelle Wendt
Ernährungsempfehlungen – Status quo und neue Ansätze
Dr. Isabelle Wendt
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., Bonn

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Vita (PDF)
Ingrid Hoffmann
Was wir essen, was wir essen sollten – Basis der Nationalen Verzehrsstudie (NVS) II
Prof. Dr. Ingrid Hoffmann
Institut für Ernährungsverhalten, Max Rubner-Institut, Karlsruhe

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Vita (PDF)
Ursel Wahrburg
Ernährungsempfehlungen im 21. Jahrhundert – eine kritische Betrachtung
Prof. Dr. Ursel Wahrburg
Fachbereich Oecotrophologie-Facility Management, Fachhochschule Münster

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Vita (PDF)
Christoph Klotter
Ernährungsempfehlungen: von ihrem Wirken und Scheitern
Prof. Dr. Christoph Klotter
Fachbereich Oecotrophologie, Hochschule Fulda

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Vita (PDF)
Claudia Laupert-Deick
Der Praxischeck: Umsetzung der Empfehlungen in die Ernährungstherapie
Dr. Claudia Laupert-Deick
Praxis für Ernährungstherapie und Beratung, Bonn

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Vita (PDF)
Alena Buyx
Nudging – Umsetzung der Ernährungsempfehlungen durch Veränderungen des Umfeldes?
Prof. Dr. Alena Buyx
Professorin für Medizinethik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Experimentelle Medizin

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Vita (PDF)
Jutta Mata
Weniger ist mehr: Wie komplex dürfen Ernährungsregeln sein?
Prof. Dr. Jutta Mata
Fakultät für Psychologie, Universität Basel

Kurzfassung des Vortrags (PDF)
Vita (PDF)

Lebenssituation des Patienten berücksichtigen

Im „Praxischeck“ zeigte Dr. Claudia Laupert-Deick aus Bonn, wie konkrete Empfehlungen in der Ernährungstherapie umgesetzt werden können. Zur optimalen Betreuung der Patienten seien je nach Krankheitsbild unterschiedliche Empfehlungen für die Zufuhr von Lebensmitteln und Nährstoffen erforderlich. „Eine professionelle Ernährungstherapie richtet sich an Personen, deren Stoffwechsel oder Krankheit durch eine Ernährungsumstellung positiv beeinflusst werden kann. Sie ist damit eine wichtige Ergänzung der ärztlichen Therapie“, erklärte die Ernährungstherapeutin. „Eine Ernährungsberatung hingegen wendet sich an Gesunde und Menschen in besonderen Lebenssituationen wie z. B. Schwangere, Stillende, Leistungssportler oder Alternativköstler, die ihre Essgewohnheiten überprüfen oder verbessern möchten.“

Professor Dr. Alena Buyx von der Universität Kiel widmete sich in ihrem Vortrag dem „Nudging“-Ansatz und berichtete darüber, inwiefern Ernährungsempfehlungen durch Veränderungen des Umfeldes umgesetzt werden können. Die Krankheitslast in der Bevölkerung, die auf sogenannte „Lifestyle-Faktoren“ wie das Ernährungsverhalten und die Bewegung zurückgeht, nehme stetig zu. Chronische, Lebensstil-mitbedinge Erkrankungen stellten einen immer größeren Anteil der Krankheitsbehandlung und der eingesetzten Mittel im Gesundheitssystem dar. Ob und wie das Gesundheitsverhalten von Menschen positiv beeinflusst werden kann, werde gegenwärtig kontrovers diskutiert.

Eine einzige Information für eine Entscheidung reicht aus

Das Forum schloss mit dem Beitrag „Weniger ist mehr: Wie komplex dürfen Ernährungsregeln sein?“ von Professor Dr. Jutta Mata von der Universität Basel. Sie beleuchtete, wie sich die Komplexität von Ernährungsregeln und Nährwertinformationen auf Merken und Anwenden dieser Regeln im Essenskontext auswirkt: „Mehr Information ist nicht unbedingt mehr – sondern Personen, die ihre Ernährungsregeln als weniger kognitiv komplex wahrnehmen, halten auch ihre Vorhaben, Gewicht zu kontrollieren oder abzunehmen, langfristiger durch.“

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Titelbild des Forumsband
aid

Lesetipp

Tagungsband zum 18. aid-Forum

Ernährungsempfehlungen müssen flexibler, individueller und alltagstauglicher werden – darüber waren sich die Experten des 18. aid-Forums „Ernährungsempfehlungen – Fette Ratschläge, magere Relevanz?“ in 2015 einig. Sie erörterten aktuelle Trends und diskutierten Alternativen zur Verbesserung der Ernährungssituation in Form von einfachen Faustregeln oder Nudging. Alle Beiträge sind im aid-Tagungsband nachzulesen.

Weitere Informationen zum Tagungsband im Medienshop

Lese-Tipp

Fachartikel Nein, meine Suppe ess' ich nicht!

Ernährungsempfehlungen haben historisch-philosophische Ursprünge. Prof. Chrisoph Klotter von der Hochschule Fulda erläutert in der aid-Fachzeitschrift "Ernährung im Fokus", warum sie scheitern oder auch wirken.

Artikel aus Ernährung im Fokus, Mai/Juni 2015, als kostenfreier PDF-Download

Zur gesamten Ausgabe

Hörfunkbeitrag Mai 2015

Nährwerttabelle
aid

Kann Spuren von Unsinn enthalten - Ernährungsempfehlungen auf dem Prüfstand

Was und wie viel sollen wir täglich essen? Bei der Beantwortung dieser Frage verirren sich viele Verbraucher im Dickicht von Empfehlungen, Nährwerttabellen und Ernährungsrichtlinien.
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Bildershow: 10 Jahre aid-Forum

10 Jahre aid-Forum unter dem Motto "Ernährungskommunikation". Seien Sie nochmal dabei - viel Freude bei der Rückschau!