Springe direkt zum Inhalt , zum Menü .

Wie ein Gemüsebetrieb sein Einkommen sichert und den Wunsch von Gastronomie und Gästen nach regionalen Produkten erfüllt. Ein Interview mit Cornelia Schröder, Spitzname Conny.

Jennifer Braun

Bornheim ist eine mittelgroße Stadt zwischen Köln und Bonn, die im Osten an den Rhein und im Westen an das Vorgebirge grenzt. Dort ist die Bodenqualität besonders gut, weshalb der Gemüsebau in der Region eine lange Tradition hat. Im Ortsteil Sechtem liegt der Gemüsebaubetrieb Hartmann. Der Hof wird in vierter Generation von Gemüsebau-Meister Helmut Hartmann geführt. Seine Lebensgefährtin Cornelia Schröder kümmert sich um die Vermarktung, managt den Hofladen und das Büro. Eigentlich hat sie noch ein paar Jobs mehr und einen 14- bis 16-Stunden-Tag, wie sie uns im Interview verrät. Und auch Helmut ist oft spätabends noch auf dem Feld, arbeitet bis zur Erschöpfung, weil Mitarbeitende fehlen. Trotzdem sind beide mit Herzblut bei der Sache und haben es durch einen Mix an Vermarktungsmodellen geschafft, dass sie von der Landwirtschaft leben können.

Liebe Conny, wir beide kennen uns ja schon länger über die Marktschwärmerei in der Bonner Altstadt. Aber viele Menschen sind über die BAUERNRUNDE auf Euch aufmerksam geworden. Da gab es vor einiger Zeit ja mehrere Medienberichte. Kannst Du kurz erzählen, worum es bei dem Projekt geht?

Ja, 2018 sind Jan Maier und Tobias Becker vom Sternerestaurant „maiBeck“ in Köln auf uns und ein paar andere Kolleginnen und Kollegen zugekommen. Sie suchten regionales Obst und Gemüse von guter Qualität, das aber im Großhandel schwer zu bekommen war. Da wir wie viele andere kleine Betriebe keine Möglichkeiten haben, die Ware zu liefern, die Köche aber auch nicht zum Einkaufen aufs Land kommen können, kam die Idee auf, die Lücke zu schließen, indem wir – neun Kölner Restaurants und insgesamt vier Erzeugerbetriebe aus dem Umland – uns zusammentun.

Und wie läuft das Ganze ab?

Wir schicken den Restaurantleitungen jede Woche eine Liste, welche Produkte wir anbieten und was sie kosten. Jeden Freitag stellen wir das georderte Gemüse zusammen, das dann von einem Mitarbeiter des Projektes abgeholt und an die Restaurants verteilt wird. Die Kosten für den Abhol- und Lieferdienst – die Bauernrunde eben – werden auf alle Projektpartner umgelegt.

So funktioniert die BAUERNRUNDE

Gemüsebau-Meister Helmut Hartmann hat Radicchio geerntet. Frisch vom Feld bringt er ihn dann zu seinem nahegelegenen Hof, wo er für die Abholung vorbereitet wird.

Lebensgefährtin Cornelia Schröder packt das erntefrische Gemüse gemäß der Bestellungen der Restaurants zusammen.

Wenn alles glatt läuft, stehen die Gemüsekisten rechtzeitig zur Abholung bereit.

Landwirt Sebastian Pesch hilft auf seinem Gemüsehof beim Beladen des Transporters der BAUERNRUNDE.

Marco Kramer von der Marieneck Kochschule in Köln Ehrenfeld freut sich über seine Lieferung.

Gleich geht es ab in die Küche. Auch die Gäste schätzen das köstliche, regionale Gemüse, das die Köchinnen und Köche kreativ verarbeiten.

"Die Bauernrunde ist ein kleines Projekt, eine handfeste Kooperation von ein paar Menschen aus Gastronomie und Landwirtschaft. Mittlerweile sind wir nun schon fast fünf Jahre unterwegs. Seit Beginn bin ich für die Koordination zuständig, schicke Listen mit dem aktuellen Angebot an Obst und Gemüse an die Köchinnen und Köche und sorge dafür, dass die Partnerbetriebe rechtzeitig die Bestellungen erhalten. Das kann manchmal auch anstrengend sein, weil Zeit  im Arbeitsalltag auf dem Hof und in der Küche eigentlich immer knapp ist. Dass es trotzdem funktioniert zeigt, dass Veränderung machbar ist."

Johannes J. Arens, Journalist & Autor

johannesjarens.wordpress.com

Lohnt sich die Bauernrunde denn für Euch?

Alles lohnt sich. Wir haben ja unseren Hofladen und vermarkten unser Gemüse zu einem Großteil über die Marktschwärmereien in der Region, insgesamt sind es zwölf, aber die „Bauernrunde“ ist nochmal ein eigenes Ding. Bei den Restaurants musst du halt immer gucken, wie du die Preise gestaltest. Denen kannst du ja keine Hofladen- oder Marktschwärmer-Preise aufs Auge drücken. Und ich habe hier auch kein Marktsystem, wie so ein Großanbieter, sondern mache das mit einer Exceltabelle. Das ist ein bisschen aufwändiger, aber für die Bauernrunde machen wir das gerne. Da bieten wir auch nur ein kleines Programm an, weil wir es sonst gar nicht schaffen würden. Der Fahrer muss aber leider trotzdem oft warten, bis alles gepackt ist, weil die Bestellungen recht kleinteilig sind. Der eine hat ein Kilo von jeder Bete und vielleicht zwei Kilo Grünkohl und noch ein Kilo violetten dazu, und zwei Kilo Fenchel. Klein-Klein eben. Und Klein-Klein macht immer dreimal Arbeit und ist deswegen auch teurer. Das ist eben so. Dann haben wir da 20 Rollwagen stehen, die Lieferungen für die Marktschwärmereien noch dazwischen. Da bist du echt am Rotieren mit drei Leuten. Freitags ist im Hofladen natürlich auch viel los. Und Du kriegst keinen Mitarbeitenden mehr dazu. Den bekommst du davon auch nicht mehr bezahlt. Insgesamt gucken wir, dass wir da alle irgendwie was von haben, auch wenn für uns die Marge kleiner ist. Und es ist auch irgendwie nett.

Hast Du ein Beispiel für uns, was nett ist? Der Kontakt mit dem Bauernrunden-Team?

Ja, wir haben uns mal bei Marco Kramer mit der Runde getroffen, im Marieneck, und haben bekakelt, was man alles noch so machen kann und welche Produkte da gefragt sind. Helmut ist ein großer Freund davon, irgendwelche Spirenzchen anzufangen, was Neues auszuprobieren. Da hat er richtig Spaß dran. Dann hat er immer seinen Saatgutkatalog dabei. Und neulich hatte Helmut Sprossenkohl zu viel und sagte "Ich pack mir mal vier Kisten drauf. " Da ist er nach Köln-Mülheim gefahren, zur Marktschwärmerei, und ist dann anschließend die Restaurants abgefahren. Da ist er den Kohl losgeworden und hat sogar noch ein Vier-Gänge-Menü serviert bekommen. Musst du dir mal vorstellen: Arbeitshose und die dicken Schuhe an, und dann kriegt er da vier Gänge serviert. Zum Schießen. Das ist einfach irgendwie eine ganz tolle Art, mit denen zu arbeiten.

Und die Gäste freuen sich wahrscheinlich auch über so ein Menü und schätzen es noch mehr wert, oder?

Ja, auf den Speisekarten steht sogar, woher das Gemüse kommt. Hier kommen manchmal Leute aus Köln an, die sagen "Wir haben in dem und dem Restaurant ihr Gemüse gegessen." Das ist schon cool.

Weil Du jetzt häufiger die Marktschwärmereien erwähnt hast: Warum sind die euer wichtigster Vermarktungsweg?

Das hat sich so entwickelt. Wir waren ja 2017 von Anfang an bei der Marktschwärmerei Bonn Altstadt dabei. Zu der Zeit haben wir noch viel an den Großmarkt geliefert, aber das hat sich kaum noch gelohnt. Das Marktschwärmer-Konzept musste die ältere Generation auch erstmal verstehen. „Der kleine Kram, 500 Gramm Kartoffeln einpacken…“, hieß es. Und viele Kollegen haben uns zuerst auch ausgelacht. Mittlerweile sind wir recht zufrieden mit den Marktschwärmer-Umsätzen. Deshalb liefern wir eigentlich auch nicht mehr an den Großmarkt. Dieses Frühjahr haben wir nochmal eine Palette Dicke Bohnen hingefahren. Das habe ich eigentlich schon in dem Moment bereut, als ich da angefragt habe. Wir hatten Dicke Bohnen en masse, die kriegten wir nicht weg. So haben wir sie für einen Appel und ein Ei abgegeben. Was unsere Aushilfen mit ihrem Lohn verpflückt haben, und die haben ein irres Pflücktempo, konnten wir gar nicht wieder reinholen. Da hätten wir eigentlich zu jeder Kiste noch Geld dabei tun müssen. Da lässt du sie besser hängen. Hat ja keinen Zweck. Bei den Marktschwärmern ist das anders. Das rechnet sich, auch wenn die Umsätze immer schwanken. Jetzt geht's eh was runter, zum Winter, klar. Das Sortiment ist halt ein bisschen kleiner. Wenn das mit Corona jetzt so weiter geht und wieder ein Lockdown kommt, dann werden wir schon wieder leicht nervös.

Aber bisher sind die Marktschwärmereien ja gut durch die Corona-Krise gekommen. Die Leute haben mehr Wert auf Regionalität gelegt und es gab einen regelrechten Run auf die Schwärmereien. Zum Glück konnten auch alle Verteilpunkte während der Lockdowns geöffnet bleiben. Möglich machte das die gute Organisation durch das Berliner Marktschwärmer-Team, das das Netzwerk zentral koordiniert und die Infrastruktur zur Verfügung stellt, zum Beispiel die Plattform mit dem Bestellsystem.

Darüber bin ich besonders froh. Denn das sind so Sachen, die kann man nicht auch noch machen. Also, dieses Portal und dieser Grundstock, den die zur Verfügung stellen, das ist schon top. Ich pflege da unseren Warenkatalog, und dann bin ich fertig. Schalte das nur noch frei und später wieder zurück. Und die Marge ist auch okay. Damit kommen wir gut zurecht jetzt.

Ganz lieben Dank, dass du dir die Zeit für mich genommen hast!

Impressionen vom Gemüsehof Hartmann

Cornelia Schröder und Helmut Hartmann vor ihrem Hofladen

Cornelia Schröder und Helmut Hartmann vor ihrem Hofladen in Bornheim-Sechtem.

Hier gibt es natürlich das eigene Gemüse, aber auch zugekaufte Produkte. Warum? Conny erklärt es so:

„Wenn ich den Kund*innen sage, dass ich keine Gurken habe, dann ägern sie sich, so nach dem Motto: 'Jetzt muss ich für die Gurke wieder in den Supermarkt, dann kaufe ich alles im Supermarkt.' Und die kommen dann gar nicht erst wieder."

Helmut Hartmann betreibt den Gemüsehof in vierter Generation. Anfangs war es, wie damals üblich, ein kleinbäuerlicher Familienbetrieb, auf dem neben dem Gemüse- und Getreideanbau auch einige Kühe, Schweine und Hühner gehalten wurden. Durch die wechselvolle Geschichte der Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten hat sich das Hauptaugenmerk auf die Produktion von Gemüse verlagert.

Natürlich gibt es auch Mitarbeiter*innen, aber wenn Erntezeit ist, sind alle helfenden Hände willkommen. Hier erntet Conny mit dem Senior Severin Hartmann Rote Bete.

Es war einmal…

Vor ein paar Jahren wurde auf dem Hof noch Weizen gedroschen, als es sich noch lohnte. „Da schuckelst du zwei Wochen über den Acker, und nachher hast du das Getreide im Silo und es ist nichts mehr wert.“, sagt Conny.

In solchen Holzkisten lieferten früher alle Obst- und Gemüsebaubetriebe aus der Region ihre Erzeugnisse zum ehemaligen Centralmarkt Roisdorf.

Vielfalt statt Massenproduktion: Bei Gemüsebau Hartmann gibt es viele Gemüsesorten, die im Supermarkt nicht erhältlich sind. Das schätzen Restaurantbetreiber*innen und ihre Gäste genauso wie die Kund*innen der Marktschwärmereien.

Conny bei der Verteilung der Marktschwärmerei Bonn Altstadt. Wenn es zwischendurch kurz ruhig ist, ist auch mal ein Kaffee mit "Kollegin" Katja von der Bäckerei Laib & Seele drin.

Bei aller Arbeit gibt es in der Landwirtschaft auch immer wieder schöne – manchmal sogar romantische – Momente.

als hilfreich bewerten 0 Versenden
Nachhaltiger Konsum

Direktvermarktung

Der Einkauf beim Bauern liegt im Trend

Wegweiser zum Hofladen
AdobeStock/ihi

Immer mehr Menschen wollen wissen, wo ihr Essen herkommt und suchen den Kontakt zum Erzeuger. Neben Wochenmärkten sind Hofläden und Abo-Kisten wichtige Einkaufsmöglichkeiten.

mehr...
Nachhaltiger Konsum

Marktschwärmer

Initiative bringt Bauernmarkt und Online-Shopping zusammen

Verteilung bei einer Marktschwärmerei
Marktschwärmer Deutschland

Dass Online-Shopping und regionale Lebensmittel kein Widerspruch sein müssen, zeigt die Initiative Marktschwärmer.

mehr...