Darum geht es:
- Sprache fördern mit den BZfE-Materialien
- Umgang mit Migration in der pädagogischen Praxis
- Arbeitsbeispiele zur informellen Sprachförderung
- Wertschätzung von Mehrsprachigkeit
Guten Appetit und herzlich willkommen!
Deutsche Schulklassen werden immer interkultureller und mehrsprachiger. Aber eines verbindet alle Kinder: Essen und Trinken. Gemeinsam über Essen sprechen und sich über kulinarische Vorlieben kennenlernen ist ein guter Startpunkt, neue Kinder in der Klasse zu begrüßen. Egal ob beim Klassenfrühstück oder im Unterricht, diese lebensnahen Themen bieten vielfältige Anlässe zum Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben.
Sprachförderung und Ernährungsbildung
Die Themen rund ums Essen und Trinken eignen sich besonders gut, um die Sprache und Integration zu fördern: Fast alle Kinder frühstücken, haben Lust, sich in der Küche selbst etwas zuzubereiten und interessieren sich dafür, wo unsere Lebensmittel herkommen. Ein weiterer Vorteil: Beim praktischen Tun und Forschen kann jedes Kind mitmachen und erleben, dass es etwas kann. Das stärkt das Selbstkonzept und so lassen sich Sprachhürden leicht überwinden. Die folgenden Beispiele zeigen, wie alltagsnahe Themen mit Unterstützung der BZfE-Materialien die Sprachentwicklung fördern können.
Informelle Sprachförderung mit den BZfE-Materialien:
Unser Tag der Liebligsspeisen
Die Idee "Meine Frühstückswünsche" stammt aus dem BZfE-Entdeckerheft So macht Essen Spaß. Steigern Sie die Begeisterumg und machen Sie regelmäßig in der Klasse einen "Lieblingsspeisentag" mit kleinen Kostproben.
Ablauf
Legen Sie fest, an welchen Tagen Sie sich mit den Kindern mit Lieblingsspeisen beschäftigen und feiern. Das kann eine "Trockenübung" sein oder eine Verkostung aus Anlass eines Geburtstagsfrühstücks alle drei Monate, bei dem mehrere Kinder ihren Geburtstag gemeinsam feiern (in der Ganztagsschule wären auch Geburtstagsmittagessen denkbar). Die Kinder können von ihren Lieblingsspeisen erzählen, diese in weiteren Sprachen benennen und/oder etwas zum Probieren mit in die Schule bringen.
Ziel und Nutzen
- Verdeutlichung der Vielfalt in der Klasse
- Aufzeigen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den Vorlieben
- Anknüpfungspunkte für die Erarbeitung der Thematik "Lieblingsessen" und "Fit-mach-Essen".
Varianten
- mündliche Vorstellung einzelner Speisen (mit oder ohne Bildermaterial/mitgebrachte Speisen)
- Plakatpräsentation, z. B. einzelne Speisen oder Zubereitung einer Speise#gemalte Bilder, Fotos oder Videofilme, z. B. von der Zubereitung, dem Einkauf, der Esssituatiom
- aufgenommene, gefolmte oder aufgeschriebene Aussagen der Familie zu den Speisen
- Vertiefungen: Woher kommen die Produkte? Wo kaufen wir die Produkte?
- Gemeinsame Verkostungen und die Geschmackserlebnisse mithilfe von Beschreibungshilfen ausdrücken. Wenn Sie für die Lebensmittel Geld einsammeln müssen, dann sollte das die Eltern nicht zusätzlich belasten. Die Aktion soll schließlich Begegnungen ermöglichen.
- Verschiedene Einkaufsstätten besuchen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausfinden, z. B. Namen der Produkte vergleichen...
Ich packe meinen Picknickkorb und nehme mit...
Kennen Sie das Merkspiel "Ich packe meinen Koffer", bei dem die Beteiligten nacheinander ein Teil in den Koffer packen und jeder bzw. jede alle bisherigen Teile wiederholen muss?
Ablauf
Übertragen auf den Bereich Ernährungsbildung können Sie das Spiel umbenennen in „Ich packe meinen Picknickkorb und nehme mit ...“.
Die Sprachen der Kinder können Sie einbeziehen, indem Sie beispielsweise das jeweilige Lebensmittel in der Erstsprache benennen lassen und/oder mit mehrsprachig beschriftetem Bildmarterial arbeiten. Sie aktivieren so das Vorwissen mehrsprachiger Kinder und helfen ihnen, den neuen Wortschatz daran anzuknüpfen. Wenn Sie Kleingruppen bilden, sind die einzelnen Kinder aktiver und können sich die Wörter besser merken.
Ziel und Nutzen
- Kenntnis verschiedener Lebensmittel, z. B. einzeln und in aufbereiteter Form, nach Essanlass
- Sprachvorbilder in der Gruppe
- Festigung durch Wiederholung des neues Wortschatzes
- Verknüpfung des Wortschatzes mit der Erstsprache
- Erweiterung des Sprachwissens der einsprachigen Kinder
Varianten
- Weiteres Bildmaterial in die Kleingruppen geben. Den Schwierigkeitsgrad können Sie über die Anzahl der Bilder steuern. Das Kind, das an der Reihe ist, zeigt auf ein Bild, die Gruppe wiederholt die Bezeichnung und das Kind "packt den Gegenstand dann in den Picknickkorb".
- Die Wort-Bildkarten einsetzem. Wenn Sie die Bilder vorher als Arbeitsblatt einzelnen Kindern nach Hause mitgeben, können sie dort beschriften. Alternativ können Sie die Begriffe über einen Online-Übersetzer recherchieren, z. B. Google oder Leo. Die Kinder können auch selbst neue Bilder ergänzen durch Prospektmaterial, Fotos.
- Mehrsprachige Runden einbauen.
Die Ernährungspyramide
Die Ernährungspyramide ist ein praxiserprobtes Modell zur Ernährungsbildung in Schulen. Die Lebensmittelkärtchen können Sie gemeinsam nach Vorlieben und Gewohnheiten der Kinder erweitern und für lustige Sprachspiele nutzen.
Ablauf
Sie haben bei der Lernstandsdiagnose eine hohe sprachliche Heterogenität festgestellt? Differenzierte Lernziele und Hilfestellungen ermöglichen Ihnen, an den Sprachstand des einzelnen Kindes anzuknüpfen und gezielt zu fördern. Formulieren Sie den Erwartungshorizont: Was sollen die (einzelnen) Kinder beschreiben können?
- Die Kinder können die Ernährungspyramide fachlich beschreiben. Dabei ist es wichtig, die Unterschiede zwischen Alltagssprache und Bildungssprache zu berücksichtigen: Welche Wörter der Bildungssprache sind hier notwendig?
- Die Kinder können die Ernährungspyramide inhaltlich mit Beispielen füllen. Günstig ist (Partner-)Arbeit, denn hier helfen sich die Kinder gegenseitig und alle sind sprachlich aktiv.
Ziel und Nutzen
- Zentrale Begriffe oder Satzmuster festigen für die Arbeit mit der Ernährungspyramide
- Kinder aktivieren durch den Austausch in (Partner)Gruppen
Varianten
Mit Bildkarten arbeiten und diese (mehrsprachig) beschriften. Wenn Sie die Bilder laminieren, können die Kinder sie mit einem wasserlöslichen Stift selbst in Deutsch und weiteren Sprachen beschriften. Weitere Impulse für Spiele mit den Bildkarten:
- Auf dem Marktplatz: Alle Kinder bewegen sich frei im Raum. Dabei sucht sich jedes Kind einen Partner, stellt diesem seine Karte vor und hört sich die Vorstellung der Karte seines Partners an; die Kinder tauschen die Karten und suchen sich neue Partner.
- Vergleich der Karten mit einem Partner in einem Lerntempoduett: Die Kinder beschriften die Karten in einzelarbeit und treffen sich an einem vereinbarten Ort mit einem Kind, das zur gleichen Zeit fertig wurde. So bilden sich sprachheterogene Gruppen von gleich schnell arbeitenden Kindern.
- Memospiel: Die Bildkarten werden gemisch, verteilt und dann abwechselnd auf der Ernährungspyramide abgelegt. Diese Bildkarten können von den Kindern auch selbst gemalt oder mit Bildern aus Prospekten erstellt werden.
- Differenzierung: Die Kinder schreiben eine kleine Anleitung für die Ernährungspyramide (fachliche Beschreibung). Oder wie wäre es mit einer kurzen Zeitungsmeldung über einen "Ernährungstag" eines oder mehrerer Kinder. Dafür könnten die Kinder einander interviewen und so über Besonderheiten und Gemeinsamkeiten, aber auch über "Fit-mach-Ernährungstage" ins Gespräch kommen.
Übers Essen Begegnungen mit den Eltern schaffen
Essen und Ernährung sind geeignete Themen für eine migrationsbewusste Elternzusammenarbeit. Sie können die die Eltern Ihrer Klasse oder Gruppe beispielsweise zu einem Kennenlern-Treffen einladen zum Thema "Unsere Lieblingsspeisen". Vielleicht erreichen Sie mehr Eltern, wenn auch die Kinder dabei sind, z. B. bei einem Klassenfest.
Keine Angst vor der Sprachhürde. Greifen Sie einfach auf die sprachlichen Ressourcen der Eltern zurück. Bilder sind auch manchmal hilfreich zur Verständigung. Sie können auch Übersetzer oder Übersetzerinnen der ehrenamtlichen und städtischen Netzwerke einladen. Vielleicht finden Sie in Ihrem Bekanntenkreis oder Ihrer Nachbarschaft helfende "Sprachdolmetscher".
Das können Sie tun
- Stellen Sie im Klassenzimmer mehrsprachige Schilder zu Lebensmitteln oder Fotos auf. Auch hilfreich: Laptop oder Smartphone zum Übersetzen oder um weitere Bilder zu finden.
- Am Eingang liegen Namensschilder bereit oder ein Klebeband mit Stiften, um den Namen darauf zu schreiben.
- Begrüßen Sie die Eltern in allen Sprachen, die in der Klasse gesprochen werden. Oder verbinden Sie die Begrüßung mit folgendem Kennenlernspiel verbinden: Alle stellen sich im Kreis auf. Einer beginnt, indem er sich seinem Nächsten zuwendet, eine Begrüßung ausspricht oder eine Grußgeste/-bewegung macht und dabei seinen Namen nennt. Der Begrüßte wiederholt die Begrüßung des Vorgängers und grüßt dann in seiner Form mit seinem Namen. Wichtig: damit sich niemand unwohl fühlt, die Begrüßungsrunde als Angebot formulieren.
- Wenn Eltern Speisen mitgebracht haben, dann sollte das Gericht namentlich auf einem Schild genannt werden. Vielleicht können Sie gemeinsam das Wort übersetzen.
- Schilder und Lebensmittel können Sie später für einen Rundgang nutzen. Die Eltern dürfen mit Klebepunkten ihre Vorlieben markieren. Daraus könnte sich ein Gespräch entwickeln: Oder die Eltern schreiben ihre Lieblingsspeisen in ihrer Sprache oder ihren Sprachen auf ein Plakat. Anschließend machen Sie ein Gruppenfoto, welches in die Mitte des Plakats geklabt wird.
- Nutzen Sie später dieses Plakat für Sprach- und Schreibanlässe.
Ziel und Nutzen
- Eltern kennenlernen und Türöffner für zukünftige Elternabende
- Interesse an der gegenseitigen Lebensweise wecken, Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigen
- Neues kennenlernen und als Bereicherung wahrnehmen
- Sprach- und Schreibanlässe für die Kinder schaffen
Varianten
- Speisen gemeinsam zubereiten, am besten in der Schulküche
Anregungen für den Unterricht:
Didaktische Grundsätze
Kinder dürfen auch in ihrer Erstsprache sprechen
Sie fördern damit das Zutrauen der Kinder in die eigenen Fähigkeiten (Förderung des sprachbezogenen Selbstkonzepts). Das erreichen Sie, wenn Sie den Kindern ihre (Erst-)Sprachkompetenzen bewusst machen, ihnen Erfolgserlebnisse in dieser Sprache ermöglichen und sie dafür loben. Gaben Sie den Kindern Gelegenheit, ihre Erstsprachen selbstbestimmt einzubringen, beispielsweise in Spielsituationen oder als Denk- und Arbeitssprachen zu etablieren.
Kinder können die neuen Wörter und Sätze mit der Erstsprache vergleichen.
Sie aktivieren damit das Vor- und Weltwissen und schaffen eine anschauliche Lerngrundlage. Darüber hinaus helfen Sie den Kindern, Erst- und Zweitsprache miteinander zu verknüpfen, um beispielsweise grammatikalische Unterschiede zu verdeutlichen. Mehrsprachigkeit muss nicht bedeuten, dass jedes Kind einen perfekt gekoppelten Wortschatz hat.
Vielfältige gemeinsame Lern- und Spielgelegenheiten ermöglichen.
Das entspricht dem Wunsch der Kinder nach sozialer Eingebundenheit und bedeutet mehr Lernzeit. Der Kontakt mit indern in der Zweitsprache wirkt sich positiv auf die Sprachentwicklung aus. Außerdem erhalten einsprachige Kinder die Chance, ihr Sprachwissen zu erweitern.
Lieder und Reime als Rituale einsetzen.
Sprachliche und rhytmisierte Routinen bieten einen stabilen Orientierungsrahmen und lassen die Kinder aktiv teilnehmen, beispielweise am morgendlichen Singen und Reimen. Mit begleitenden Gesten verstehen die Kinder die Inhalte noch besser.
Vorlesen.
Dialogisches Lesen dient der interaktiven Wortschatzerweiterung. Sie kommen mit den Kindern über (bildgestützte) geschichten ins Gespräch, setzen Impulse, stellen Fragen und lassen die Kinder in Kleingruppen über die Bilder sprechen, die Geschichte weiterlesen oder in der nächsten Stunde wiederholen.
Erzählen unterstützen durch (mehrsprachige) Wortangebote, Satzanfänge, Fragewörter...
Wichtig ist, dass das einzelne Kind dabei weder unter- noch überfordert wird. Geben Sie den Kindern genauso viel "Hilfsgerüst" (scaffolding), wie es der jeweilige Sprachstand erfordert. Bauen Sie diese Hilfen schrittweise ab (fading), damit die Kinder es schließlich ohne Unterstützung schaffen.
Erklären mit Bildern, realen Gegenständen, Experimenten...
Das unterstützt den Lernprozess durch Situierung und eine sogenannte doppelte Codierung, indem Sprache zusätzlich mit einem Bild, einer realen Situation oder einer Handlung verknüpft wird. Wir wäre es mit pantomimischen Darstellungen von Tätigkeiten wie rühren, essen, schneiden, Händewaschen...?
Wiederkehrende Satzmuster verwenden.
Grußformeln und Aufforderungen im gleichen Satzmuster geben Sicherheit und sind sinnvolle Übungen: "Guten Morgen, Kim! Wie geht es dir heute?" "Heute geht es mir..." "Guten Morgen, Timo! Wie geht es dir heute?"....
Allgemeine kommunikative Grundsätze
Sich neben das Kind setzen. Sich ihm deutlich zuwenden.
Sprechen auf Augenhöhe, kurze Distanzen und direkte Ansprachen dienen der persönlichen Adressierung und schaffen ein zugewandtes und unterstützendes Sprachumfeld. Doch auch da ist Achtsamkeit geboten. Jedes Kind hat unterschiedliche Bedürfnisse bezüglich Nähe und Distanz.
Sprechanlässe schaffen. Ehrliche Fragen stellen und Äußerungen des Kindes aufgreifen.
Wenn an einem Thema gearbeitet wird, dann sollte möglichst viel Zeit dafür genutzt werden. Diese Lernzeit, auch "time to aks" genannt, ist für das Kind sehr effektiv und wichtig für eine gelingende Sprachförderung und den Lernerfolg.
Geduldig warten, bis das Kind zu Ende geredet hat.
Häugiges Unterbrechen mindert den aktiven Sprechanteil und kann Sprechhemmungen begünstigen.
Sprechgeschwindigkeit, Wortschatz und Satzbau an sprachliche Fähigkeiten des Kindes anpassen.
Das heißt: Langsam sprechen, klar segmentiert, in einfachen Sätzen, weniger Funktionswörter, viele Fragen. Dabei verändern Sie Ihre Sprache mit wachsendem Fortschritt des Kindes. Das ist eine Gratwanderung. Doch diese Anpassung des Schwierigkeitsgrades an die Sprachfähigkeit der Kinder ist förderlich und darf nicht "verpasst" werden.
Deutlich sprechen. Keine Endungen verschlucken. Sprechpausen machen.
Korrektes Vorsprechen und ein natürlicher Sprachrhythmus sind wichtig. Mit Sprechpausen kann das Kind das Gesagte inhaltlich besser verarbeiten oder rückfragen.
Mit Händen und Füßen reden.
Mimik, Gestik und Körpersprache unterstützen das Verstehen von sprachlicher Kommunikation.
Indirekt korrigieren: Äußerungen der Kinder aufgreifen und korrekt wiederholen.
Sie helfen dem Kind, seinen Wortschatz und sein Repertoire an korrekten Satzmustern zu erweitern, indem Sie in korrekter Alltagssprache Äußerungen des Kindes erneut formulieren.
Beschreiben und kommentieren, was gerade geschieht oder was Sie gerade tun.
Beim arbeits- und denkbegleitenden Sprechen wird Alltägliches und BEsonderes versprachlicht. Das erklärt und festigt den neuen Wortschatz und neue Satzmuster im Kontext.