(BZfE) – Hanfhaltige Produkte werden gehypt wie kaum ein anderes Produkt. Hanföl, Hanfproteinpulver, Back- und Teigwaren, Bier und Erfrischungsgetränke sowie Kräutertees, Kaugummi und Gummibärchen; Beauty-Produkte, Superfood oder medizinischer Helfer bei Gesundheitsbeschwerden – es gibt nahezu nichts, was es nicht gibt. Wie diese Produkte lebensmittelrechtlich einzuordnen sind, beleuchtete Dr. Dirk Lachenmeier, Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CVUA), anlässlich des 27.Lebensmittelrechtstag für Erzeugnisse aus Getreide, die die Arbeitsgemeinschaft für Getreide kürzlich in Detmold veranstaltete.
Zunächst gilt es, die Taxonomie und Inhaltsstoffe der Hanfpflanze näher zu betrachten: Die Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt. Die einjährige und robuste Pflanze stammt aus Zentralasien/Nordwestindien, hat eine kurze Wachstumszeit und wird drei bis fünf Meter hoch. Auf der ganzen Oberflache der Pflanze, außer den Samen und Wurzeln, befinden sich Drüsenhaare. Diese bilden ein Harz, welches zu 80 bis 90 Prozent aus Cannabinoiden sowie ätherischen Ölen, hochpolymeren Phenolen, Terpenen und Wachsen besteht. Über 120 verschiedene Cannabinoide sind identifiziert. Die Hauptbestandteile sind
- delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) – wirkt psychotrop,
- Cannabidiol (CBD) – wirkt nicht psychotrop, hat aber je nach Dosis andere pharmakologische Effekte.
Die Renaissance von Hanf beziehungsweise hanfhaltigen Lebensmitteln begann etwa um die Jahrtausendwende, nachdem 1996 mit der 7. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften der Anbau von Faserhanf in Deutschland nach langjährigem Verbot wieder gestattet wurde.
Die Konzentration von THC hängt hauptsächlich vom Pflanzentyp ab: Faser- oder Drogenhanf. Heutige Faserhanfsorten, und nur die dürfen für die Herstellung hanfhaltiger Lebensmittel verwendet werden, weisen einen nach den Vorgaben der Europäischen Union (EU) entsprechenden THC-Gehalt von weniger als 0,2 Prozent auf. Dieser Grenzwert bezieht sich lediglich auf den Faserhanfanbau und ist keinesfalls als zulässiger Grenzwert in Lebensmitteln anzuwenden, so Lachenmeier. Ferner: „Leider werden derzeit auf sehr vielen Internetportalen CBD-Produkte vertrieben, die einen Gehalt von weniger als 0,2 Prozent als „THC-frei“ interpretieren und damit dem Verbraucher fälschlicherweise eine Risikofreiheit derartiger Produkte suggerieren.“ Eine toxikologische Risikobewertung müsse jedoch individuelle und produktspezifische Gegebenheiten im Einzelfall berücksichtigen. Ausgehend von diesen Überlegungen wurden im Jahr 2000 folgende THC-Richtwerte für Lebensmittel abgeleitet:
- 5 Mikrogramm je Kilogramm für nicht alkoholische und alkoholische Getränke,
- 5000 Mikrogramm je Kilogramm für Speiseöle sowie
- 150 Mikrogramm je Kilogramm für alle anderen Lebensmittel.
Diese Richtwerte wurden erst kürzlich vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bestätigt. Für CBD in hanfhaltigen Lebensmitteln gibt es laut BfR keine gesundheitsbasierten Richtwerte.
Was die lebensmittelrechtliche Einordnung betrifft, so sind Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die vor dem 15. Mai 1997 in der EU noch nicht in nennenswertem Umfang von Menschen verzehrt worden sind, als neuartig einzustufen (Novel-Food Verordnung). Traditionelle Hanflebensmittel, die vor Mai 1997 verzehrt worden sind, werden ausschließlich aus den Samen beziehungsweise Blättern (als Kräutertee) der Pflanze, jedoch nicht aus den Blüten, sonstigen Pflanzenteilen und insbesondere nicht unter Mitverwendung von Extrakten gewonnen. Aus Sicht des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) muss für derartige CBD-haltige Erzeugnisse vor dem Inverkehrbringen entweder ein Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels oder ein Antrag auf Zulassung eines neuartigen Lebensmittels gestellt werden. Im Rahmen dieser Verfahren ist die Sicherheit des Erzeugnisses vom Antragsteller zu belegen.
Ferner sind gesundheits- und krankheitsbezogene Angaben zu CBD gemäß der Health Claims Verordnung nicht zulässig. Untersuchungsergebnisse des CVUA Karlsruhe (Stand Juni 2019) attestierten nur 12 von 49 Proben keine Beanstandungen, wobei es sich hier hauptsächlich um normale Hanfsamenöle und hanfhaltige Getränke handelte. 29 Proben wurden als nicht zugelassene Novel Food eingestuft und somit generell als Lebensmittel nicht verkehrsfähig. Zudem wurde bei 32 Proben die Kennzeichnung beanstandet.
Das Fazit von Lachenmeier: „Auch wenn Teile des legal angebauten Faserhanfs zur Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden, sind diese Produkte nicht zwingend sicher im Sinne der lebensmittelrechtlichen Regelungen. Manche Teile der Hanfpflanze und insbesondere daraus gewonnene Extrakte sind bei der Verwendung als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat als Novel Food einzustufen und damit ohne Zulassung als Lebensmittel nicht verkehrsfähig. Gerade von diesen extrakthaltigen Produkten geht eine erhebliche Gefahr von sehr hohen THC-Gehalten aus, bis hin in den Bereich der Rauschdosis eines Joints (10 bis 20 Milligramm). Lediglich Hanfprodukte, die auf Basis der weitgehend THC-freien Samen hergestellt werden, sind als unproblematisch zu bewerten.“
Rüdiger Lobitz, www.bzfe.de
Weitere Informationen:
https://www.bzfe.de/inhalt/hanf-6580.html
https://www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=2&Thema_ID=2&ID=3021&lang=DE&Pdf=No