Mit seinem Urteil vom 8. Juni 2022 (Az. 14 LB 2/22) hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lübeck klargestellt, dass es sich bei gebaadertem Gabelbeinfleisch um Separatorenfleisch im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 handelt. Demnach ist Separatorenfleisch „ein Erzeugnis, das durch Ablösung des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird“ (Anhang I Nr. 1.14).
Das Oberverwaltungsgericht Lübeck hatte sich mit der lebensmittelrechtlichen Einstufung von Hähnchen-Gabelbeinfleisch zu befassen. Dieses Fleisch ist auch als Furculafleisch bekannt. Es wird vom Gabelbein der Hähnchen durch Abpressen mit Baader-Maschinen gewonnen. Das V-förmige Gabelbein ist ein Knochen aus dem Schultergürtel des Hähnchens.
Baadern
Das Verfahren trennt Fleisch von Bindegewebe, Sehnen und Knorpeln. Durch das Entfernen von Bindegewebe und Sehnen sinkt der Gesamteiweißgehalt des Produktes. Es hat die Konsistenz von gewolftem Fleisch.
Der Fall
In dem beanstandeten Geflügelschlacht- und Zerlegebetrieb wird das Furculafleisch vollautomatisch in zwei Schritten gewonnen:
- Im ersten Schritt wird das Gabelbein mit anhaftender Muskulatur als Ganzes maschinell mit V-förmigen Messern aus dem Geflügelschlachtkörper ausgestanzt.
- In einem zweiten Schritt wird das herausgetrennte Gabelbeinstück zu einer Entsehnungsmaschine (Baader-Maschine) weiterbefördert und dort durch eine Drei-Millimeter-Lochtrommel gepresst, um es von Sehnen, Knochen- und Knorpelteilen zu befreien.
Das so erhaltene Erzeugnis weist durch die Pressung eine körnige Struktur auf. Es besteht im Wesentlichen aus Fleisch und Fett. Der in Rede stehende Schlachtbetrieb verkauft dieses Erzeugnis unter der Bezeichnung „Hähnchen-Verarbeitungsfleisch“ an andere Lebensmittelunternehmen, die es zur Herstellung von Geflügelfleischerzeugnissen verwenden.
Das Urteil
Mit seinem Urteil vom 8. Juni 2022 (Az. 14 LB 2/22) hat das OVG Lübeck klargestellt, dass es sich bei derart gewonnenem Gabelbeinfleisch um Separatorenfleisch im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 handelt. Demnach ist Separatorenfleisch „ein Erzeugnis, das durch Ablösung des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird“ (Anhang I Nr. 1.14).
Separatorenfleisch ist kein Fleisch im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004, sondern ein minderwertiges Restprodukt, das mitunter auch als „Knochenputz“ bezeichnet wird. Die Bezeichnung des gebaaderten Gabelbeinfleisches als „Hähnchen-Verarbeitungsfleisch“ hält das OVG Lübeck für irreführend.
Der Schlachtbetrieb hatte geltend gemacht, dass das in Rede stehende Erzeugnis in zwei voneinander unabhängigen Produktionsschritten gewonnen würde, nämlich erstens dem Ausstanzen des Gabelbeins und zweitens dem maschinellen Ablösen des Gabelbeinfleisches. Weder im ersten noch im zweiten Schritt seien alle drei Tatbestandsvoraussetzungen der Separatorenfleischdefinition (Ablösung von fleischtragenden Knochen, maschinell, Veränderung bzw. Auflösung der Muskelfasern) erfüllt.
Das Gericht folgt dieser Argumentation nicht. Seiner Auffassung nach sind die beiden Produktionsschritte als einheitlicher Produktionsvorgang zu betrachten. Andernfalls wäre es jedem Betrieb durch die Gestaltung seiner Produktion überlassen, ob es sich bei dem verarbeiteten Fleisch um Separatorenfleisch handelt oder nicht. Im vorliegenden Fall seien alle drei Voraussetzungen für die Einstufung als Separatorenfleisch gegeben. Insbesondere stellt das ausgestanzte Gabelbein nach Auffassung des OVG Lübeck einen fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen in Sinne der Begriffsbestimmung dar.
Zudem hob der Hersteller die hohe Qualität des Erzeugnisses hervor, die sich insbesondere im geringen Calciumgehalt widerspiegele. Separatorenfleisch wird bei der Herstellung mehr oder weniger stark mit calciumreichen Knochensplittern und Knochenmehl verunreinigt. Hohe Calciumgehalte gelten als Anzeichen für intensive Verarbeitungsmethoden und als qualitätsmindernd.
Die Definition von Separatorenfleisch knüpft jedoch nicht an die Qualität des Endproduktes, sondern allein an die Herstellungsweise an. Auch Separatorenfleisch mit niedrigem Calciumgehalt bleibt Separatorenfleisch. Die höhere Qualität hat nach den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 lediglich andere hygienische Anforderungen und andere Verwendungsmöglichkeiten zur Folge.
Wird Separatorenfleisch bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet, so muss es im Zutatenverzeichnis als solches angegeben werden. Dem Begriff „Separatorenfleisch“ ist die Tierart voranzustellen, von der das Fleisch stammt, also z. B. „Hähnchen-Separatorenfleisch“.
Anforderungen an Separatorenfleisch
Wegen seines hohen Zerkleinerungsgrades sind an Separatorenfleisch besondere hygienische Anforderungen zu stellen.
Die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 unterscheidet zwei Kategorien von Separatorenfleisch, für die die jeweils genannten Anforderungen gelten:
Separatorenfleisch besserer Qualität | Separatorenfleisch schlechterer Qualität |
wird nach Verfahren hergestellt, die die Struktur der verwendeten Knochen nicht verändern. Sein Calciumgehalt übersteigt den von Hackfleisch nicht signifikant. Er darf maximal 0,1 % (=100 mg/100 g oder 1000 ppm) des frischen Erzeugnisses betragen (Art. 4 i. V. m. Anhang IV der VO 2074/2005). | wird mit anderen Verfahren hergestellt. |
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