Die Werbebotschaft „erfüllt zu 100 Prozent die Empfehlungen des Bundeszentrum für Ernährung (BZfE)“, gepaart mit einer Grafik, die an einen Stempelaufdruck erinnert mit dem Schriftzug „Bestätigt“ auf einem Nahrungsergänzungsmittel erweckt den Eindruck, das BZfE habe eine solche Bestätigung tatsächlich abgegeben. Weil das jedoch nicht der Fall ist, hat das Landgericht (LG) Hamburg die entsprechende Werbung mit Urteil vom 14. Juli 2022 für irreführend und daher unzulässig erklärt (Az. 403 HKO 18/22).
Die Beklagte vertreibt Nahrungsergänzungsmittel, darunter ein Produkt für Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Stillende, das Folsäure, Jod, Docosahexaensäure (DHA) und Vitamin D sowie noch eine Vielzahl weiterer Vitamine und Mineralstoffe enthält. Sie bewirbt das Mittel auf ihrer Homepage mit einem großformatigen Bild vom Bauch einer Schwangeren, auf dem in roter Schrift und Umrahmung steht: „Bestätigt“. Die Darstellung erinnert optisch an einen Stempelaufdruck. Darunter befindet sich in kleinerer Schrifttype die Erläuterung: „erfüllt zu 100 Prozent die Empfehlungen des Bundeszentrum für Ernährung“.
Die Klägerin, eine Verbraucherschutzorganisation, hält die Werbung für irreführend und damit unlauter. Sie suggeriere, das BZfE habe der Beklagten bestätigt, dass ihr Produkt zu 100 Prozent die vom Netzwerk „Gesund ins Leben“ publizierten Supplementierungsempfehlungen erfülle, was jedoch nicht der Fall sei. Auch inhaltlich sei die Werbebotschaft unzutreffend. Die Klägerin argumentiert, dass die Empfehlungen zur Supplementierung des am BZfE angesiedelten Netzwerks weitaus differenzierter seien, als die Beklagte in ihrer Werbung ausführt. So empfehle das Netzwerk zwar für die Kinderwunschphase und Zeit der Schwangerschaft eine Ergänzung mit Folsäuretabletten, nicht aber für die Stillzeit. Die Empfehlung zu einer Jodsupplementierung indes gelte erst zu Beginn der Schwangerschaft sowie in der Stillzeit, nicht aber bereits in der Kinderwunschphase.
Bezüglich DHA und Vitamin D gebe das Netzwerk keine pauschale Empfehlung zur Supplementierung, sondern führe in seinen Handlungsempfehlungen ausdrücklich aus, dass der Mehrbedarf an Vitaminen und Mineralstoffen durch eine geeignete Lebensmittelauswahl in der Regel über eine normale Ernährung gedeckt werden könne. Ebenso wenig rate das Netzwerk dazu, die weiteren im Produkt enthaltenen Vitamine und Mineralstoffe einzunehmen, ohne dass dafür ein konkreter Anlass vorliege.
Das LG bestätigt die Auffassung der Klägerin. Anders als die Beklagte meint, verstehe die Zielgruppe die Werbung nicht allein so, dass die Produktzusammensetzung den Empfehlungen des BZfE entspreche. Vielmehr wecke die stempelähnliche Grafik mit dem Schriftzug „Bestätigt“ und der in räumlicher Nähe angebrachte Verweis auf die BZfE-Empfehlungen den Eindruck, dass der Nutzen des Produktes amtlich bestätigt wurde. Da dies aber tatsächlich – unstreitig – nicht der Fall sei, verstoße die Werbung gegen die sogenannte „Schwarze Liste“ des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Schwarze Liste des UWG
Im Anhang des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gibt es eine Liste von 30 irreführenden und besonders aggressiven Handelspraktiken, die generell verboten sind – die sogenannte „Schwarze Liste des UWG“. Dazu zählen zum Beispiel gefälschte Kundenbewertungen, die Nichtgewährung ausgelobter Preise sowie unwahre Angaben über die Anerkennung durch Dritte. Die Liste absoluter Werbeverbote soll für Transparenz im Handel sorgen und Verbraucherinnen und Verbrauchern die Durchsetzung ihrer Rechte erleichtern. Liegt ein Tatbestand aus der schwarzen Liste des UWG vor, ist keine Einzelprüfung mehr erforderlich.
Das Gericht erkennt auch deshalb einen Wettbewerbsverstoß, weil die Voraussetzungen für die suggerierte amtliche Bestätigung gar nicht vorliegen. Das Produkt erfülle gar nicht zu 100 Prozent die Empfehlungen des BZfE, sondern weiche in mehreren Punkten, wie von der Klägerin ausgeführt, von diesen ab. Somit sei die Werbung in doppelter Hinsicht geeignet, über wesentliche Merkmale des beworbenen Nahrungsergänzungsmittels zu täuschen.
Der Artikel ist erschienen in der Ernährung im Fokus Herbstausgabe 03 2022.