Tenebrio molitor, auch bekannt als Mehlkäfer, war das erste Insekt, das als neuartiges Lebensmittel zugelassen wurde. Seit 22. Juni 2021 dürfen die getrockneten Larven, umgangssprachlich als Mehlwürmer bezeichnet, ganz oder in pulverisierter Form in den Verkehr gebracht werden. Auch der Zusatz zu Chips, Schokoladenerzeugnissen, Fleischzubereitungen und Getreideriegeln ist zulässig.
In vielen Regionen der Welt, vor allem in afrikanischen und asiatischen Ländern, werden Grillen, Mehlwürmer und Wanderheuschrecken seit langer Zeit gekocht oder gebraten verspeist. Laut einer Erhebung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) aus dem Jahr 2016 essen Menschen weltweit mehr als 2.000 Insektenspezies regelmäßig, hauptsächlich Käfer, Larven, Hautflügler wie Bienen, Wespen und Ameisen, Heuschrecken, Grillen und Grashüpfer. Aber auch Termiten und Zweiflügler wie Fliegen und ihre Larven wandern in den Topf.
Insekten, die bislang als Schädlinge bekämpft wurden, erleben eine Neubewertung: Sie werden nun auch in Europa in speziellen Farmen vor allem in den Niederlanden und Frankreich gezüchtet. Obwohl die Bedingungen für Aufzucht und Futter je nach Insektenart variieren, sind die Ansprüche gering. Futtermittel für Mehlwürmer sind etwa Weizenmehl, Gemüsereste und Kleie. Faktoren wie Temperatur, Feuchte und Helligkeit lassen sich in den Farmen automatisch regeln. Vor der Verwertung als Lebensmittel durchlaufen die Insekten meist eine24-stündige Futterkarenz, damit sie ihren Darminhalt abgeben.
Gleichzeitig können sie Krankheitserreger und Kontaminanten übertragen. Dass dies bei Lebensmittelinsekten ausgeschlossen ist, hat der Hersteller durch geeignete Produktionsbedingungen sicherzustellen. Außerdem enthalten die Insekten ähnlich wie Krebstiere Proteine mit allergenem Potenzial. Aufgrund dieser Risiken und da Insekten in Europa keine üblichen Lebensmittel darstellen, müssen sie als neuartige Lebensmittel zugelassen werden. Voraussetzung für die Zulassung ist eine Sicherheitsbewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Nur wenn diese keine mit dem Verzehr einhergehenden Sicherheitsrisiken feststellt, dürfen die Insekten als Lebensmittel auf den Markt gebracht werden.
Viele Menschen in Europa lehnen den Verzehr von Insekten allerdings ab. Laut Angaben des BfR ist dafür bei 46 Prozent Ekel der ausschlaggebende Faktor. Wer einen ungewollten Konsum vermeiden möchte, sollte das Zutatenverzeichnis zukünftig genauer inspizieren. Denn dort sind die verwendeten Insekten mit der in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 vorgeschriebenen Bezeichnung anzugeben.
Da die Insekten Proteine enthalten, die bei empfindlichen Personen allergische Reaktionen auslösen können, sind außerdem entsprechende Hinweise vorgeschrieben. Diese müssen in unmittelbarer Nähe des Zutatenverzeichnisses stehen. Nach Angaben der Europäischen Kommission sind Insekten-Lebensmittel in der EU bisher nur ein kleiner Nischenmarkt (siehe Tabelle unten). Das könnte sich jedoch zukünftig ändern. Der EFSA liegen bereits Zulassungsanträge für acht weitere Insektenerzeugnisse vor, darunter ein Proteinkonzentrat aus Tenebrio molitor und die Larven der Schwarzen Soldatenfliege Hermetia ilucens.
Der Artikel ist erschienen in der Ernährung im Fokus Frühlingsausgabe 01 2023.