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Der Autor Stefan Michel liefert erfreulich differenzierte und gut recherchierte Argumente dafür, dass eine "sehr bescheidene Menge an Fleisch“ mit Klima- und Artenschutz zu vereinbaren ist.

Carrie / stock.adobe.com

Die Suche nach einer Formel, mit der es gelingt klimafreundlich zu essen führt schnell zu der Frage: Fleisch ja oder nein? Ein erfreulich differenziertes und gut recherchiertes Antwortenspektrum auf diese keineswegs triviale Frage liefert Stefan Michel mit seinem Buch „Fleisch fürs Klima“. Übereinstimmend mit gängigen Ernährungsempfehlungen zum Klimaschutz spricht er sich für den Konsum pflanzlicher, regionaler und saisonaler Bio-Lebensmittel aus. Seine Recherchen führen ihn aber auch zu der Überzeugung, dass sich der Verzehr einer „sehr bescheidenen Menge an Fleisch“ und auch Milchprodukten bestens mit dem Klima- und Artenschutz vereinbaren lässt – vorausgesetzt, sie stammen aus artgerechter Weidehaltung.

Statt eines Vorworts präsentiert Michel zu Beginn seines 280 Seiten starken Taschenbuches 15 prägnante, teils polemische Zitate zum Fleischkonsum, die einmal mehr verdeutlichen, wie emotional aufgeladen das Thema ist. Gestützt auf rund 100 weitere Äußerungen über die vermeintlichen oder tatsächliche Vor- oder Nachteile des Fleischessens, die er in seinem schon langen Berufsleben als Journalist und vermutlich auch privat gesammelt hat, führt er außerdem vier Persona ein. Sie repräsentieren leicht überspitzt, aber stimmig gängige Positionen zum Fleischkonsum: Da ist der Fleischesser Horst, die gesundheitsbewusste Nadine, der Vegetarier Patrick und die Veganerin Ellen. Diese vier kommen in den folgenden 21 Themenkapiteln in unregelmäßigen Abständen mit charakteristischen, oft undifferenzierten Äußerungen zu Wort, die Michel zunächst mit persönlich gefärbten Argumenten kommentiert, dann aber gestützt auf die Positionen unabhängiger Dritter fachlich einordnet. Diese Herangehensweise ist für ein Sachbuch ungewöhnlich, hat aber durchaus Charme. Das auch, weil Michel es mit seiner Wortwahl versteht, Verständnis für die Positionen anderer zu zeigen. Das öffnet den Blick für Argumente, die der eigenen Idee zur Umsetzung einer klimafreundlichen Ernährung vielleicht entgegenstehen.

Michel selbst hat dazu für sich eine klare Position gefunden. Sie lautet: „Verzehren wir Fleisch und Milchprodukte von Weidetieren, die sich nur von vor Ort wachsendem Gras (und Heu) ernähren, tun wir der Umwelt sogar etwas Gutes; denn Rinder-, Schaf- und Ziegenhaltung trägt dazu bei, dass Weideland erhalten bleibt, auf dem mehr als die Hälfte der heimischen Arten Deutschlands lebt. Zudem schützt Grünland aktiv das Klima, da es ebenso viel CO2 speichert wie Laubwälder.“ Auch rät er dazu, bevorzugt das ganze Tier anstatt nur einzelne Teile wie das Filet zu essen. Diesem Sachverhalt widmet er ein eigenes Kapitel, ebenso wie etwa den Themen Bio-Landwirtschaft, Wildfleisch, der Situation der Schafe Hütenden in Deutschland und der Frage, ob der Mensch von Natur aus vegan isst. Letztere Frage verneint er mit dem Hinweis, dass es weltweit kein rein vegan lebendes Volk gibt – ausgenommen einzelne Bevölkerungsgruppen in Indien, die jedoch aus rein rituellen oder spirituellen Gründen tierische Produkte meiden.

Mit seinen Ausführungen stützt sich der Autor auf eine Vielzahl namhafter Fachleute unterschiedlicher Organisationen und Fachinstitutionen von Natur- und Tierschutzverbänden über den Bauernverband bis hin zum Umweltbundesamt. Michel hat für sein Buch die einschlägige Presseberichterstattung durchforstet, in wissenschaftlichen Publikationen recherchiert und persönliche Anfragen gestellt, wovon rund 20 Seiten kleingedruckter Literatur- und Quellenangaben zeugen. Für Menschen, die fernab der gängigen Schwarz-Weiß-Malerei ihren Blick auf das Für und Wider des Fleischessens schärfen wollen, ist Michels Buch ein echter Treffer.

Fleisch fürs Klima
Ein neuer Blick auf Artenschutz, Tierhaltung und nachhaltige Ernährung

Stefan Michel
oekom verlag, München
2023
280 Seiten
ISBN 978-3-98726-001-08

Preis: 22,00 Euro (E-Pub: 17,99 Euro)

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