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Woher kommt das Essen auf dem Teller? Kinder stellen viele Fragen – auch zum Thema Ernährung. Genau daran lässt sich im Rahmen von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) anknüpfen.

Barbara Nowicz

Nachhaltiger Ernährung auf der Spur (PDF-Download)

Mehr als 3,2 Millionen Kinder in Deutschland besuchen Kindertageseinrichtungen (Kitas) und essen dort: ob Frühstück, Mittagessen oder Zwischenmahlzeiten (destatis 2020). Das Verpflegungsangebot ist vielfältig: Essen wird selbst zubereitet und gekocht, mitgebracht, angeliefert oder aufgewärmt. Mit der wachsenden Nachfrage nach Ganztagsbetreuung ist auch die Zahl an Mahlzeiten gewachsen, die Kinder außer Haus einnehmen.

Mit dem Eintritt in die Kita erleben Kinder das Thema Ernährung erstmals außerhalb ihres familiären Umfelds, das Grundwerte und Ernährungsgewohnheiten maßgeblich prägt. In Kitas wird mit den Kindern Alltag gelebt. Damit einher gehen gemeinsame Mahlzeiten.

Verschiedene Projekte unterstützen Kinder, Lebensmittel, ihre Zubereitung und ihre gesundheitsfördernden Potenziale kennenzulernen. Ernährungsbildung soll darüber hinaus Fähigkeiten und Fertigkeiten fördern, „die eigene Ernährung politisch mündig, sozial verantwortlich und demokratisch teilhabend unter komplexen gesellschaftlichen Bedingungen zu gestalten.“ (D-A-CH Arbeitsgruppe Ernährungs- und Verbraucherbildung, www.evb-online.de). Neben der individuellen Gesundheit gehört auch Nachhaltigkeit dazu mit dem Aspekt, welche Auswirkungen das eigene Essverhalten auf die Umwelt hat.

Diese Aufgabe stellt viele Kitas vor große Herausforderungen. Wie sie diese kreativ angehen können, zeigen drei Beispiele.

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zielt darauf ab, Kompetenzen und Handlungsfähigkeiten zu stärken sowie Hintergrundwissen zu Nachhaltigkeitsthemen zu erweitern, um Kinder zu zukunftsorientiertem Handeln zu befähigen.

Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung bedeutet, sich für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen einzusetzen, Gerechtigkeit weltweit und zwischen den Generationen zu gestalten und bisherige Wirtschafts- und Konsummuster im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategien (besser, anders, weniger, gerechter) neu und anders zu denken. Ein Schlüsselthema ist die Ernährung. (vgl. z. B. Bund, Misereor 1996, S. 30f.; Transfer 21 2007; Fritz, Schubert 2014, S. 4; Stoltenberg 2009)

Praxisbeispiel aus Dreieich

In der städtischen Kita Zeisigweg in Dreieich, die als Konsultationseinrich­tung Teil des Klima-Kita-Netzwerks ist, gibt es langjährige Erfahrungen rund um Bildung für nachhaltige Entwicklung. Einen Schwerpunkt setzt die Kita-Kon­zeption im Bereich Ernährung. „Wir ach­ten darauf, wo unsere Lebensmittel her­kommen und kaufen möglichst saisonal und regional ein“, erzählt Leiterin Randi Broisch. „Unser Brot kommt vom hie­sigen Bäcker, der es selbst backt – oh­ne Backmischungen und Zusatzstoffe.“ Das ist zwar nicht bio, aber regional. Kä­se und Wurst wird in Bio-Qualität einge­kauft, die Wurst stammt von Tieren aus der Region. Die Milch kommt von einem örtlichen Landwirt, den die Kita-Kinder – ebenso wie den Bäcker – besuchen. „Durch unsere regelmäßigen Besuche auf dem Bauernhof wissen die Kinder, wo beispielsweise die Milch, das Fleisch oder das Getreide herkommen“, sagt Broisch.

Die Kita bietet Frühstück, Mittagessen und Zwischenmahlzeiten an, die eine Köchin frisch zubereitet. Den Speiseplan für vier Wochen bereitet der Kita-Ar­beitskreis „Lecker Schmecker“ mit Kin­dern und Erwachsenen anhand eines Legespeiseplans (s. Foto S. 232) vor und stimmt ihn mit der Köchin ab. Dabei gibt es Vorgaben, zum Beispiel maximal zwei Mal pro Woche Fleisch oder Wurst und Nachtisch sowie immer saisonales Ge­müse und Obst wie Steckrübe und Ap­fel. Um herauszufinden, welches Obst oder Gemüse gerade wächst, nutzen die Kinder einen Saisonkalender. Es gibt al­so immer Gemüse der Saison – entwe­der aus dem eigenen Garten oder zuge­kauft. „Dabei entstehen natürlich auch Gespräche, warum wir im Winter etwa keine Erdbeeren oder Heidelbeeren es­sen“, erzählt Randi Broisch.

Den Garten bewirtschaften Kinder und pädagogische Fachkräfte gemeinsam. Angebaut wird, was die Kinder probie­ren wollen. „So haben wir schon Kürbis, Kartoffeln, Tomaten, Paprika, Aubergi­nen und Brokkoli angepflanzt. Kräuter haben wir sowieso und auch Sträucher mit Johannisbeeren und Apfelbäume“, erzählt die stellvertretende Leiterin Bar­bara Nowicz. Die Kinder erleben, wie et­was angebaut, geerntet und verarbei­tet wird und lernen nebenbei Kreisläu­fe kennen.

Ergänzend gibt es immer wieder neue Projekte rund um Nachhaltigkeit bei­spielsweise Aktionstage, die gemein­sam mit Partnern aus dem Umfeld statt­finden. So bauten Mitglieder des ört­lichen Gartenbauvereins zusammen mit den Kindern Stationen für einen Aktionstag rund um den Apfel und die Streuobstwiese auf. „Biodiversität fin­den wir nämlich vor unserer Haustür“, sagt Randi Broisch. Die Kinder konnten alte Apfelsorten probieren, eigenen Ap­felsaft herstellen oder überprüfen, wo die Äpfel aus dem Supermarkt herkom­men. „Man kann nicht erwarten, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Ernährung von allei­ne kommen. Es ist wichtig, sich zu ver­netzen und auszutauschen. Das ma­chen wir beispielsweise im Klima-Kita- Netzwerk und lokal mit den anderen Einrichtungen unserer Kommune“, er­zählt Broisch. Die Kitas des Trägers ent­wickelten eine Checkliste, mit der sich überprüfen lässt, wie weit sie schon in Sachen Nachhaltigkeit gekommen sind. Ein Bereich dabei ist die Ernährung.

Praxisbeispiel Kita Ubbedissen

Auch im AWO-Kindergarten Ubbedissen bei Bielefeld spielt nachhaltige Ernäh­rung eine große Rolle: Angefangen hat das vor über 30 Jahren mit einem klei­nen selbstgebauten Gewächshaus. „Wir wollten schon damals Abläufe in der Natur für Kinder erlebbar machen“, er­zählt Kita-Leiterin Anke Kleymann. Heu­te ist dieser Ansatz in der Konzeption verankert. In der Kita gibt es ein Profige­wächshaus und es wird frisch gekocht. 92 Kinder werden so verpflegt, davon essen 69 zu Mittag. Einmal pro Woche machen alle das Frühstück selbst, dann ist auch Backtag. Der Brotteig wird zu­sammen angesetzt: selbst gemahlenes Mehl, Salz und Wasser. „Die Kinder be­stimmen mit, was wir backen, ob es et­wa Brot oder Hörnchen gibt“, berich­tet Anke Kleymann.

Die Kinder erleben auch, wo die Lebensmittel herkommen. Die Einrichtung hält in zwei Hühnerhäu­sern acht Hühner, die die Kinder täg­lich versorgen. Die eingesammelten Eier gibt es dann beim wöchentlichen Früh­stückstag. Außerdem hält die AWO-Ein­richtung Bienen. Zwei Kolleginnen sind ausgebildete Imkerinnen. Auch die Vor­schulkinder dürfen bei den Bienen mit­arbeiten. Ob Waben entdeckeln, Honig schleudern und abfüllen, Etiketten ge­stalten oder Blumen und Kräuter für die Bienen anpflanzen – es gibt für alle etwas zu tun. „Mit den Kindern bespre­chen wir auch, was die Bienen zum Le­ben brauchen und wie wichtig sie bei­spielsweise dafür sind, dass wir Obst auf dem Teller haben“, erzählt Anke Kleymann.

Praxisbeispiel Kita Essen-Kupferdreh-Byfang

Umwelt- und Klimaschutz sind auch in der Kita St. Barbara in Essen-Kupfer­dreh-Byfang fest verankert – eine ge­sunde und nachhaltige Ernährung spielt dabei eine zentrale Rolle. Erste Impul­se dazu kamen vor über zehn Jahren aus dem Team. 2020 wurde die Einrich­tung des KiTa Zweckverbands dann von der Verbraucherzentrale NRW für ihr kli­mafreundliches Verpflegungskonzept ausgezeichnet. Im Rahmen des Projekts „MehrWertKonsum“ erfasste die Kita gemeinsam mit der Verbraucherzent­rale NRW zehn Tage lang grammgenau die anfallenden Speisereste des Mittagessens. Dabei stellte sich heraus: Die Portionen sind schon gut an den Bedarf der Kinder angepasst, deshalb fallen wenig Speiseabfälle an. „Wir als Team beobachten, was und wie viel die Kinder essen und bestellen Mahlzeiten, die ge­sund sind und den Kindern schmecken. Außerdem durften sich die Kinder das Essen vor Corona selbst auffüllen. Wir haben sie ermutigt, die Mengen selbst einzuschätzen und bei Bedarf nachzu­nehmen – das reduziert Speiseabfäl­le und schafft Bewusstsein“, erzählt die Leiterin Martina Reinecke. Rund zwei Drittel der Kinder (ca. 30) essen mittags in der Kita. Die Mahlzeiten kommen von einem Caterer. Teil des Konzeptes ist es, dass die Kinder bei der Gestaltung des Speiseangebots mitwirken und ihre Wünsche bei der Essensbestellung Be­rücksichtigung finden.

Innerhalb des Projekts wurden die Spei­sepläne auch in Hinblick auf Klima­schutz unter die Lupe genommen. Die Empfehlungen orientieren sich an der Klimabilanz der verschiedenen Lebens­mittel – weniger Fleisch sowie mehr Ge­müse und Hülsenfrüchte. Obwohl der Caterer hier keinen besonderen Schwer­punkt setzt, ist das Angebot so vielfältig, dass die Kita sich einen klimafreundli­chen Speiseplan individuell zusammen­stellen kann.

Bei dem zweimal wöchentlich stattfin­denden Müsli-Frühstück legt die Ein­richtung ebenfalls Wert auf Nachhal­tigkeit. Es stehen Haferflocken, Nüsse, saisonales und – wenn möglich – regio­nales Obst sowie Kuhmilch und Hafer­drink zur Auswahl. Die Zutaten dazu be­zieht die Kita möglichst ortsnah und ver­packungsarm. Im Rahmen eines jähr­lich stattfindenden Projekts zum Thema „Gesundheit und Ernährung“ wird das Thema nachhaltige Ernährung für alle Kinder greifbar – vom Einkauf auf dem Wochenmarkt, dem Anbau im eigenen Garten über das gemeinsame Kochen bis hin zum Umgang mit Resten. „Da­bei eröffnen sich vielfältige Anlässe, um mit den Kindern über Themen wie Ver­packung, Abfall oder die Herkunft der Lebensmittel zu sprechen“, erzählt die stellvertretende Leiterin Sonja Knop.

 

Gelingensfaktoren

Die Beispiele zu „Ernährung in Kitas“ zeigen, dass die Verankerung von Bil­dung für eine nachhaltige Entwicklung ein Prozess ist, der mit kleinen Schritten startet. Dabei ist die Basis die Überzeu­gung, dass das Thema wichtig ist und die Auseinandersetzung im Team. Reflexion und Unterstützung durch Fachberatung, Träger, Projekte, Austausch mit anderen Kitas und Fortbildungen sowie Ressour­cen – zeitlich und finanziell – sind wichti­ge Gelingensfaktoren. Bildung für nach­haltige Entwicklung berührt vielfältige Handlungsfelder in der Kita (Abb. 1).

Bezogen auf die Bildungsarbeit geht es darum, Bildungsanlässe im Alltag (inne­rer Kreis) wie Kräuter anbauen oder Le­bensmitteleinkauf größer zu denken. Weiterhin gilt es, den Kita-Betrieb (äuße­rer Kreis) in den Blick zu nehmen. Wel­che Kriterien sind beim Einkauf wichtig? Woher stammen Saatgut oder Lebens­mittel? Für die Einrichtungen und Träger bedeuten diese Fragen einen Perspek­tivwechsel, bei dem die Ansätze auch in Konzeption, Qualitätsmanagement, Beschaffungsleitfäden oder baulicher Planung etwa bei Küchen mitzudenken sind. Die Nachhaltigkeitsbrille bedeutet auch, ethische Fragen mit den Kindern zu besprechen, sich mit dem Umfeld zu vernetzen und den Kindern und ihren Familien zu ermöglichen, Alternativen kennenzulernen und sich an Nachhaltig­keitsprozessen zu beteiligen. Das zeich­net gelungene Bildungsarbeit zu nach­haltiger Ernährung aus.

Klima-Kita-Netzwerk

Das Klima-Kita-Netzwerk bietet Veranstaltungen zu Klima-und Ressourcenschutz inklusive nachhaltiger Ernährung an. Ein Aktionstagebuch stellt Beispiele aus der Kita-Praxis vor.
Das Klima-Kita-Netzwerk wird von Innowego – Forum Bildung & Nachhaltigkeit eG, die Naturschutzjugend im NABU (NAJU), die Umweltstation Lias-Grube und die S.O.F – Save Our Fu­ture Umweltstiftung durchgeführt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit fördert das Projekt im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI).

www.klima-kita-netzwerk.de

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