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Das Projekt hat die Verbesserung der Ernährungslage und der Wertschöpfung bei der Landbevölkerung in Malawi durch eine effizientere Aquakultur und Aquaponic-Systeme zum Ziel.

Bernd Ueberschär

Malawi ist ein kleiner Binnenstaat im Südosten Afrikas. Die Fläche (ca. 120.000 qm) entspricht etwa einem Drittel der Fläche Deutschlands. Die politischen Verhältnisse können derzeit als stabil gelten, eine wichtige Voraussetzung für die langfristige Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungshilfeprojekten.

Das Land besteht zu 31 Prozent aus Wald und Buschland, 20 Prozent sind Ackerland und 15 Prozent Wiesen und Weiden. 25 Prozent des Landes bedeckt der Malawisee. Er ist der drittgrößte See Afrikas, der neuntgrößte der Erde und einer der fischartenreichsten Seen überhaupt (über 1.000 endemische Fischarten). Für die menschliche Ernährung von Bedeutung sind vier Buntbarscharten der Gattung Oreochromis, darunter gilt die Art Oreochromis karongae (Chambo) als die wirtschaftlich wertvollste Tilapienart für Malawi. Daneben fischt man eine Welsart, den Kampango (Bagrus meridionalis), der auch exportiert wird.

Fast 90 Prozent der rund 19,2 Millionen Einwohner arbeiten in der Landwirtschaft, im Wesentlichen als Klein- und Subsistenzbauern. Malawi hat mit Ausnahme von kleineren Uranvorkommen keine nennenswerten Bodenschätze. Tabak ist das wichtigste Exportgut, der Tabakhandel trägt seit 2007 mit durchschnittlich etwa 50 Prozent zu den Exporterlösen bei. Andere Exportgüter sind Tee, Kaffee, Sojabohnen und Zucker. Die Lage im Binnenland mit weitgehend unerschlossener Infrastruktur erschwert den Handel des Landes. Die unzuverlässige Stromversorgung belastet die Wirtschaft zusätzlich. Die Kapazitäten von Malawis Wasserkraftwerk am Shire, dem größten Fluss des Landes, decken den Bedarf der stark wachsenden Bevölkerung längst nicht mehr. Eine Eigenversorgung durch Solarstrom kann gegenwärtig in Einzelfällen helfen.

Die Vereinten Nationen stufen Malawi immer noch als wenig entwickeltes Land ein. Deutschland unterstützt die Entwicklung Malawis unter anderem auch aus der Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ mit Mitteln in Höhe von 16 Millionen Euro. Mit einem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von rund 350 US-Dollar gehört Malawi zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Rund ein Drittel der Einwohner galt 2017 als hungernd, 37 Prozent der Kinder als mangelernährt. Der Anteil unterernährter Kinder ist weltweit einer der höchsten.

Fischproduktion und -versorgung in Malawi

Traditionell ist Fisch in Malawi ein wichtiges Nahrungsmittel. Der Jahresverzehr liegt bei etwa 9,5 Kilogramm pro Kopf und Jahr (Deutschland: ca. 15 kg). Viele Jahre konnte sich vor allem die am Malawisee lebende Bevölkerung ausreichend mit Fischen versorgen. Die Überfischung seit Anfang der 1990er-Jahre hat jedoch dazu geführt, dass gegenwärtig ausgewachsene Tilapien nur noch selten in den Netzen zu finden sind (3–5 % des Fangs). Der Hauptfang besteht zu rund 70 Prozent aus kleinen Süßwassersardinen (Usipa).

In Malawi hat sich – basierend auf ersten für die Fischzucht angelegten Teichen durch die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien – mit Unterstützung verschiedener Organisationen bis heute eine rege Aquakulturszene entwickelt. Rund 6.000 kleinskalig produzierende Fischfarmer bewirtschaften etwa 9.000 Teiche. Daneben gibt es zwei große, professionell geführte Fischfarmen. Insgesamt wurden 2016 etwa 150.000 Tonnen Fisch aus Aquakultur und Fischerei geerntet. Dabei schöpft die rurale Aquakultur die Produktionskapazitä tin den Teichen bei Weitem nicht aus. Gegenwärtig produzieren die Farmer in der Aquakultur nur 3.500 Tonnen im Jahr. Hauptursachen dafür sind zu wenig Setzlinge, qualitativ unzureichendes Fischfutter und mangelndes Wissen für ein optimales Teichmanagement.

Projektziele

Das Projekt Ich liebe Fisch hat die Verbesserung der Ernährungslage und Wertschöpfung bei der Landbevölkerung in Malawi durch eine effizientere Aquakulturproduktion und eine innovative Verknüpfung von Fisch- und Gemüseerzeugung zum Ziel.

Die exemplarische Umsetzung der Projektziele findet in zwei Kommunen in geografisch und ökologisch unterschiedlichen Regionen (Mchinji und Nkhotakota) statt. Diese Kommunen
mit ausgewählten Fischclubs (Zusammenschluss von Familien, die gemeinschaftlich ihre Teiche bewirtschaften) erhalten im Projekt materielle Unterstützung (z. B. Fisch- und Pflanzensetzlinge,
Samen, Futter, Dünger) und eine intensive Betreuung mit Trainingskursen in verschiedenen Bereichen. Die wissenschaftliche, technische und praktische Begleitung der Maßnahmen erfolgt durch die Fraunhofer Einrichtung für Marine Biotechnologie und Zelltechnik (EMB), die Gesellschaft für Marine Aquakultur mbH (GMA) sowie die malawischen Partner, die Lilongwe University of Agriculture & Natural Resources, malawische NGOs und die lokalen Netzwerke.

Installation einer mit Solarenergie betriebenen Fischlarvenaufzuchtanlage

Auf dem Gelände der Fischfarm des Bunda College (Lilongwe University of Agriculture) wurde eine „Hatchery“ aufgebaut, um die Versorgung mit Chambo-Satzfischen zu optimieren.

Unterstützung des Hatcherybetriebs mit Solarenergie

Die Larvenaufzuchtanlage wurde mit einer Solarstromanlage (1,7 kW) ausgestattet, um Wasser- und Belüftungspumpen, Heizer und Beleuchtung dauerhaft betreiben zu können. Als Backup dient das – allerdings sehr unzuverlässige – öffentliche Stromnetz sowie ein mit Diesel betriebener Stromgenerator.

Empirische Erhebung

Zum Projektstart wurden in einer schriftlichen Befragung als Interventionsgruppe 98/88 Haushalte in Mchinji/Nkhotakota sowie als Kontrollgruppe 101/99 Haushalte in Mchinji /Nkhotakota untersucht. Projektassistenten der Lilongwe-Universität füllten mit den Dorfbewohnern die Fragebögen aus. Die meisten Befragten waren weiblich (69 %), das Durchschnittsalter betrug 19 Jahre. Mehrheitlich findet die Bewirtschaftung von Teichen und Feldern in „Clubs“ statt, auf gemeinsam geführtem Landbesitz.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Lage nicht rosig ist. Die Versorgungsunsicherheit mit Lebensmitteln ist in beiden Distrikten sehr hoch. Dementsprechend sind zwischen 30 (Nkhotakota) und 34 Prozent (Mchinji) der Kinder unterentwickelt. In Nkhotakota ist zudem eine erhöhte Krankheitsrate und eine geringe Lebensmitteldiversifizierung festzustellen.

Zuchtauswahl und Erzeugung von „all male“-Setzlingen

In der Tilapia-Aquakultur sind die besten Ergebnisse erzielbar, wenn ausschließlich Männchen in die Teiche eingesetzt werden. Die Weichen für eine „all male“-Population von Setzlingen stellt man bereits im Larvenstadium über androgenhaltiges Futter (meist Methyltestosteron). Es führt dazu, dass sich das Geschlecht weiblicher Fische umkehrt („sex reversal“). Um in Zukunft auf Hormone verzichten zu können, finden unter anderem Zuchtversuche statt, die reinerbige YY-Supermännchen zum Ziel haben, die nur noch männliche Nachkommen erzeugen.

Schulungen zur integrierten Agrarkultur-Aquakultur

Die Verknüpfung von Fisch- und Gemüsezucht fand bereits in Programmen der 1990er-Jahre statt. Die Ergebnisse dieser Projekte zeigen, dass sich die Produktivität der Farmen um zehn Prozent, das Einkommen der Farmmitglieder um 60 Prozent und der Fischkonsum der lokalen Bevölkerung durch integrierte Agrar- und Aquakultur um rund 200 Prozent steigern lassen. Typische Anwendungsbereiche in Malawi sind Polykulturen von Geflügel- und Fischzucht, die Nutzung von Ziegen- und Rindermist zur Düngung der Teiche und die Gemüsezucht auf den Teichdämmen. Das nährstoffreiche Wasser der Teiche dient zur effizienten Bewässerung der Gemüsepflanzen. Nicht verwertbare Pflanzenreste dienen umgekehrt als Fischfutter in den Teichen.

Evaluation sozioökonomischer und gesundheitlicher Parameter

Die sozioökonomische Komponente des „Ich liebe Fisch“-Projekts untersucht mithilfe einer empirischen Erhebung den Gesundheitszustand, die Ernährungsgewohnheiten sowie den wirtschaftlichen Status von Familien im ländlichen Raum vor und nach der Durchführung der Projektmaßnahmen, um den Erfolg des Projekts zu kontrollieren.

Trainingskurse zur Vermittlung von Expertenwissen

Um die Projektziele zu verankern und über das Projektende hinaus deren Umsetzung sicherzustellen, finden für die lokale Bevölkerung Trainingskurse zu den Themen integrierte Agrar- und Aquakultur und Aquaponic, Fischbesatz und Futterherstellung, Aufzucht von Satzfischen, Teichbetrieb, Monitoring, Fischernte, Fischverarbeitung, Hygiene in der Lebensmittelverarbeitung, Produktentwicklung, Vermarktungsstrategien und Ernährungsberatung statt. Im Projekt hergestellte Unterrichtsmaterialien wie einfache gestaltete Broschüren (in Englisch und der Landessprache Chichewa), Merkblätter, Bild- und Tonmaterialien sowie Webressourcen unterstützen den Wissenstransfer.

Aquaponic-Systeme

Aquaponic-Systeme dienen der Fischzucht und der Kultivierung von Nutzpflanzen in einem geschlossenen Wasser- und Nährstoffkreislauf. Das System funktioniert, indem die Exkremente aus der Fischzucht als Nährstoffe für Pflanzen verwendet werden. Der für die Pflanzenaufzucht nötige Nährstoffeintrag erfolgt über das Fischfutter.

Spezielles Ziel des „Ich liebe Fisch“-Projekts ist es, einfache Aquaponic-Anlagen mit lokal verfügbaren Materialien zu entwickeln, die sich leicht nachbauen lassen („Barrel Aquaponics“). So kann auch in der Trockenzeit frisches Gemüse und Fisch produziert werden. Der Wasserbedarf  zur Gemüsezucht beträgt nur zehn Prozent des Bedarfs in der Feldwirtschaft, den Strom für die kleinen Pumpen können Solarstromanlagen liefern.

Aufbau eines Netzwerks und einer Wissensplattform

Um den Austausch zwischen den am Projekt teilnehmenden Farmern aus den verschiedenen Regionen zu unterstützen, werden Trainingskurse zum Beispiel so organisiert, dass Farmer aus verschiedenen Gemeinden gleichzeitig teilnehmen können. Außerdem steht die Einrichtung neuer und die Reaktivierung bereits bestehender „Care Groups“ im Fokus. Besonders kenntnisreiche Gemeindemitglieder stehen als Wissensmultiplikatoren einer Care Group vor. Sie werden vom Projekt unterstützt.

Zwischenbilanz zur Erreichung der Projektziele

Das „Ich liebe Fisch“-Projekt hat aktuell etwa zwei Drittel seiner geplanten Laufzeit hinter sich. Vieles wurde wie geplant erreicht, einige Projektarbeiten stehen kurz vor dem Abschluss, einige Projektziele verschieben sich, wie es häufig bei Projekten in Entwicklungsländern der Fall ist. Die Intention des Gesamtprojekts insgesamt wird erreicht werden: Die malawischen Partner wollen mit großem eigenem Interesse das Projekt zum Erfolg führen.

Fischlarvenaufzuchtanlage

Eine spezialisierte Larvenaufzuchtanlage wurde auf der Basis bewährter Technik für die Verhältnisse in Malawi und die aufzuziehende Art angepasst und im Frühjahr 2018 auf dem Farmgelände des Bunda College zusammen mit einer Solarstromversorgung aufgebaut. Die Anlage wurde Ende April 2018 fertiggestellt. Mit Beginn der Brutsaison startete im November 2018 die Erprobungsphase.

„all male“-Setzlinge

Die Versuche sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Die bisher erzielten Ergebnisse werden zurzeit ausgewertet und unter anderem auch zum Aufbau eines besonders effizienten Brutfischbestandes für die Larvenaufzucht berücksichtigt.

Trainingskurse

Vom Jahresbeginn 2017 bis heute fanden insgesamt zehn sehr gut besuchte Trainingskurse statt. Alle Teilnehmer lernten, wie sie ihre Teiche mit traditionellen Werkzeugen (Slasher) für den Besatz vorbereiten und die Fingerlinge mit höherwertigem Fischfutter (35 % Proteinanteil) füttern konnten. Parallel zu Satzfischen und Futter wurden Samen für Kürbis, Raps, Chinakohl und Amaranth verteilt, die auf den Deichen oder in der Nähe der Teiche gepflanzt und mit Teichwasser gegossen werden sollten.

Die Integration von Fisch- und Gemüseproduktion war vor allem in den Gebieten erfolgreich, in denen schon vorher Gemüse angebaut worden war. Probleme mit Schädlingen ließen sich nur schwer selbstständig durch geeignete Pflanzenschutzmittel lösen. In die kommenden Schulungen soll daher ein Spezialist für Pflanzenzucht einbezogen werden.

Nach dem Abfischen der Teiche wurden etwa 80 Frauen zu vollwertiger Ernährung, Zubereitung von neuen Produkten aus Fisch, Mais und Cassava geschult. Die neuen Produkte fanden großen Anklang und können zukünftig gewinnbringend auf dem Markt verkauft werden. Der Erlös soll dem Kauf von Fischbesatz und Pflanzensamen dienen.

Aquaponic

Um zu demonstrieren, dass einfache Aquaponic-Anlagen unter den lokalen Bedingungen funktionieren, wurde eine einfache „Barrel Ponics“-Anlage aus Holz, gebrauchten Kunststofffässern und einfachem Rohrmaterial aufgebaut. Für die Pumpe wurde eine Mini-Solarstromanlage beschafft, die Belüftung des Fischtanks erfolgt nach dem Venturi-Prinzip, so dass keine zusätzliche Belüftungspumpe erforderlich ist. Die ersten Versuche mit diesem System sind ermutigend.

Aufbau von Netzwerken

Die meisten Fischfarmer in Malawi leiden unter einer geringen Produktivität bei der Fischerzeugung. Ursache ist oft auch fehlendes Wissen hinsichtlich einer optimalen Teichbewirtschaftung. Das Projekt hat daher mit dem Partner IFFNT eine Technologieplattform installiert, um den Austausch von praktischem Wissen zu unterstützen. Zudem wurden Fokusgruppen gebildet mit dem Ziel, regelmäßige (zweiwöchige) Treffen in den beteiligten Kommunen zu fördern. Ziel ist der Erfahrungsaustausch in allen Bereichen der Fischproduktion, Produktherstellung und Vermarktung. Diese Möglichkeit zum persönlichen Austausch bewerten die Farmer als sehr nützlich. Sie ist, besonders über das Projektende hinaus, ein wichtiger Teil der Nachhaltigkeit des „Ich liebe Fisch“-Projekts.

Examensarbeiten

In Anlehnung an die Projektthemen werden zurzeit vier Masterarbeiten sowie eine Promotionsarbeit angefertigt. Die Ergebnisse fließen in die Projektmaßnahmen ein.

Zusammenfassung und Ausblick

Die langfristigen Erfolgsaussichten des „Ich liebe Fisch“-Projekts sind als sehr gut einzuschätzen. Neben zu wenig Setzlingen, zu geringem Wissensstand in wesentlichen Bereichen und häufigen Stromausfällenzeigte sich aber auch, dass die mangelnde Futterqualität für heranwachsende und adulte Fische ein bisher von den Farmern nicht ausreichend wahrgenommenes Problem darstellt: industrielles Pelletfutter mit Fischmehlanteil ist zu teuer, Abfälle aus der Maisverwertung sind nicht nahrhaft genug. Die lokale Produktion von Fliegenlarven könnte für die kleinen Aquakulturkommunen eine nachhaltige, bezahlbare und umweltschonende Lösung zur Herstellung vollwertigen Fischfutters sein. Das Projekt sollte um diese Maßnahme erweitert werden.

Der Autor:

Bernd Ueberschär arbeitet als Senior-Wissenschaftler bei der Gesellschaft für marine Aquakultur (mbH) in Büsum und ist dort Teamleiter für Fischlarvenforschung.

Kontakt

Dr. Bernd Ueberschär
Gesellschaft für marine Aquakultur mbh (GMA)
Hafentörn 3, 25761 Büsum

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