Für den Verzicht auf Lebensmittel tierischen Ursprungs sprechen sehr unterschiedliche Gründe, insbesondere ethische und ökologische Gesichtspunkte wie Tier-, Umwelt- und Klimaschutz, aber auch wissenschaftliche Empfehlungen hinsichtlich einer gesundheitsförderlicheren Ernährung. Aufgrund der steigenden Nachfrage ist das Marktsegment der rein pflanzlichen Lebensmittelalternativen und damit auch der Bedarf an alternativen Proteinquellen in den letzten Jahren stark gewachsen.
In Deutschland setzen gemäß DLG-Trendmonitor „Lebensmitteltechnologie“ bereits 50 von 100 befragten Unternehmen aus dem D-ACH-Raum alternative Proteinquellen ein. Bis Mitte 2023 planen weitere acht Unternehmen, solche zu nutzen. Weizen und Soja führen hier mit 24 Prozent das Feld an, dicht gefolgt von Erbsen mit 21 Prozent. In den kommenden drei Jahren ist laut Trendmonitor bei Erbsen mit einer Einsatzsteigerung, bei Weizen und Soja mit einem leichten Einsatzrückgang zu rechnen. Gründe dafür könnten das allergene Potenzial von Soja und Weizen, die Glutenunverträglichkeit einiger Menschen sowie ein Imagevorteil heimischer proteinreicher Pflanzen sein. Darüber hinaus gaben die befragten Unternehmen an, bereits Roggen, Hafer, Ackerbohnen, Flohsamen und Bohnen als alternative Proteinquellen zu nutzen. Daneben ist der zukünftige Einsatz von Linsen, Kräutern, Wasserlinsen, Mandeln, Kichererbsen und Mungbohnen geplant.
Die Einsatzmöglichkeiten dieser alternativen Proteine sind vielfältig, ihr Einsatz fokussiert jedoch momentan auf zwei Produktgruppen. Neben den veganen und vegetarischen Alternativen für Milch und Milcherzeugnisse sind es vor allem Alternativen für Fleisch- und Wurstwaren, die sowohl in Deutschland als auch global die höchsten Absatzzahlen aufweisen. So erzielten in Deutschland im Jahr 2021 die pflanzenproteinbasierten Alternativprodukte für Milch und Milcherzeugnisse einen Absatz von über 286 Millionen Kilogramm oder Liter pro Jahr. Bei alternativen Fleisch- und Wurstwaren ließ sich im gleichen Zeitraum ein Absatz von rund 13 Millionen Kilogramm oder Liter pro Jahr verzeichnen.
Bewertung
Während eine pflanzenbasierte Ernährung, die meist durch eine höhere Aufnahme verschiedener Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und sekundärer Pflanzenstoffe sowie mit einer geringeren Aufnahme von gesättigten Fettsäuren und Cholesterol verbunden ist, Vorteile für die Gesundheit mit sich bringt, kann die Nährwertqualität von Pflanzenproteinen im Vergleich zu tierischen Proteinen in mancher Hinsicht unterlegen sein. Häufig lassen sich nur durch die Kombination zweier oder mehr Proteinquellen ausreichende Mengen an allen essenziellen Aminosäuren bereitstellen. Die Erzeugung veganer und vegetarischer Lebensmittel gestaltet sich damit aus lebensmitteltechnologischer und ernährungsphysiologischer Sicht als komplexes Zusammenspiel von Hauptinhaltsstoffen, Zusatz- oder funktionalen Hilfsstoffen und Prozessparametern.
Pflanzenproteine können sich je nach Herkunft, Sorte, Anbaubedingungen, Vorverarbeitung und Reinheit in Bezug auf Funktionalität, Zusammensetzung und Nährwert unterscheiden. Daher werden abhängig von Produkt und gewünschter Funktionalität häufig Proteine aus verschiedenen Pflanzenarten verwendet. Während alle Nahrungsproteine für das menschliche Immunsystem fremde Stoffe sind, verursachen typischerweise nur wenige Proteine pflanzlichen und tierischen Ursprungs eine IgE-vermittelte Immunantwort, meist bei einer kleinen Anzahl von Menschen. Aktuell liegen unzureichende Daten zum allergenen Potenzial zahlreicher neuartiger Pflanzenproteine vor. Bezogen auf pflanzenbasierte Alternativprodukte könnte jedoch gerade die Kombination verschiedener Proteinquellen unter Umständen eine Steigerung des allergenen Potenzials der Enderzeugnisse zur Folge haben. Hinzu kommt, dass durch den vermehrten Einsatz potenziell allergener Proteine das Risiko steigt, dass auch bislang gesunde Personen Allergien entwickeln.
Bei einer holistischen Betrachtung des Themas ist darüber hinaus zu bedenken, dass es sich auch bei pflanzlichen Ersatzprodukten für Milch, Milcherzeugnisse und Fleischerzeugnisse um hochverarbeitete Lebensmittel mit einem nicht immer günstigen Nährwertprofil handelt. So konnten Pontke und Pawelzik (2022) zeigen, dass pflanzliche Fleischalternativen zwar im Allgemeinen einen geringeren Energiegehalt sowie geringere Gehalte an Fett und gesättigten Fettsäuren aufwiesen als das entsprechende tierische Produkt, gleichzeitig jedoch mehr Kohlenhydrate und Zucker enthielten. Auch der Salzgehalt pflanzlicher Alternativprodukte war in sechs von acht Lebensmittelgruppen signifikant höher als bei Produkten tierischen Ursprungs. Dagegen lagen Proteingehalt und biologische Wertigkeit der Proteine bei den untersuchten veganen Käsealternativen durchweg niedriger als bei Käse aus Kuhmilch. Der errechnete Nutri-Score fiel für pflanzliche Fleischalternativen generell niedriger und für pflanzliche Käsealternativen generell höher aus als für die entsprechenden tierischen Produkte.
Fazit
Der Trend zu pflanzlichen Alternativprodukten wird weiter zunehmen. Der wachsende Konsum dieser Produkte erfordert aufgrund des oft hohen Verarbeitungsgrads, des diversen Nährstoffspektrums und der oftmals hohen Salzgehalte eine sehr differenzierte ernährungsphysiologische Betrachtung, selbst wenn Ersatzprodukte teils einen besseren Nutri-Score aufweisen als das entsprechende tierische Erzeugnis. Auch hinsichtlich ihrer Wirkung auf Umwelt und Klima tut ein differenzierter Blick not.
Der Artikel ist erschienen in der Ernährung im Fokus Frühlingsausgabe 01 2023.