Das Interesse an individuell an die Bedürfnisse von Personen angepassten, personalisierten Ernährungsempfehlungen ist groß, aber die Evidenzlage eher ernüchternd. Die überwiegend kommerziell angebotenen Analysen befassen sich etwa mit der Identifizierung des individuellen Genoms oder Mikrobioms sowie der Körpermaße und Blutmarker, führen jedoch meist nicht zu statistisch gesicherten Verbesserungen von Ernährungsverhalten, Lebensstil oder bestimmter Gesundheitsindikatoren. Die Konzepte stehen zudem vor allem sozial privilegierteren Bevölkerungsgruppen zur Verfügung.
Nun hat die DGE-Arbeitsgruppe ein umfassendes Modell vorgelegt: Adaptive personalisierte Ernährungsberatungssysteme (adaptive personalized nutrition advice systems, APNASs). Das neue Modell ergänzt die bisher stark biomedizinisch und gesundheitlich ausgerichteten Ziele durch Aspekte der Nachhaltigkeit, individuelle Gewohnheiten und soziale sowie finanzielle Gesichtspunkte.
„Bei der Zukunftsvision des APNAS steht der Mensch im Mittelpunkt. Art und Zeitpunkt personalisierter Empfehlungen passen sich an die individuellen Bedürfnisse, Ziele und Möglichkeiten in tatsächlichen Ernährungsumgebungen an“, sagt die Psychologin und DGE-Vizepräsidentin Prof. Dr. Britta Renner von der Universität Konstanz. Individuelle Ziele wie eine nachhaltige Lebensmittelauswahl werden in einem gleichberechtigten Dialog bestimmt.
„Eine entscheidende Neuerung unseres Modells ist, dass es das individuelle Ernährungsverhalten im Alltag stärker berücksichtigt, um darauf aufbauend personalisierte Ansätze zur Verhaltensänderung zu realisieren. Entscheidend sind dabei der Zeitpunkt und die Art der Empfehlung. Mittels sogenannter Just-in-time Adaptive Interventions (JITAIs) lässt sich die Verhaltensänderung individuell maßschneidern, indem JITAIs beispielsweise genau dann Ratschläge geben, wenn sich für die Person eine Gelegenheit bietet, positives Verhalten umzusetzen - oder sie Gefahr läuft, sich ungünstig zu verhalten“, sagt Renner. Digitale Hilfsmittel wie Selbstmonitoring-Tools sowie Apps für den Einkauf und die Rezeptsuche sollen dabei unterstützen. Mit diesem umfassenden Ansatz soll es in Zukunft besser gelingen, alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen und Verhaltensänderungen herbeizuführen.
Die AG „Personalisierte Ernährung“
Die Mitglieder der AG „Personalisierte Ernährung“ veröffentlichen regelmäßig Artikel zum Stand der Wissenschaft. Bisher sind zwei Beiträge zu den Bereichen Genetik und Mikrobiom erschienen. Mit der dritten Publikation zur personalisierten Ernährung setzt die DGE Aspekte aus ihrem Positionspapier „Perspektiven für die Ernährungsforschung 2022“ um. Die Themenfelder „Neue Technologien und Data Science in der Ernährungswissenschaft“, die „Weiterentwicklung von Ernährungsempfehlungen“ sowie „Neue Ansätze der Ernährungsverhaltensforschung“ und ihre kontinuierliche Überprüfung sind drei von sieben drängenden Themenfeldern für eine zukunftsorientierte und interdisziplinäre Ernährungsforschung. Ziel ist deren Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Für den 15. DGE-Ernährungsbericht wird ein Kapitel erarbeitet, das alle von der AG veröffentlichten Artikel bündelt und so die Erkenntnisse der AG zusammenfasst.
Quelle: DGE