Mehr Gemüse oder weniger Zucker?! Mehr oder weniger Lenkung durch den Staat?! Mehr oder weniger Eigenverantwortung für den Einzelnen?! Während Fachleute diskutieren, wie Menschen zu einer ausgewogeneren Ernährung finden können, steigt die Zahl der ernährungsmitbedingten Erkrankungen nahezu ungebremst. Weil es viele Menschen eben nicht schaffen, Süßigkeiten nur manchmal zu essen und beim Gemüse doppelt zuzugreifen. Weil sie ständig und überall für kleines Geld wohlschmeckende, aber oftmals hochkalorische, fettreiche Speisen und zuckerhaltige Getränke kaufen können. Weil sie mehr Salz verwenden und weniger Vollkornprodukte essen als empfohlen.
Obwohl die meisten Menschen wissen, was einen gesünderen Lebensstil ausmacht, gelingt es vielen nicht, ihr Wissen in Handeln umzusetzen. Dr. Hanns-Christoph Eiden, Präsident der BLE, appellierte an alle Ernährungsfachleute: „Uns eint das Ziel, den Menschen einen Ernährungs- und Lebensstil nahe zu bringen, mit dem sie gesund bleiben und gesund alt werden können. Das bedeutet in sehr vielen Fällen: Veränderung. Die Dinge werden nicht besser, wenn alles so weitergeht wie bisher.“
Das schaffen wir nur gemeinsam!
Nur gemeinsam und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln können wir das Ruder umlegen. Darin waren sich alle Referent*innen des 3. BZfE-Forum einig. Vor rund 500 Teilnehmenden riefen sie dazu auf, nicht nach einem Allheilmittel zu suchen, sondern alle Maßnahmen des Instrumenten-Mix weiter zu erforschen und nach Möglichkeit auch anzuwenden: Reformulierung von Lebensmitteln, Nudging, Betriebliche Gesundheitsförderung und natürlich weiterhin eine zielgruppengerechte Verbraucherbildung und -information.
Nudging als konzertierte Aktion
Als vielversprechenden Ansatz präsentierte Dr. Kai Purnhagen von der Universität Wageningen das Nudging. Das ist eine einfache und preiswerte Möglichkeit, Menschen ohne Zwang zu einem gewünschten Verhalten „anzustupsen“. Was hierbei gemeinsam und mit allen Mitteln bedeutet, erläuterte Purnhagen mit einem Beispiel aus den Niederlanden: Beim Nationalen Aktionsplan Gemüse und Früchte arbeiten Ministerien, Industrie, Wissenschaft und Medien zusammen und machen mit kreativen Kampagnen Verbrauchern diese Lebensmittel schmackhaft: Beim Hausarzt, in Schulen, im Supermarkt, auf Events und zur besten Sendezeit im Fernsehen.
„Hier haben es unsere Nachbarn ganz offensichtlich geschafft, ihre verschiedenen, durchaus legitimen Interessen für ein vorher definiertes und verbindliches Ziel unter einen Hut zu bringen“, sagte Dr. Margareta Büning-Fesel, Leiterin des Bundeszentrum für Ernährung.
Betriebliche Gesundheitsförderung - da geht noch mehr
Große Hoffnungen setzen Wissenschaft und Praxis auf das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) und die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF). "In den Unternehmen erreichen wir nicht nur Menschen, die sich sowieso schon für ihre Gesundheit interessieren, sondern auch diejenigen, die sich nur wenig Gedanken darüber machen", betonte Professorin Annegret Flothow von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. "Schon heute haben BGF-Maßnahmen in Deutschland extrem zugenommen, aber da geht noch mehr."
Reformulierung und Nährwertkennzeichnung
Sowohl im Vortragsteil als auch in der Sonderausstellung konnten sich die Teilnehmenden ein Bild davon machen, was schon heute in Sachen Reformulierung möglich ist: Matjes und Fleischwurst mit weniger Salz, Kekse und Berliner mit weniger Fett und neuartige, kalorienarme Zucker für Süßwaren und gesüßte Getränke. Diese Ergebnisse stammen aus Forschungsprojekten, die durch die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten angeschoben wurden.
Die Geschichte dahinter zeigt, was gemeinsam bedeutet: „Uns ist wichtig, dass wir einen breiten Konsens haben. Die Strategie wurde deshalb gemeinsam mit Ärzten, Verbraucherschützern, Ernährungswissenschaftlern, dem Handel und Lebensmittelherstellern entwickelt“, betonte Hans-Joachim Fuchtel, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft in seiner Begrüßungsrede.
Das gilt genauso für die erweiterte Nährwertkennzeichnung auf Lebensmitteln, die Verbrauchern die Auswahl gesundheitsförderlicher Lebensmittel erleichtern soll. Zurzeit werden vier verschiedene Modelle in einer Verbraucherforschung bewertet. Hans-Joachim Fuchtel stellte die Ergebnisse für Ende September in Aussicht.
Die Menschen in ihrem Alltag unterstützen
Am Ende des Tages brachte es Dr. Margareta Büning-Fesel so auf den Punkt: „Ob BGF, Nudging, Reformulierung oder Verbraucheraufklärung und -beratung - bei allem, was wir tun, geht es nicht darum nur die Nährstoffe in den Blick zu nehmen, sondern die Verhaltensweisen. Wie und womit erreichen wir die Menschen in ihrem Alltag? Welche Hilfestellung benötigen sie in Mensa oder Kantine, beim Lebensmitteleinkauf oder der Essenszubereitung zuhause? Und wie können wir neue Medien und digitale Tools so in unsere Arbeit integrieren, dass wir deren Chancen für unsere Ziele nutzen?“
Save the date: 2. bis 3. September 2020
Diese Fragen werden auch bei den 4. Bonner Ernärungstagen und dem 4. BZfE-Forum eine zentrale Rolle spielen, die für den 2. und 3. September 2020 geplant sind. Dann, wenn es nicht nur um einen gesunden Lebensstil für jeden Einzelnen geht, sondern um den Speiseplan der Zukunft, der zugleich nachhaltig sein und unser Klima schützen soll.
Unter #berta19 finden Sie wichtige Kernaussagen des 3. BZfE-Forum in Wort und Bild.
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Sonderausstellung Forschung
Die Bonner Ernährungstage 2019 wurden um ein neues Highlight ergänzt: In einer Sonderausstellung hatten die Besucher die Gelegenheit, sich ein Bild über Forschungsvorhaben zu machen, die vom BMEL gefördert werden. Die Vorhaben wurden anschaulich aufbereitet, praxisnah präsentiert, (be)greifbar und teilweise sogar verkostbar gemacht! Passend zu den Themen der Ernährungstage spannte sich das Spektrum von einer ausreichenden Nährstoffversorgung über die Reformulierung von Lebensmitteln zur Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in der Ernährung bis hin zur Änderung des Ernährungsverhaltens.
Die BLE agiert als Projektträger (ptble) und betreut im Auftrag des BMEL zahlreiche nationale, europäische und internationale Projekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Qualifiziertes Fachpersonal begleitet die Forschungsvorhaben während der gesamten Laufzeit.