Im Gespräch mit Eva Zovko
Eva Zovko ist Diplom-Oecotrophologin und war von 2005 bis 2016 beim aid infodienst für die Themenfindung, inhaltliche Konzeption und Organisation der aid-Foren verantwortlich. Der aid infodienst wurde Ende 2016 aufgelöst und führt seine Arbeit seit dem 1. Feburar 2017 unter dem Dach der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) als Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) weiter.
Heute leitet Eva Zovko das Referat "Ernährung, Lebensmittel und nachhaltiger Konsum" im BZfE.
Der aid betrieb schon seit den 1950er Jahren Ernährungskommunikation. Seit 2017 wird diese Arbeit als Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) weitergeführt. Welchen Prinzipien folgt der BZfE dabei?
Zovko: Wir wollen nicht nur Wissen vermitteln, sondern praxisrelevante Handlungskompetenzen. Es geht um den individuellen Ess-Alltag der Menschen. Unsere Hauptaktivität ist die zielgruppengerechte Vermittlung von Informationen aus Forschung und Praxis. Dazu bieten wir alltagstaugliche und leicht verständliche Medien an, die sich an wissenschaftlichen Fakten orientieren: Basiswissen für Verbraucher, Hintergrundinformationen für Lehrer und Multiplikatoren, Pressemitteilungen für Journalisten und attraktive Unterrichtsmaterialien für alle Schulformen.
Bei der Entwicklung unserer Medien folgen wir den Prinzipien:
- Motivieren statt Belehren
- Reflektieren statt Bekehren
- Mitmachen statt Erklären
- Erleben statt Zuschauen
Ernährungskommunikation ist Ihr fachlicher Schwerpunkt. Was macht das Thema für Sie so spannend?
Zovko: Spannend ist für mich herauszufinden, wie wir am besten mit der jeweiligen Zielgruppe kommunizieren, um sie mit unserem Thema „Essen und Trinken“ zu erreichen und auch etwas zu bewirken. Eine rein wissensbasierte Kommunikation reicht hierfür nicht aus. Erfolgreiche Ernährungskommunikation ist professionell statt „gut gemeint“ aber schlecht umgesetzt. Obwohl wir das mittlerweile wissen, gibt es viele Beispiele, die immer noch in diese Kategorie gehören: Eine genussfeindliche, freudlose und belehrende Kommunikation über „gesunde Ernährung“. Oft werden mit erhobenem Zeigefinger Ratschläge zu bestimmten Lebensmitteln oder einzelnen Nährstoffen erteilt. Und nicht selten schreibt man den Leuten vor, was sie zu tun oder zu lassen haben.
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Beim 18. aid-Forum haben wir uns mit der Kommunikation von Ernährungsempfehlungen und der resultierenden Wirkung beschäftigt. Das Ganze haben wir in den provokanten Titel „Ernährungsempfehlungen: Fette Ratschläge, magere Relevanz?“ verpackt, um Aufmerksamkeit zu erzielen und deutlich zu machen, dass wir unsere Botschaften hinterfragen möchten.
Das fängt mit der Sprache an, zum Beispiel Wörtern wie „sollen", "müssen" oder "dürfen“. Da ist Reaktanz schon vorprogrammiert und lässt sich durch eine andere Wortwahl bereits viel erreichen. Moderne Ernährungskommunikation unterstützt Menschen in ihrem Alltag. Ich finde es wichtig, die eigene Kompetenz in Sachen Ernährung zu stärken. Wir können die Menschen dabei begleiten, ihren individuellen Weg zu Genuss und Wohlbefinden zu finden und Freude am Essen als „Gesamtkunstwerk“ zu entwickeln.
Mir liegt außerdem am Herzen, dass wir Multiplikatoren im Ernährungsbereich uns stets selbst reflektieren. Unser Expertenbild deckt sich nicht unbedingt mit den Vorstellungen und Bedürfnissen, die unsere Zielgruppen haben. Dazu dient zum Beispiel das aid-Forum, auf dem ich seit über zehn Jahren das Thema Ernährungskommunikation kritisch beleuchte und den Blick über den Tellerrand in andere Fachgebiete ermögliche. Als Ergebnis wünsche ich mir, dass wir alle besser werden, in dem was wir tun.
Wo liegt für Sie persönlich die Herausforderung einer erfolgreichen Ernährungskommunikation?
Zovko: Die Herausforderung liegt darin, vom „Wissen zum Handeln“ zu kommen, sprich mit unseren Botschaften Kopf und Herz zu erreichen und so etwas in den Menschen auszulösen. Sie liegt auch darin, die Daten, Fakten und Zahlen, die uns die Wissenschaft vorlegt, so zu interpretieren und so aufbereitet an unsere Zielgruppen weiterzugeben, dass sie alltagstauglich, praxisnah, nachvollziehbar und glaubwürdig sind.
Wobei immer klar sein muss, dass die Wirkung von Kommunikation begrenzt ist und sie nur ein Baustein sein kann, um eine Änderung des Ernährungsverhaltens zu erzielen. Wichtig ist in der ganzen Diskussion, die Komplexität des menschlichen Verhaltens nicht außer Acht zu lassen und immer auch den Einfluss des Umfeldes mit zu berücksichtigen. Kulturelle, soziale, emotionale, persönliche und praktische Faktoren spielen eine Rolle, wenn es um das Essverhalten geht. Deshalb finde ich den „Blick über den Tellerrand“ und die interdisziplinäre Zusammenarbeit so wertvoll.
Auf einem ganz anderen Blatt stehen die moralisierenden und schon fast hysterischen Debatten rund ums Essen, die derzeit geführt werden. Wie dem missionarischen Eifer und den Glaubensdiskussionen am besten zu begegnen ist, ist durchaus auch eine sehr spannende Frage in der Ernährungskommunikation. Es gibt keine „beste Art“ sich zu ernähren und sicherlich auch keine allgemeingültigen Ernährungsregeln für jedermann. Dazu sind die Menschen zu individuell in ihrer Konstitution und in ihren Lebensumständen. Aufgabe und Herausforderung der Kommunikation ist es, Menschen dialogisch dabei zu begleiten, die für sich beste Wahl zu treffen.