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Kinder und Jugendliche verbringen einen Großteil ihrer Zeit in der Schule. Dort bieten sich viele Gelegenheiten, ganz gezielt und nebenbei über Ernährung ins Gespräch zu kommen. 

Lehrer und Schüler schauen auf ein Smartphone
AdobeStock/contrastwerkstatt

Die deutsche Schulpflicht sorgt dafür, dass wir in der Schule ausnahmslos alle Kinder und Jugendlichen erreichen. Und das über einen Zeitraum von rund zehn Jahren. Zehn Jahre mit viel Potenzial für die Ernährungsbildung. Das wird bisher in der Grundschule am besten ausgenutzt. Dort geht es im Sachunterricht um ein gesundes Schulfrühstück oder den Weg von der Kuh zur Milch. Realschüler bekommen im Themenfeld Hauswirtschaft eine Idee davon, wie sie einen Haushalt organisieren oder vollwertig kochen. Gymnasiasten und Gesamtschüler lernen im Idealfall in Biologie, wie die Verdauung funktioniert oder in Erdkunde, was eine nachhaltige Lebensmittelproduktion ausmacht. In NRW gibt es in der Oberstufe an einigen Schulen das Wahlpflichtfach Ernährungslehre.

Ernährungsexpertinnen und -experten reicht das nicht. Mit Blick auf die hohe Zahl übergewichtiger Kinder und Jugendlicher fordern sie bundesweit ein Schulfach „Ernährungs- und Verbraucherbildung“. Kritiker halten dagegen, dass Schule nicht für alle Bereiche des Lebens zuständig sein kann. Vor allem Eltern seien in der Pflicht.

Dr. Margareta Büning-Fesel, Präsidentin der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung

"Ich halte wenig von einem neuen Schulfach „Ernährungs- und Verbraucherbildung“, zumal es dafür kein extra Personal gibt. Stattdessen brauchen wir eine Stärkung von Ernährungsinhalten in Ankerfächern wie Arbeitslehre, Hauswirtschaft, Wirtschaft und Sozialwissenschaften. Gleichzeitig bieten Fächer wie Biologie, Erdkunde oder Politik Möglichkeiten, relevante Inhalte aufzugreifen. Das funktioniert auch mit den vorhandenen Lehrkräften.

Manche Bundesländer entwickeln bereits Leitperspektiven zu „Prävention und Gesundheitsförderung“ oder „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Auch Grundschulen binden Ernährungsthemen schon sehr gut in den Sachunterricht ein. Dabei geht es immer darum, einen unbefangenen und kompetenten Umgang mit Lebensmitteln zu vermitteln, der Genuss und Gesundheit im Blick hat. Mindestens so wichtig wie die Vermittlung von Ernährungswissen ist die Erziehung zur Ernährungskompetenz als Grundlage für souveräne Essentscheidungen. Beides findet idealerweise nicht nur im Klassenzimmer, sondern im gesamten Setting Schule und zusammen mit der ganzen Schulgemeinschaft statt."

70 Prozent der Ernährungsbildung erfolgt informell

Die formale Bildung zur Ernährung in der Schule macht nur 30 Prozent aus. Der Löwenanteil von 70 Prozent erfolgt informell, also ohne Lehrplan und außerhalb des Unterrichts. Auch dabei ist das Setting Schule enorm wichtig. Hier findet jeden Tag mehrmals gemeinsames Essen und Trinken auf dem Schulweg, in der Mensa, am Schulkiosk oder auf dem Pausenhof statt. Hier vergleichen Grundschülerinnen und -schüler die Inhalte ihrer Frühstücksdosen. Ältere Schülerinnen und -schüler suchen nach Alternativen zum Mensaessen. Pubertierende Jugendliche tauschen ihre ersten Diäterfahrungen aus oder die Tipps ihrer Stars auf YouTube.

Dieser informelle Bereich ist eine große Spielwiese, auf der Schulen jenseits von Lehrplänen eine eigene schulische Esskultur entwickeln können. So können Schülerinnen und -schüler im Mensa-Rat über das Angebot und Aktionen der Schulkantine mitbestimmen. In Projektwochen oder Arbeitsgemeinschaften lassen sich Ideen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung planen. Vielleicht finden sich auch engagierte Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen zur Anlage und Pflege eines Schulgartens.

Praktische Übungen und Sinneserfahrungen

Ob im Unterricht oder in den Pausen: Mindestens so wichtig wie die Inhalte ist eine wertschätzende Ernährungskommunikation. Sie kommt ohne Gebote und Verbote aus, die oft das Gegenteil im Sinne von „jetzt erst recht“ bewirken. Auch eine schwarz-weiß-Einteilung in „Chips = ungesund“ und „Gemüse = gesund“ ist wenig hilfreich.

Stattdessen geht es darum, alle Sinne anzusprechen und die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen zu berücksichtigen. Dabei steht die Praxis im Vordergrund. Denn theoretisches Wissen über den Weg der Nahrung durch den Körper führt selten zu einer Verhaltensänderung. Dazu braucht es konkrete Erfahrungen. Die ergeben sich beim Essen und Trinken über Aussehen, Geruch und Geschmack – am besten in diesem Dreiklang.

Spielerische Ansätze nutzen alle diese Sinne und wecken die Lust auf bisher unbekannte oder unbeliebte Lebensmittel: Sinnesschulungen und Experimente, Besuche auf dem Wochenmarkt. Dazu gehören auch frische Lebensmittel am Schulkiosk, die vielleicht sogar über eine Schülerfirma organisiert werden. Dazu gehört auch ein Mensaessen, das Kindern und Jugendlichen schmeckt. Hier liefern eine vegetarische Woche oder die neuen Vollkornbrötchen willkommenen Gesprächsstoff über Ernährungsfragen und Lebensmittel. Im Idealfall lassen sich diese Fragen im Unterricht vertiefen.

Themenportal Bildung und Schule

Auf dem Themenportal Bildung und Schule finden Sie Nachrichten, Medientipps und Materialien für den Unterricht: Von klassischen Entdeckerheften für Grundschüler bis hin zu Anleitungen für den Dreh eigener Erklärvideos oder die Gründung einer Schülerfirma für den Schulkiosk.

Bildung und Schule

Für Jugendliche ist Essen meist Mittel zum Zweck

Viele Jugendliche machen sich wenig Gedanken darüber, was sie essen. Sie wollen vor allem eins: schnell satt werden. Im Zweifel sind ihnen Geschmack und Spaß beim Essen und Trinken mit Freunden wichtiger als eine „gesunde Ernährung“. Wenn überhaupt, sorgen sich Jugendliche um ihr Gewicht, ihre Fitness oder eine reine Haut. Und sie orientieren sich an ihren Idolen – auch in puncto Essen und Trinken.

Das sollte im Hinterkopf haben, wer mit Jugendlichen kommuniziert. Was spricht gegen eine emotionale Ansprache auf der Genuss- und Lifestyle-Ebene? So macht es uns die Werbung schon lange vor. Moralische Appelle oder Vernunftargumente für eine gesunde Ernährung erreichen die meisten Jugendlichen jedenfalls nicht.

Doch natürlich unterscheiden sie Jugendliche in ihrem Ess- und Konsumverhalten. Lehrer*innen sollten sich ihre Schüler*innen daher genau anschauen: Welche Bedürfnisse stehen im Vordergrund? Welche Rolle spielt das Essen zuhause und welche in der Peer-Group? Über diese Fragen lässt sich sowohl im Unterricht als auch im schulischen Alltag gut ins Gespräch kommen.

Die Rolle von Social Media

Infos über angesagte Lebensmittel? Der neueste Ernährungstrend? Wie bekommt man Muskeln oder wie bleibt man schlank? Antworten auf diese Fragen suchen und finden Kinder und Jugendliche heute zunehmend in den sozialen Medien. Hier verraten auf YouTub, Instagram oder TikTok erfolgreiche Menschen ihre Tipps. Oft sind sie gleichalt oder nur wenig älter und genießen hohes Vertrauen unter ihren Fans. Und oft lassen sich diese unbewusst von den Vorlieben und Produktempfehlungen ihrer Vorbilder beeinflussen.

Markenhersteller setzen schon lange gezielt auf derartige Influencer. Die präsentieren zum Beispiel in "Food-Hauls" (haul = Beute) den Inhalt ihrer Einkaufstüten. Sie kreiieren witzige Gerichte mit Schokocreme oder Marshmallows. Und manchmal bringen sie mit pauschalen Aussagen wie Honig sei gesünder als Zucker Ernährungsfachleute auf die Palme.

Der Kulturwissenschaftler Professor Gunther Hirschfelder erforscht diese Entwicklung schon länger. Er sieht darin nicht nur Risiken, sondern auch neue Möglichkeiten: "Angebote in Sachen Ernährungsbildung haben nachhaltigere Chancen, wenn pädagogische Fachkräfte verstehen, dass der neueste Food-Haul auf YouTube größeren Einfluss auf das Ernährungsverhalten hat als alle institutionellen Angebote." Tatsächlich scheint es zurzeit so, dass YouTuber die Ernährungsbildung übernehmen. Doch statt darüber zu klagen, gelte es vielleicht sogar, "jugendliche Netzaktivisten als Katalysatoren zu nutzen und weichere Ziele zu formulieren" schreibt Hirschfelder in der Ernährung im Fokus

Gleichzeitig posten Jugendliche selber Fotos von sich und ihrem Essen im Internet oder versuchen sich an eigenen YouTube-Kanälen. Dann steht weniger die Frage im Fokus, welche Inhaltsstoffe ein Lebensmittel enthält als vielmehr, ob es sich visuell vorteilhaft darstellen lässt, zum Beispiel "instagramable" ist. Schule bietet im und außerhalb des Unterrichts hier einen Raum für Diskussion und Reflexion:

  • Was macht den Reiz von Social Media und ihren Stars aus?
  • Welche YouTuber, Instagramer finden die Schüler cool oder lustig und warum?
  • Welche Themen sind spannend?
  • Wie wichtig sind Fotos, Videos, Rezepte, Musik, Aussehen?
  • Welche Chancen bieten die sozialen Medien für den Unterricht?

So lässt sich der kritische und bewusste Umgang der Kinder und Jugendlichen mit den sozialen Medien schärfen. Und so sichern Lehrerinnen und Lehrer geschickt das Interesse der Schüler an Ernährungsthemen und ihre Aufmerksamkeit.

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