Die Empfehlungen könnten klarer kaum sein: Wer Pflanzendrinks anstelle von Milch trinkt, sollte zu Produkten greifen, die mit den milchtypischen Nährstoffen Calcium, Jod, Vitamin B2 und Vitamin B12 angereichert sind (Richter et al. 2024). Das gilt, ganz gleich aus welchem Rohstoff die Produkte hergestellt werden. In die Zwickmühle führt dieser Tipp all diejenigen, die eine Ernährung aus kontrolliert ökologischem Landbau verfolgen möchten. Denn Bio-Lebensmittel dürfen nur unter sehr strengen gesetzlichen Bedingungen angereichert werden, etwa wenn ein Nährstoffzusatz gesetzlich vorgeschrieben ist. Für Pflanzendrinks trifft das nicht zu. Wer jetzt allerdings das gängige Angebot an Pflanzendrinks vor seinen Augen Revue passieren lässt, wird vielleicht stutzig. Da stehen nicht nur konventionelle, sondern auch Bio-Pflanzendrinks im Regal, die als „calciumreich“ beworben werden.
Anreicherung gesetzlich geregelt
In Deutschland ist die Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln mit Mineralstoffen, Spurenelementen sowie den Vitaminen A und D grundsätzlich zulassungspflichtig (BVL 2021). Wollen Herstellerfirmen von Pflanzendrinks aus etwa Hafer, Soja oder Mandel das Nährstoffprofil ihrer Produkte aufwerten und dem der Kuhmilch anpassen, müssen sie dazu beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) einen Genehmigungsantrag nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFBG) stellen. Dieser wird in der Regel erteilt (VZ 2024). Perspektivisch könnte dieses Prozedere der Antragstellung für konventionelle Lebensmittel entfallen. Denn mit der Anreicherungsverordnung (EG) Nr. 1925/2006 wurden längst EU-weit einheitliche Regelungen für ein Vitamin- und Mineralstoff-Extra in Lebensmitteln getroffen – nur fehlen noch immer verbindliche Höchstmengen für ihren Zusatz. Solange diese nicht festgelegt sind, bleiben die nationalen Regelungen nach dem LFBG anwendbar (BVL 2021).
Anreicherungsverbot von Bio-Lebensmitteln
Der heute detailliert geregelte kontrolliert ökologische Landbau hat seinen Ursprung in der Lebensreformbewegung der 1920er-Jahre, in der die Qualität von Lebensmitteln eng mit ihrer Naturbelassenheit verbunden war. In Teilen hat dieser Grundsatz bis heute Bestand. So darf in Bio-Lebensmitteln nur ein Bruchteil der allgemein zugelassenen Zusatzstoffe verwendet werden; eine Nährstoffanreicherung von Bio-Lebensmitteln ist nach der Verordnung (EU) 2018/848 verboten, es sei denn sie ist in anderen nationalen oder Unions-Rechtsakten explizit vorgeschrieben.
Calcium aus Lithothamnium calcareum
Derweil nutzen einige Bio-Herstellerbetriebe eine juristische Grauzone, über die sich zumindest die Erhöhung des Calciumgehaltes in Pflanzendrinks möglicherweise rechtfertigen lässt. An dieser Stelle soll dieser Prozess nicht „Anreicherung“ genannt werden, denn genau an diesem Begriff hängt die Frage der Zulässigkeit. Das Vehikel ist die Rotalge Lithothamnium calcareum. Die abgestorbenen Rest dieser Alge sind reich an Calciumcarbonat. Einige Bio-Herstellerunternehmen argumentieren, dass die Zugabe der gemahlenen Alge anstelle von reinem Calciumcarbonat keine Mineralstoffanreicherung, sondern die Zugabe einer Zutat sei, die nur nebenbei auch Calcium liefere. Deshalb gilt in ihren Augen das Anreicherungsverbot nach EU-Öko-Recht hier nicht (EuGH 2021). Die EU-Kommission sieht das anders (EU-Kommission 2024). Und auch die Öko-Kontrollbehörden der Mitgliedstaaten untersagen den Einsatz von Lithothamnium in Bio-Produkten (VZ 2024). Es wird sich zeigen, ob diese behördliche Entscheidung Bestand hat. Denn aktuell läuft eine dagegen gerichtete Klage vor Gericht.
Literatur
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2021). 4. LFGB-Änderungsgesetz – Änderungen in § 2 Absatz 3 LFGB – den Zusatzstoffen gleichgestellte Stoffe (Zugriff am 16.12.2024)
EuGH, Urt. v. 29. April 2021, Rs. C‑815/19 (noch mit Bezug zur alten Rechtslage gem. Verordnung (EG) Nr. 834/2007)
EU-Kommission (2024). Frequently asked questions ON ORGANIC RULES (Zugriff am 09.12.2024)
Richter M, Schäfer AC, Alexy U, Conrad J, Watzl B für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (2024). Kuhmilch(-produkte) und pflanzliche Milchalternativen in einer nachhaltigeren Ernährung. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). Ernährungs Umschau 71 (12); DOI 10.4455/eu.2024.043
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (2024). Aktualisierter Marktcheck; aktualisierter Internetartikel