Im Interview:
Linda Homann, Leiterin des Referats 335 „Kompetenzzentrum Proteine der Zukunft, Humus“ in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
Welches sind die Ziele der Eiweißpflanzenstrategie der Bundesregierung? Wann und warum wurde die Strategie in das „Kompetenzzentrum Proteine der Zukunft“, das in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) angesiedelt ist, überführt?
Mit der Eiweißpflanzenstrategie fördert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft seit 2012 Forschungsaktivitäten, Wissenstransfer und Beratung zum Anbau von heimischen Leguminosen als pflanzliche Proteinquelle. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung wurde festgehalten, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen möchte, pflanzliche Alternativen und die Zulassung von Innovationen wie alternative Proteinquellen und Fleischersatzprodukte in der EU zu stärken. Dieser Erweiterung der Eiweißpflanzenstrategie wurde durch die Einrichtung des „Kompetenzzentrums Proteine der Zukunft“ im Juni 2024 Rechnung getragen.
Was sind die Hauptaufgaben des Kompetenzzentrums Proteine der Zukunft? Wer kann von den Arbeitsergebnissen des Kompetenzzentrums profitieren?
Die Hauptaufgaben des Kompetenzzentrums sind der Wissenstransfer und die Förderung von Forschungs-, Vernetzungs- und Wissenstransferprojekten zu alternativen Proteinquellen mit dem Schwerpunkt Humanernährung über die gesamte Wertschöpfungskette. Grundsätzlich sollen alle Arten von nicht-tierischen Proteinquellen, für die Marktperspektiven erkennbar sind, auf ihrem Weg vom Feld bis auf den Teller betrachtet werden. Zu den Proteinen der Zukunft zählen neben den Hülsenfrüchten z. B. auch Nüsse, Algen, Pilze, daraus fermentierte Produkte sowie neue innovative Verarbeitungstechnologien. Profiteure des neuen Kompetenzzentrums sind Forschende, verarbeitende Betriebe, der Handel sowie die Verbrauchenden.
Ein neues Forum zu alternativen Proteinquellen in der Humanernährung mit dem Titel „Proteine der Zukunft auf den Teller“ wurde im November 2024 ins Leben gerufen. Ziel des Auftakttreffens war es, eine Plattform für Akteure entlang der Wertschöpfungskette für alternative Proteine in der Humanernährung zu schaffen.
Welche heimischen Hülsenfrüchte werden besonders beforscht im Hinblick auf die Deckung des Proteinbedarfs der Menschen in Deutschland?
Die bedeutendsten Hülsenfrüchte für die Ernährung des Menschen, die in Deutschland angebaut werden, sind Soja, Lupine, Erbse und Ackerbohne. Daneben spielen auch Nischenkulturen wie Linse, Kichererbse oder Speisebohnen eine Rolle. Aktuell finden Forschungsaktivitäten zu den unterschiedlichen genannten Hülsenfrüchten statt. Einen speziellen Schwerpunkt gibt es derzeit nicht.
Welche heimischen Hülsenfrüchte eignen sich nach aktuellem Stand der Wissenschaft besonders für die Herstellung von Milchersatzprodukten wie Drinks, Joghurts und Käse sowie für die Entwicklung innovativer Lebensmittel aus Hülsenfrüchten? Welche Forschungsprojekte gibt es diesbezüglich?
Besonders Soja und Erbse werden für die Herstellung von Drinks und Joghurts verwendet. Beim Käse findet man unterschiedliche Hülsenfrüchte wie Soja, Erbse, Kichererbse, Linse oder Ackerbohne.
In Bayern gibt es am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) aktuell das Forschungsprojekt KERBSE, das sich mit fermentierten Käsealternativen auf Basis heimischer Erbsen befasst. Ein Forschungsprojekt der Universität Bonn, das im Herbst 2024 gestartet ist, heißt Leg4Future. Hier geht es um die ganzheitliche Verwertung von Mungobohnen und Linsen. Ziel ist, qualitativ hochwertige Proteinkonzentrate herzustellen, um daraus Fleisch- und Milchproduktalternativen sowie Backwaren herzustellen und auch die entstehenden Nebenprodukte, z. B. die Schalen, sinnvoll zu verwerten. Diese Kulturen wurden diesbezüglich bisher noch wenig erforscht.
Welche Herausforderungen birgt die Lupine in dieser Hinsicht? Welche besonderen Vorteile hat diese Hülsenfrucht im Vergleich zu anderen?
Lesen Sie dazu unseren Beitrag "Lupinen als Proteinlieferanten".
Lupinen sind wie Soja auf der Liste der Allergene, deshalb müssen sie besonders gekennzeichnet werden. Besondere Herausforderung in der Verwertung von Lupinen sind die enthaltenen Bitterstoffe, Alkaloide, die in hohen Konzentrationen für Mensch und Tier giftig sein können. Daher ist der zulässige Alkaloidgehalt beim Einsatz von Lupinen entscheidend. Ein Vorteil der Lupine ist, dass sie im Vergleich zu Soja kaum Phytohormone enthält.
Wie schätzen Sie die Marktchancen von Lupinenprodukten und anderen innovativen Lebensmitteln aus Hülsenfrüchten in Deutschland ein? Wie wird sich Ihrer Erwartung nach der Markt für pflanzliche Milch- und Käsealternativen entwickeln?
An der bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft wurde gerade eine Studie zum Marktpotenzial von Feldfrüchten zur Herstellung innovativer Lebensmittel, u. a. auch von verschiedenen Leguminosen, veröffentlicht. Positiv für die Lupine: sie ist für eine breite Produktpalette geeignet und hat vor allem bei der Verwendung als Milchalternative noch Potenzial. Die größten Marktchancen sieht man derzeit allerdings für Körnererbsen und Linsen. Kernaussage der Studie ist, dass der Ausbau der innovativen Kulturen sinnvoll ist, wenn es gelingt, deren Wachstum im Einklang mit der - teilweise noch aufzubauenden - Verarbeitungsindustrie zu organisieren.
Insgesamt ist Deutschland laut einer Studie des Good Food Institutes der größte Markt für pflanzenbasierte Produkte in Europa und wächst weiter. Im deutschen Einzelhandel ist von 2021 bis 2023 die Verkaufsmenge von pflanzenbasierten Lebensmitteln um ein Viertel gestiegen. 9 % der deutschen Haushalte kauften in 2023 Pflanzenmilch einmal, 27 % mehr als einmal. Für die Entwicklung des Marktes müssen in jedem Fall alle Akteure der Wertschöpfungskette kontinuierlich eng zusammenarbeiten. Das Kompetenzzentrum kann hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Weitere Informationen
Forschungsprojekte:
Liste mit Forschungsprojekten zu Leguminosen auf LeguNet
Forschungsprojekt KERBSE „Fermentierte Käsealternativen auf Basis heimischer Erbsen“
Markt:
Broschüre zu Bitterstoffen (Alkaloiden) in Lupinen (LeguNet)
Gesellschaft zur Förderung der Lupine
Pressemeldung BLE „Proteine der Zukunft auf den Teller gestartet“