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Viele junge Familien nutzen pflanzliche Milchalternativen. Was würde die Verwendung von Pflanzendrinks an Stelle von Milch für die Nährstoffversorgung von Kleinkindern bedeuten?

Mädchen hält Milchglas in beiden Händen
peemee19 / stock.adobe.com

Kleine Kinder wachsen schnell, eine ausreichende Zufuhr an Nährstoffen ist in dieser Lebensphase besonders wichtig. Eine bedarfsgerechte Versorgung gelingt in der Regel mit einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung. Auch eine vegetarische Kost kann Kinder – genauso wie Jugendliche und Erwachsene – grundsätzlich mit allen wichtigen Nährstoffen versorgen, vorausgesetzt, es sind Milch, Milchprodukte und Eier dabei (Abou-Dakn et al. 2022). Auf eine rein pflanzliche Ernährung trifft das nicht zu. Da muss der Speisenplan gut durchdacht sein. Mögliche Nährstoffdefizite müssten eventuell mit Supplementen ausgeglichen werden (Klug et al. 2024). Schließlich gibt es Nährstoffe, mit denen uns tierische Lebensmittel besonders gut versorgen können.

Pflanzendrinks in der Kleinkindernährung

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was passierten würde, wenn Pflanzendrinks der Kuhmilch in der Kinderernährung den Rang ablaufen würden. Zumindest bislang scheint das nicht der Fall zu sein. Laut KiESEL-Studie (Burgard et al. 2024) haben lediglich 4,7 bis 6,5 % der Kinder zwischen 6 Monaten und 5 Jahren überhaupt schon einmal Pflanzendrinks getrunken. Für 0,7 % der „KiESEL-Kinder“ zeigt sich ein nahezu täglicher Konsum von beispielsweise Haferdrinks (6–7 Mal pro Woche). Daten über die Mengen, die Kinder davon verzehren, gibt es bislang allerdings nicht; ebenso wenig ist bekannt, ob die Kinder Pflanzendrinks zusätzlich zu  oder an Stelle von Kuhmilch bekommen. Der Anteil vegan ernährter Kinder liegt laut KiESEL-Studie bei 0,4 %, der vegetarisch ernährter Kinder bei 0,8 %.

Milch in der Kinderernährung

Milchprodukte spielen weiterhin eine wichtige Rolle in der Kinderernährung, auch wenn der Konsum leicht sinkt. Diese These stützt ein Datenvergleich aus den EsKiMo-Studien I und II (RKI 2007, 2021) für Kinder von 6 bis 17 Jahren. Danach sank der Konsum von Milch und Milchprodukten von 2015 bis 2017 bei Mädchen und Jungen um 15 bis 31 % gegenüber 2003 bis 2006 (Richter et al. 2024). Kinder von 6 Monaten bis 5 Jahren verzehrten nach aktuellen KiESEL-Daten im Schnitt 206 bis 234 Gramm Milch und Milchprodukte pro Tag, berechnet als Milchäquivalente (Richter o. D.). Das ist zwar etwas weniger als die Optimierte Mischkost für Kinder von 4 bis 6 Jahren vorsieht: sie empfiehlt 302 Gramm pro Tag (Kersting et al. 2017). Aus den Daten lässt sich aber ableiten, dass der Konsum von Milch unter (Klein-)Kindern noch immer verbreitet ist.

Milch und Milchprodukte werden seit Jahrzehnten für die Ernährung im Kleinkindalter empfohlen. Sie tragen zur Calcium- und Jodversorgung bei, liefern Protein sowie die Vitamine B2 und B12 (Kersting et al. 2017; Richter et al. 2024). Aktuelle Daten zeigen, dass ein geringer Milchkonsum im Kleinkind- und Grundschulalter das Risiko einer geringeren Körpergröße und von Knochenbrüchen aufgrund schlechterer Knochenmineralisierung bis ins Erwachsenenalter erhöhen kann (Abou-Dakn et al. 2022; de Lamas et al. 2019). Kognitive Beeinträchtigungen im Jugend- und Erwachsenenalter können auf eine unzureichende Jodversorgung im Kindesalter zurückgehen (Kampouri et al. 2024).

Wenn Kleinkinder ohne Kuhmilch aufwachsen

Eine vom Netzwerk Gesund ins Leben beauftragte theoretische Berechnung des Forschungsdepartments Kinderernährung (FKE) der Universitätskinderklinik Bochum zeigt, dass die DGE/ÖGE-Referenzwerte für Calcium, Vitamin B2 und Vitamin B12 nicht mehr erreicht würden, wenn die Hälfte der nach dem Konzept der Optimierten Mischkost empfohlenen Milchmenge von 302 Gramm am Tag ersatzlos entfallen würde. Die selbst mit Kuhmilch kritische Jodversorgung würde noch kritischer werden – mit möglicherweise weitreichenden Folgen für die mentale Gesundheit (Netzwerk Gesund ins Leben 2023). Komplett ohne Milch und Milchprodukte würde die Nährstoffversorgung noch geringer ausfallen (Abb. 1).

Was wir daraus lernen

Pflanzendrinks sind kein gleichwertiger Ersatz für Kuhmilch (Bührer et al. 2024; Richter et al. 2024). Denn unabhängig vom Rohstoff enthalten sie von Natur aus keine oder kaum nennenswerte Mengen der milchtypischen Nährstoffe.
DGE-Positionpapier PflanzendrinksZwar gibt es mit Calcium, B-Vitaminen sowie teils auch Jod angereicherte Pflanzendrinks (VZ 2024). Doch weder ist ein solcher Zusatz die Regel, noch ist er standardisiert. Marktuntersuchungen zeigen, dass die Produkte nicht per se dem Nährstoffprofil der Milch angepasst werden; auch andere Nährstoffe können zugesetzt sein (VZ 2021). Oder die Drinks werden gesüßt oder aromatisiert.
Angereicherte Pflanzendrinks: Aktuelles MarktangebotAußerdem: Zugesetzte Nährstoffe haben nicht immer dieselbe Bioverfügbarkeit wie Nährstoffe im natürlichen Lebensmittel. So etwa ist die Resorptionsrate von Calcium höher, wenn der Pflanzendrink statt mit Tricalciumphophat mit Calciumcarbonat angereichert ist. Auch können antinutritive Stoffe wie Phytinsäure, Tannine und bestimmte Ballaststoffe die Calciumaufnahme hemmen (Klug et al. 2024; Muleya et al. 2024). Zugesetzte Mineralstoffe können sich absetzen. Zumindest hier können wir Abhilfe schaffen und die Drinks vor dem Verzehr kräftig schütteln (Richter et al. 2024).

Schlussfolgerungen für die Kleinkindernährung

Wer an Stelle von Milch Pflanzendrinks verwenden möchte, braucht fundiertes Wissen über Nährstoffe und geeignete Produkte. Das gilt umso mehr, wenn Kleinkinder Pflanzendrinks erhalten sollen – ob nun als Extra zur Kuhmilch oder als Ersatz. Dieses Wissen sollte in der Beratung junger Eltern diversitätssensibel vermittelt werden, um individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen - indem etwa konkrete Wege aufgezeigt werden, wie eine ausreichende Nährstoffversorgung auch ohne oder mit nur wenig Milch(-produkten) gelingen kann (Abu-Dakn et al. 2022; Netzwerk Gesund ins Leben 2024). Angereicherte Pflanzendrinks und andere Lebensmittel, die milchtypische Nährstoffe enthalten, können helfen, mögliche Defizite auszugleichen. In bestimmten Fällen können auch Supplemente eine sinnvolle Ergänzung sein (Abu-Dakn et al. 2022; Bührer et al. 2024, Klug et al. 2024). In diesem Fall ist es ratsam, die Kinderärztin oder den Kinderarzt hinzuzuziehen.

Literatur

Abou-Dakn M, Alexy U, Beyer K et al (2022). Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter – Aktualisierte Handlungsempfehlungen des Netzwerks Gesund ins Leben. Monatschr Kinderheilkd

Bührer C, Ensenauer R, Jochum F et al. (2024). Verwendung pflanzenbasierter Milchalternativen bei Kindern. Stellungnahme der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin e.V. (DGKJ). Monatsschr Kinderheilkd

Burgard L, Jansen S, Spiegler C, Brettschneider AK, Straßburg A, Alexy U,. Storcksdieck S genannt Bonsmann, Ensenauer R, Heuer T (2024). Unfavorable nutrient intakes in children up to school entry age: results from the nationwide German KiESEL study. Front. Nutr., Sec. Nutritional Epidemiology

deLamas C, deCastro MJ, Gil-Campos M et al. (2019). Effects of dairy product consumption on height and bone mineral content in children: a systematic review of controlled trials. AdvNutr: 10: S88–S96

Kampouri M, Margetaki K, Koutra K, Kyriklaki A, Daraki V, Roumeliotaki T, Bempi V, Vafeiadi M, Kogevinas M, Chatzi L, Kippler M (2024). Urinary iodine concentrations in preschoolers and cognitive development at 4 and 6 years of age, the Rhea mother-child cohort on Crete, Greece. Journal of Trace Elements in Medicine and Biology (8); 127486

Kersting M, Kalhoff H, Lücke T (2017). Von Nährstoffen zu Lebensmitteln und Mahlzeiten: das Konzept der Optimierten Mischkost für Kinder und Jugendliche in Deutschland. Aktuel Ernahrungsmed 42: 304–315

Klug A, Barbaresko J, Alexy U, Kühn T, Kroke A, Lotze-Campen H, Nöthlings U, Richter M, Schader C, Schlesinger S, Virmani K, Conrad J, Watzl B für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (2024). Neubewertung der DGE-Position zu veganer Ernährung. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). ErnährungsUmschau 71 (7): 60–84; DOI 10.4455/eu.2024.22

Max Rubner-Institut (2023). Initiale Charakterisierung ausgewählter Pflanzendrinks hinsichtlich ihrer Qualität und mikrobiologischer sowie chemischer Sicherheit

Muleya MF, Bailey EH, Bailey E (2024). A comparison of the bioaccessible calcium supplies of various plant-based products relative to bovine milk. Food Res Int. 175, 113795: doi:10.1016/j.foodres.2023.113795

Netzwerk Gesund ins Leben (2023). Unveröffentlichte Berechnungen der durchschnittlichen täglichen Zufuhr von Energie und den für die Optimierte Mischkost relevanten Nährstoffen, bei Ausschluss der Milch auf verschiedenen Stufen, durchgeführt vom Forschungsdepartment Kinderernährung in Bochum. Bonn

Netzwerk Gesund ins Leben (2024). Beitrag Nachgefragt

Richter M (o. D.). Umrechnungsfaktoren in Milchäquivalente

Richter M, Schäfer AC, Alexy U, Conrad J, Watzl B für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (2024). Kuhmilch(-produkte) und pflanzliche Milchalternativen in einer nachhaltigeren Ernährung. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). Ernährungs Umschau 71 (12); DOI 10.4455/eu.2024.043

Robert Koch-Institut (2007). Ernährungsstudie als KiGGS-Modul (EsKiMo)

Robert Koch-Institut (2021). EsKiMo II – Die Ernährungsstudie als KiGGS-Modul

Verbraucherzentrale NRW (2021). Marktuntersuchung Pflanzendrinks

Verbraucherzentrale NRW (2024). Marktuntersuchung Pflanzendrinks. Bericht zum Marktcheck;
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