Impressionen vom 7. BZfE-Forum
Ernährungsarmut wird kontrovers diskutiert
„Das Thema Ernährungsarmut hat im vergangenen Jahr besonders an Aktualität gewonnen. Es ist ein kontrovers diskutiertes Thema, das auch das BMEL adressiert. Wir setzen alles daran, dass alle Menschen gesund leben und alt werden können. Die Ernährungsstrategie der Bundesregierung, die federführend vom BMEL erarbeitet wird, wird daher das Thema Ernährungsarmut aufgreifen.“ Mit diesen Worten eröffenete Eva Bell das 7. BZfE-Forum. Sie ist Leiterin der Abteilung 2 „Gesundheitlicher Verbraucherschutz, Ernährung“ im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).
„Ernährungsarmut in Deutschland ist definitiv ein Thema, um das wir uns auch als Ernährungscommunity kümmern müssen.“
So lautete der Aufruf von Dr. Margareta Büning-Fesel. Damit bezog sie sich sowohl auf Forschungsprojekte und die fachliche Unterstützung ehrenamtlicher Initiativen, als auch auf eine gute Wissenschaftskommunikation. Die Präsidentin der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) führte in diesem Jahr auch als Moderatorin durch das Forum.
Ernährungsarmut muss sichtbarer werden
„Mit dieser Veranstaltung machen wir das Thema Ernährungsarmut sichtbarer. Wir werden als Bundeszentrum für Ernährung dieses wichtige gesellschaftliche Thema auf jeden Fall kommunikativ weiter begleiten.“ So lautete ein wichtiges Fazit von Eva Zovko (re.), Leiterin des Bundeszentrum für Ernährung (BZfE). Sie begrüßte die Teilnehmenden zusammen mit Dr. Margareta Büning-Fesel (li.).
Mehr Daten und Taten
„Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme: Essen ist soziale Teilhabe, die stärker berücksichtigt werden sollte. Wir brauchen mehr Daten und Taten." So brachte es Prof. Dr. Ute Nöthlings, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in ihrem Grußwort auf den Punkt.
Menschenrecht auf Nahrung
„Das Menschenrecht auf angemessene Nahrung definiert Ernährungssicherheit als Kernbestandteil und ist in Deutschland nicht verwirklicht. Das ist die Dimension, über die wir sprechen", mahnte Martin Rücker (re.), der den einleitenden Vortrag hielt und auch an der Podiumsdiskussion teilnahm.
Ernährungsarmut in Deutschland – Fakten und Debatten (Abstract)
Ernährungsarmut ist politisch
Prof. Achim Spiller, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) betonte: "Ernährungsarmut ist ein politisches Thema, dem sich die Politik aber erst annehmen muss. In Deutschland wird stattdessen insgesamt zu sehr individualisiert.“
Ernährungsarmut (nicht nur) unter Pandemiebedingungen (Abstract)
Ernährungsarmut macht krank
„Ernährungsarmut ist ein multidimensionales Gesundheitsrisiko! Im Vergleich zu anderen Ländern verwendet Deutschland zu wenig Ressourcen auf eine systemische Erfassung.“ So das Fazit von Jun.-Prof. Tina Bartelmeß.
Die Decke ist immer zu kurz
Mit einem treffenden Bild erläuterte Dr. Andreas Aust vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, wie verschiedene Arten von Armut zusammenhängen: „Armut ist wie eine zu kurze Decke im Winter, mit der man entweder die Füße oder den Oberkörper bedecken kann. Je nachdem, wie man die Decke zieht, gibt es zum Beispiel Ernährungs- oder Energiearmut. Dahinter steckt aber immer zu wenig Geld!“
Für eine kostenfreie Kita- und Schulverpflegung
„Eigentlich führt kein Weg an einer kostenlosen Kita- und Schulverpflegung vorbei. Es ist schlimm, wie ausgehungert manche Kinder montags sind und zeigt aber auch, welche Möglichkeiten darin stecken.“ Dafür wirbt Prof. Ulrike Arens-Azevêdo, Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg.
"Ernährungsarmut ist, wenn es nur am Anfang eines Monats, Bananen zu essen gibt."
Mit solchen und anderen eindrücklichen Worten schilderte Ella Elia Anschein ihre/seine ganz persönlichen Erfahrungen mit Armut im Poetry Slam.
Engagement und finanzielle Ressourcen
Christin Becker koordiniert das IN FORM-Projekt „Tafel i(s)st gesund und nachhaltig“ und betonte: „Es braucht Engagement und Willen, aber auch Rahmenbedingungen und finanzielle Ressourcen. Es braucht eine gewisse Grundausstattung, damit solche Projekte funktionieren.“
Eine Frage der Würde
„Wir unterstützen bedürftige Seniorinnen und Senioren zum Beispiel mit Einkaufsgutscheinen. So können sie selbstbestimmt einkaufen gehen. Das hat auch etwas mit Würde zu tun.“ Letzteres liegt Jürgen Daldrup vom Verein "Lichtblick Seniorenhilfe" besonders am Herzen.
Kinder stark machen
„Wir müssen der Welt draußen erzählen, was Realität ist. Wir müssen die Würde wieder nach oben holen, damit Kinder ermutigt in die Zukunft gehen.“ Daniel Schröder vom Kinderprojekt "Die Arche" kümmert sich um Kinder im Quartier Frankfurt Griesheim.
Ernährungsarmut ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen
„Wir kommen mit unserem Forschungsprojekt vermutlich nicht an die ganz hart Betroffenen heran, sondern bewegen uns mehr in der Mitte der Gesellschaft. Aber auch dort ist Ernährungsarmut mittlerweile angekommen.“ Das stellte Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale fest, die ein bundesweites Projekt gestartet hat.
Tafeln nicht als Krisenhelfer
„Wir möchten keine finanziellen Hilfen, denn wir retten freiwillig Lebensmittel und geben sie freiwillig aus. Aber wir wollen keine Krisenhelfer sein.“ Das betonte Sabine Werth (re.) von der Berliner Tafel in der Podiumsdiskussion.
725 Euro Regelsatz sofort
Thomas Wasilewski streitet als Musterkläger für einen höheren Regelsatz und wehrt sich gegen Diskriminierung: „Die 60 Euro Grundsicherung, die ich ab 2024 mehr bekomme, gleichen nur die Inflation aus und spalten gleichzeitig die Gesellschaft. Ich erwarte als Erwerbsunfähiger von einer Gesellschaft, dass ich diskriminierungsfrei meine Leistungen erhalten kann.“