(BZfE) – 31,5 Liter Fruchtsaft und -nektar trank der statistische Bundesbürger im vergangenen Jahr, so der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie e.V. (VdF). Der Lieblingssaft der Deutschen war Orangensaft (7,4 Liter), dicht gefolgt von Apfelsaft (7,0 Liter) – je nach Jahr kann die Rangfolge auch mal umgekehrt sein. Etwas abgeschlagen folgt Multivitaminfruchtsaft (3,9 Liter) auf Platz drei. Nebenbei bemerkt, sind wir in puncto Verbrauch mal wieder Weltmeister, denn in keinem anderen Land wird so viel Saft konsumiert wie bei uns. Die Deutschen sind definitiv Saftliebhaber, aber nicht unbedingt Saftexperten: Bei nicht wenigen Verbrauchern hält sich hartnäckig die Überzeugung, dass Fruchtsäften Zucker zugesetzt werde und Saft aus Konzentrat kein richtiger Saft sei. Dem ist aber nicht so.
Zum Verständnis: „Fruchtsaft ist das aus dem genießbaren Teil gesunder und reifer Früchte einer oder mehrerer Fruchtarten gewonnene Erzeugnis“, so in etwa die Fruchtsaftverordnung. Das heißt, steht das Wort „Fruchtsaft“ alleine auf der Verpackung, ist immer 100 Prozent Frucht enthalten – ganz egal, ob Fruchtsaft aus Konzentrat oder Direktsaft. Da hier keine Abweichung zulässig ist, müssen Hersteller den Fruchtgehalt nicht extra auf der Verpackung angeben. Die Angabe 100 Prozent Fruchtgehalt kann jedoch freiwillig erfolgen.
Von Fruchtsaft abzugrenzen sind Fruchtnektare und Fruchtsaftgetränke, bei denen weitere Zutaten zugesetzt werden dürfen.
Bei der Herstellung von Fruchtsaft aus Konzentrat entzieht man dem frisch gepressten Saft bei niedrigen Temperaturen unter Vakuumbedingungen Aroma und Wasser. Der Fruchtsaft wird dann bis auf circa ein Sechstel seines ursprünglichen Volumens verdichtet. Fruchtsaftkonzentrat und Aroma werden getrennt voneinander in Tanks gelagert beziehungsweise transportiert. Bei Orangensaftkonzentrat erfolgt das zum Beispiel bei -15 Celsius. Am Bestimmungsort werden beide Komponenten wieder zusammengefügt und mit besonders aufbereitetem Trinkwasser rückverdünnt. Der Fachmann spricht von Rekonstituieren. Vor der Abfüllung in Flasche oder Karton wird der Fruchtsaft durch Pasteurisation haltbar gemacht. Die Verkehrsbezeichnung ist „Fruchtsaft aus Fruchtsaftkonzentrat“.
Direktsaft wird im Ursprungsland gepresst, gefiltert und zur Haltbarmachung pasteurisiert. Anschließend wird der Direktsaft abgefüllt beziehungsweise für eine spätere Abfüllung in Tanks steril gelagert. Die Verkehrsbezeichnung ist „Fruchtsaft“. Die zusätzliche Kennzeichnung als „Direktsaft“ kann freiwillig erfolgen.
Muttersaft ist kein Begriff der Fruchtsaftverordnung, er hat sich aber etabliert für Direktsäfte aus Früchten, die sehr aromaintensiv und pur entweder zu sauer, süß, trüb oder zu teuer sind; zum Beispiel Aronia, Erdbeere, Quitte, Rhabarber, Sauerkirsche, Schlehe, um nur einige zu nennen. Diese Säfte werden in der Industrie meist zur Herstellung von Nektar, Fruchtsaftgetränken oder sonstigen Weiterverarbeitung eingesetzt.
Die Fruchtsaftherstellung aus Konzentrat überwiegt; aber seit etwa zehn Jahren ist Direktsaft in der Gunst der Verbraucher kontinuierlich gestiegen. Konzentrat-Säfte haben den Ruf etwas minderwertiger zu sein, was am Herstellungsverfahren liegen mag: Die Früchte können aus verschiedenen Anbauländer stammen, das Wasser, das der Abfüller zusetzt, ist nicht dasselbe, das entzogen wurde. Das Gleiche kann auch für die Aromastoffe zutreffen.
Apropos Aromastoffe: Die Hersteller sind bestrebt sowohl eine gleichbleibende Qualität zu garantieren als auch den Geschmack des Fruchtsafts der Verbrauchererwartung anzupassen. Bei Orangensaft wird hierzulande beispielsweise eine eher säuerliche Note bevorzugt, in anderen Ländern ist es eine eher süße Note. Demzufolge werden unerwünschte Aromakomponenten – der Fachmann spricht von „off notes“ – herausgenommen und erwünschte Aromakomponenten – „top notes“ – zugefügt. Unterm Strich gibt es sowohl bei Säften aus Konzentrat als auch bei Direktsäften solche in sehr guter Qualität.
Auch wenn eine Bewertung der Ökobilanz sehr komplex und schwierig ist, so dürften Fruchtsäfte aus Fruchtsaftkonzentraten im Vergleich zum Direktsaft besser abschneiden, da Transport- und Lagervolumen erheblich geringer sind. Da liegt es auf der Hand, dass sich der umweltbewusste Verbraucher fragt, ob er nicht selbst Fruchtsaftkonzentrat rückverdünnen kann, schließlich haben wir in Deutschland allerorts eine gute Trinkwasserqualität. Im Prinzip „ja, aber...". Im gängigen Lebensmitteleinzelhandel wird man nämlich Fruchtsaftkonzentrate vergeblich suchen, jedenfalls solche, die auch der Industrie zur Verfügung stehen. Industrielles Fruchtsaftkonzentrat ist sehr dickflüssig, was die Handhabung für den Verbraucher nicht ganz einfach macht. Zudem fehlt die Aromakomponente. Es sei denn, sie wäre zugesetzt, was beim Anbieter erfragt werden müsste. Fündig wird man höchstens im Internet. Es gibt eine Reihe von Kelterbetrieben, die Konzentrate und/oder Muttersäfte anbieten. Vorzugsweise in einer Bag-in-Box-Verpackung, die das Erzeugnis vor Licht und Sauerstoff schützt. Muttersäfte sind Direktsäfte, die alle Komponenten der Frucht enthalten. Zur individuellen Rückverdünnung sind sie für den Verbraucher vielleicht die bessere Alternative.
Rüdiger Lobitz, www.bzfe.de
Weitere Informationen:
https://www.bzfe.de/inhalt/fruchtsaefte-31653.html
Leitsätze für Fruchtsäfte: