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"Intuitiv Essen“ verspricht Wohlfühlen ohne Regeln, Abnehmen ohne Verzicht. Was so einfach klingt, ist im Alltag schwierig und funktioniert nur für Menschen mit gesundem Stoffwechsel.

Eine Frau hat ihr Kinn auf die Arme gelegt und schaut auf einen weißen Teller mit Spaghetti
Pixel-Shot/stock.adobe.com

Die Idee des „intuitiven Essens“ verspricht Wohlfühlen ohne Regeln und Abnehmen ohne Verzicht. Statt Ernährungsempfehlungen zu befolgen gilt es, Experte für den eigenen Körper zu werden. Was so einfach klingt, erfordert in der Praxis Disziplin, Übung und Ausdauer. Das ist für gesunde Menschen grundsätzlich möglich, kaum aber für übergewichtige Menschen oder Menschen mit schwierigem Essverhalten.

Was bedeutet intuitives Essen?

Intuitives Essen wurde 1995 durch das Buch „Intuitive Eating“ populär. Ziel ist ein natürliches Essverhalten, das sich an den eigenen Körpersignalen orientiert. Das ist vielen Menschen heute verloren gegangen. Sie essen nicht aus echtem Hunger wann, was und so viel sie gerade brauchen.

Stattdessen prägen Gewohnheiten, Tradition, Kultur, Geselligkeit, Angebot, Preis und der Wunsch nach Gesundheit und Schlankheit unser Essverhalten. Emotionale Faktoren wie Stress, Frust und Langeweile verderben uns den Appetit oder steigern ihn. Wer abnehmen möchte, ignoriert oft bewusst eindeutige Signale, zum Beispiel einen knurrenden Magen.

Beim intuitiven Essen steht deren Wahrnehmung und Beachtung im Mittelpunkt. Doch hinter den Signalen zur Nahrungsaufnahme oder der Beendigung einer Mahlzeit steckt ein komplexes Zusammenspiel zwischen Nährstoffen und Hormonen, das im Gehirn verarbeitet wird. Theoretisch brauchen gesunde Menschen daher keine Ernährungsregeln. Sie essen im Idealfall nur bei echtem, so genanntem Körper- oder Magenhunger, genau so viel, bis sie sich gerade angenehm satt fühlen.

Achtsamkeit als wichtiges Werkzeug

Keine leichte Aufgabe in einer hektischen Zeit mit überbordendem Nahrungsangebot. Hier kann die Methode der Achtsamkeit helfen. Achtsamkeit ist eine mitfühlende und liebevolle Haltung sich selbst gegenüber. Sie dient dazu, innezuhalten und jeden Moment bewusst zu (er)leben.

Essen bietet sich mehrmals am Tag als praktische Achtsamkeitsübung an: Sind wir wirklich hungrig und wann satt? Was steckt hinter der plötzlichen Lust auf Schokolade oder ein Stück Kuchen?

Achtsam essen üben

  • Ablenkungen durch Zeitung, Smartphone oder Radio vermeiden
  • vor dem Essen dreimal tief durchatmen
  • kleine Portionen nehmen
  • Geruch und Aussehen der Speisen bemerken
  • die ersten Bissen mit allen Sinnen wahrnehmen
  • das Besteck hin und wieder zur Seite legen
  • jeden Bissen gründlich kauen
  • in den Körper hineinspüren, wie er sich anfühlt
  • bemerken, wann Sättigung eintritt 

Chancengleichheit für guten Geschmack

All dies sagt jedoch wenig über die Auswahl von Lebensmitteln aus. Beim intuitiven Essen soll die nach dem Geschmack und nicht nach Kriterien wie gesund oder ungesund erfolgen. Doch was, wenn jemand gar nicht die Chance hat, die ganze Geschmacksvielfalt natürlicher Lebensmitteln kennenzulernen? "Essen, was schmeckt“ ist nur dann eine gute Richtschnur, wenn am besten von der Schwangerschaft an alle die Chance auf eine vielfältige, frische und ausgewogene Ernährung haben - in der Familie, in Kita und Schule. Denn gerade die ersten Lebensjahre prägen den Geschmack.

Intuitiv essen funktioniert schlecht bei Übergewicht

Eine wichtige Rolle bei der Regulation der Nahrungsaufnahme spielen die Hormone Leptin und Insulin. Sie signalisieren dem Gehirn, dass der Mensch genug Nahrung bekommen hat und aufhören kann, zu essen. Bei Übergewicht oder starkem Übergewicht (Adipositas) reagiert der Körper nicht mehr angemessen auf diese Hormone. Das Signal "satt" fehlt, der Mensch isst mehr als er braucht und nimmt so immer mehr zu. Das ist eine von vielen gestörten Stoffwechselreaktionen bei Übergewicht, die intuitives Essen schwierig bis unmöglich machen. Darüber sollten die Betroffenen Bescheid wissen, um sich nicht wegen ihrer vermeintlichen Charakterschwäche schämen oder gar rechtfertigen zu müssen. 

Ernährungsfachkräfte vermitteln zwischen Wissen und Fühlen

Würden wir alle intuitiv essen, wären Ernährungsfachkräfte keineswegs überflüssig. Sie vermitteln zwischen Wissen und Fühlen. Sie statten Menschen mit Kenntnissen und praktischen Fähigkeiten für den Einkauf und die Zubereitung von gesundheitsförderlichen Lebensmitteln und Speisen aus. Das gilt besonders für Menschen mit Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 oder starkem Übergewicht 

Ernährungsberater*innen und Multiplikator*innen in der Bildung nehmen die Bedürfnisse und Lebenswelten jedes Einzelnen oder ganzer Zielgruppen in den Blick. Die Bandbreite und auch das Angebot des BZfE ist riesig: Vom Schmecken lernen für Kinder bis hin zu Food & Move Literacy für Erwachsene mit Leseschwäche. Dabei verzichten sie immer auf erhobenen Zeigefinger. Und dabei geht es nicht nur um den Nährstoffbedarf, sondern um Genuss und Geschmack, um bewusstes Schmecken und Erfahren von Lebensmittelvielfalt sowie um achtsames Essen.

Gesund oder bunt? Der Ton macht die Musik!

Auch in der Sprache hat sich dies längst niedergeschlagen. Ernährungsberater*innen und Lehrende sprechen nicht mehr von „gesundem“ Gemüse oder „ungesunder“ Ernährung. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“. Dagegen stehen Begriffe wie frisch, bunt oder vielfältig mehr für Genuss als für Gesundheit und lassen allen die freie Wahl.

Für die Sozialen Medien gilt das so jedoch nicht immer. Dort erfüllen Schlagworte oder Hashtags wie „gesund essen“, „gesunde Ernährung“ oder „gesunde Rezepte“ sehr wohl wichtige Funktionen: Sie erleichtern den Nutzern das Suchen und Filtern und ziehen deren Aufmerksamkeit an. Die zielgruppengerechte Verwendung solcher Begriffe ändert aber nichts daran, dass gesund oder ungesund vor allem eine Frage der Menge und nur ein Aspekt von vielen ist.

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