- Steviolglycoside gehören zu den Süßungsmitteln. Sie sind zulassungspflichtig und dürfen nur bestimmten Lebensmitteln zugesetzt werden.
- Steviolglycoside werden aus den Blättern der Stevia-Pflanze gewonnen.
- Das reine Steviakraut darf nicht als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden.
Aus Stevia-Blättern extrahierte Steviolglycoside wurden erstmals im Dezember 2011 als Süßungsmittel für diverse Lebensmittel erlaubt. Seither wurden weitere, aus Stevia-Blättern extrahierte und teils enzymatisch oder chemisch veränderte Steviolglycoside als Süßungsmittel zugelassen. Dabei handelt es sich um drei verschiedene Stoffgruppen:
- Steviolglycoside aus Stevia (E 960a),
- enzymatisch hergestellte Steviolglycoside (Rebaudiosid M, E 960c) und
- glycolysidierte Steviolglycoside (E 960d).
Das reine Kraut der Pflanze darf jedoch nicht als Lebensmittel vertrieben werden, denn Stevia gilt als zulassungspflichtiges neuartiges Lebensmittel (Novel Food). Eine solche Zulassung hat Steviakraut aber nicht. Doch es gilt eine Ausnahme: Zur Herstellung wässriger Auszüge, die dann als Zutat in Kräuter- und Früchtetees verwendet werden, dürfen die Blätter der Stevia-Pflanze genutzt werden. Das gilt aber nur für den Einsatz in Teegetränken, nicht jedoch für andere Lebensmittel, etwa Fruchtaufstriche oder Erfrischungsgetränke, die keine Teebestandteile enthalten. Das ergibt sich aus dem Novel-Food-Katalog der EU-Kommission, der Orientierung bietet, aber rechtlich nicht verbindlich ist. Gibt es jedoch keinerlei konkrete Anhaltspunkte darüber, ob ein Lebensmittel neuartig ist oder nicht, richtet sich die Praxis oft nach den dort dokumentierten Bewertungen.
Steviakraut und Steviaextrakt sind nicht das gleiche
Verschiedene Vertreter der Steviolglycoside sind unter den Nummern E 960a, E 960c und E 960d als Süßungsmittel für diverse Lebensmittel erlaubt. Sie werden über ein aufwendiges Extraktionsverfahren aus den Blättern der Stevia-Pflanze gewonnen und anschließend teils noch enzymatisch oder chemisch weiterverarbeitet. Für alle als Süßungsmittel zugelassenen Steviolglycoside gibt es gesetzlich definierte Reinheitsanforderungen, die erfüllt sein müssen, wenn sie einem Lebensmittel zugesetzt werden sollen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass das Süßungsmittel immer die gleichen chemischen Bestandteile enthält. Das vereinfacht auch die Bewertung ihrer Sicherheit. Demgegenüber handelt es sich bei Steviakraut um ein natürliches Produkt, das eine komplexere Zusammensetzung aufweist, die je nach Sorte und Anbaugebiet schwankt. Die Sicherheitsbewertung solch komplexer Stoffgemische ist schwierig. Und da Steviakraut hierzulande keine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel hat, gilt es als Novel Food, das nicht ohne vorherige Sicherheitsprüfung und Zulassung auf den Markt darf.
Zuckerersatz mit Grenzen
In vielen Supermärkten gibt es mittlerweile eine Reihe von Lebensmitteln, die mit Steviolglycosiden gesüßt sind, darunter Erfrischungsgetränke wie Cola und Eistee, Tafelsüßen sowie Süßwaren, etwa Schokolade oder Lakritze. Auch einige mit Steviolglycosiden gesüßte Milcherzeugnisse und Fruchtaufstriche finden sich im Angebot. Es lohnt sich jedoch immer, die Zutatenliste vollständig zu lesen und auch einen Blick auf die Nährwerttabelle zu werfen. Denn oft finden sich neben den Steviolglycosiden noch andere Süßungsmittel und teils auch noch Zucker oder süßende Lebensmittel in den Produkten. Das liegt unter anderem an den gesetzlich festgelegten Höchstmengen der Steviolglycoside. Außerdem verleiht Zucker vielen Lebensmitteln nicht allein die Süße, sondern auch Volumen und Struktur. Vor allem das Volumen fehlt, wenn Süßungsmittel verwendet werden, so auch bei den Steviolglycosiden. Auch aus geschmacklichen Gründen sind dem Zusatz von Steviolglycosiden Grenzen gesetzt, da sie in höheren Dosen einen bitteren Beigeschmack aufweisen können.
Steviakraut – zwischen Zulassungspflicht und grauem Markt
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Steviakraut gilt als Novel Food. Lediglich zur Herstellung wässriger Auszüge, die dann als Zutat in Kräuter- und Früchtetees verwendet werden, dürfen die Blätter der Stevia-Pflanze verwendet werden. Dies gilt aber nur für ihren Einsatz in Teegetränken, nicht jedoch in anderen Lebensmitteln, etwa Fruchtaufstrichen oder Erfrischungsgetränken, die keine Teebestandteile enthalten.
Für reines Steviakraut gilt: Ohne Zulassung darf Steviakraut nicht als Lebensmittel vertrieben werden. Schon 2000 lehnte die EU-Kommission einen Zulassungsantrag ab, da sich nach den damals vorgelegten Studien eine schädigende Wirkung auf die männliche Fruchtbarkeit und das Erbgut nicht ausschließen ließen. Ein erneuter Antrag liegt seit 2007 vor. Über ihn ist noch immer nicht entschieden, denn nach wie vor fehlt der Nachweis über die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Steviakrauts.
Dass Steviakraut nicht als Lebensmittel vertrieben werden darf, hindert manche Händlerinnen und Händler nicht daran, trotzdem das Geschäft mit der „Süße aus der Natur“ zu versuchen. Bevorzugt über das Internet, aber auch in den Reformhäusern oder kleinen Naturkostläden werden die Samen oder ganze Stevia-Pflanzen im Topf, getrocknetes Steviakraut, Flüssigextrakte oder kleine, als „Stevia“ bezeichnete Tabletten, die an Süßstofftabs erinnern, angeboten.
Weitere Informationen zu Stevia
Wie werden Steviolglykoside hergestellt?
Das Extraktionsverfahren für Steviolglycoside ist sehr aufwendig und lässt mehr an Chemie als an „natürliche Süße“ denken: Getrocknete Steviablätter werden mit Wasser oder Alkohol versetzt, die herausgelösten Stoffe mit Salzen ausgefällt und mit speziellen Harzen entfärbt. Es folgt eine Entsalzung und eine Kristallisation aus alkoholischer Lösung. Der letzte Schritt wird so oft wiederholt, bis die Steviolglycoside in ausreichender Reinheit vorliegen – mindestens 95 Prozent bezogen auf die Trockensubstanz des weißen, pulvrigen Endproduktes. Zur Herstellung enzymatisch hergestellte Steviolglycoside (Rebaudiosid M, E 960c) folgt noch eine Biokonversion des gereinigten Steviablattextraktes durch einen aus mehreren Schritten bestehenden enzymatischen Prozess. Das daraus resultierende Rebaudiosid M wird einer Reihe von Reinigungs- und Isolierungsschritten unterzogen, um das endgültige Rebaudiosid M (≥ 95 %) herzustellen. Glycosylierte Steviolglycoside (E 960d) werden durch enzymatische Biokonversion mittels Cyclomaltodextrin- Glucanotransferase hergestellt.
Um was handelt es sich bei Stevia?
Stevia, eigentlich Stevia rebaudiana, ist eine blattreiche, krautige Pflanze, die ursprünglich aus dem Grenzgebiet zwischen Brasilien und Paraguay stammt. Heute wird sie überwiegend in China angebaut. Ihre Blätter enthalten verschiedene süß schmeckende Verbindungen, die Steviolglycoside. Dazu zählen Steviosid und Rebaudiosid A. Steviolglycoside haben verglichen mit Haushaltszucker eine enorme Süßkraft, mit Ausnahme des Rebaudiosids A in höheren Dosierungen allerdings auch einen bitteren, lakritzähnlichen Beigeschmack. Im Unterschied zu Zucker liefern Steviolglycoside weder Kalorien, noch fördern sie Karies. Das macht die süßenden Stoffe für Lebensmittelhersteller und Verbraucherinnen gleichermaßen interessant.
Stevia ist die Kurzform der Begriffe Steviakraut beziehungsweise Stevia-Pflanze. Das ist begrifflich nicht dasselbe wie die Steviolglycoside - auch, wenn auf manch einem steviolglycosidhaltigen Lebensmittel ebenfalls die Kurzform "Stevia" auf dem Etikett steht. Tatsächlich enthalten diese Produkte in der Regel nicht Steviakraut, sondern Steviolglycoside, also einen Extrakt der Pflanze mit definierter Zusammensetzung.
Lässt sich Zucker einfach durch Steviolglycoside ersetzen?
Neben seiner Süßkraft trägt Zucker in Lebensmitteln auch zu deren Volumen und Struktur bei. Daher lässt sich Zucker etwa beim Backen nicht ohne weiteres durch Steviolglycoside ersetzen – ganz abgesehen davon, dass diese für den Einsatz in Backwaren, mit Ausnahme von Backoblaten, nicht erlaubt sind. Wer aber beispielsweise zu Hause versuchen möchte, mit Hilfe einer Steviolglycosid-Tafelsüße einen Kuchen zu backen, muss das Rezept anpassen. Denkbar ist es, mit Haferflocken oder auch gemahlenen Nüssen die fehlende Masse des Zuckers auszugleichen. Ob das Ergebnis überzeugt, ist Geschmackssache. Zumal ohne Zucker die für viele Backwaren typische Bräunungsreaktion nicht ablaufen kann und auch die Kruste sich deutlich schwächer ausbildet. In anderen Fällen, etwa bei Getränken, lässt sich Zucker relativ problemlos durch Steviolglycoside ersetzen, sofern die leicht bittere Note der Süße das Getränk geschmacklich nicht beeinträchtigt. Steviolglycoside sind gut wasserlöslich und auch hitzestabil, so dass auch bei einer Pasteurisierung der Getränke keine Einbußen in ihrer Süßkraft zu erwarten sind.
Sind Steviolglykoside gesundheitlich unbedenklich?
Steviolglycoside mussten ein Zulassungsverfahren durchlaufen – als Zusatzstoff, genauer als Süßungsmittel. Dafür prüfte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), unter welchen Bedingungen Steviolglycoside ohne Risiko für die Gesundheit sind. Nach der EFSA-Stellungnahme vom Januar 2011 gelten bis zu 4 mg Steviolglycoside pro kg Körpergewicht bei täglichem Verzehr als gesundheitlich unbedenklich. Diese Menge kann ein Mensch sein Leben lang täglich aufnehmen, ohne dass ein gesundheitliches Risiko erwartet wird (ADI-Wert). Gemeinsam mit Daten zu üblichen Verzehrsmengen wurden daraus Höchstmengen für einzelne Lebensmittelgruppen errechnet. Diese Höchstmengen sind im europäischen Zusatzstoffrecht (VO (EG) Nr. 1333/2008) gesetzlich festgeschrieben und dürfen nicht überschritten werden.
Ein Problem gibt es aber, darauf weist auch die EFSA hin: Jeder Mensch is(s)t anders. Wer zum Beispiel nur noch Limonade trinkt, die mit Steviolglycosiden gesüßt ist, kann möglicherweise zu große Mengen des neuen Süßungsmittels aufnehmen. Besonders bei Kindern könnte das aufgrund ihres geringeren Körpergewichts leicht passieren.
Dürfen Stevia-Produkte mit dem Hinweis "natürlicher" Herkunft beworben werden?
Der Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Bundesländer und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ALS) hat sich mit der Frage befasst, ob Hinweise auf die natürliche Herkunft des Zusatzstoffes zulässig sind. Laut seines Beschlusses Nr. 2019/22 gibt es einen Unterschied zwischen dem Süßungsmittel Steviolglycosid und dem natürlichen Stoffgemisch, das in der Stevia-Pflanze vorkommt. Steviolglycoside sind also nicht natürlich. Möglich ist nach Meinung des ALS aber beispielsweise der Hinweis „Steviolglycoside aus pflanzlicher Quelle“. Prominente bildliche Darstellungen oder Symbole der Steviapflanze oder des Steviablattes sind nach Ansicht des ALS irreführend, wenn ein Hinweis auf die Süßung durch den Zusatzstoff Steviolglycoside nicht mit vergleichbarem Auffälligkeitsgrad in unmittelbarer Nähe dazu angebracht ist.
Sind Steviolglycoside auch für Bio-Lebensmittel erlaubt?
Steviolglycoside dürfen in Bio-Lebensmitteln nicht verwendet werden, denn ihre Zulassung als Süßungsmittel bezieht sich nur auf bestimmte konventionell hergestellte Produkte. Für Bio-Lebensmittel gelten spezifische EU-Vorschriften. Nach diesen dürfen zwar bestimmte Zusatzstoffe, darunter einige Säuerungsmittel, Emulgatoren und Verdickungsmitteln, auch in Bio-Produkten eingesetzt werden. Nicht aber Süßungsmittel, mit Ausnahme des Zuckeralkohols Erythrit.
Warum ist die Sicherheitsbewertung von Steviakraut so schwierig?
Insbesondere die komplexe Zusammensetzung des Steviakrautes bleibt ein schwieriges Thema bei der gesundheitlichen Bewertung der Sicherheit. Es fehlen umfangreiche Studien zur Wirkung ganzer Steviablätter. Denn die in den Studien untersuchten Stevioside machen nur rund 20 % der Blatttrockenmasse aus. Häufig wurden sie sehr unterschiedlich aufgereinigt.
Auch je nach Standort, Zuchtlinie und Wachstumsbedingungen unterscheiden sich die Pflanzen in Aussehen und Inhaltsstoffen erheblich. Was für Gewächshauspflanzen aus Belgien gilt, muss daher nicht notwendigerweise auf Freilandexemplare aus Paraguay beziehungsweise China zutreffen. Dies können Gründe für die teilweise widersprüchlichen Ergebnisse in identisch angelegten Studien sein. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Untersuchungen über die Verträglichkeit von Steviosiden schon in den 70er- und 80er-Jahren in Japan und Korea erfolgten, und nur kurze Zusammenfassungen auf Englisch vorliegen. Ethnische Faktoren der Studienteilnehmer können ebenfalls eine Rolle spielen.