Eine nachhaltige Ernährung ist möglich. Damit das gelingt, brauchen wir nicht nur eine Anpassung der Ernährungsempfehlungen, sondern auch eine gemeinsame positive Vision und ein Monitoring, das uns zeigt, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Das waren Schlüsselbotschaften der Nachhaltigkeitskonferenz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Oktober 2019. Unter dem Titel „Und was gibt’s morgen? Strategien für eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung“ diskutierten Vertreter*innen aus dem Bereich Lebensmittelerzeugung und Landwirtschaft, aus Kommunen und Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Umweltschutz wie eine zukunftsfähige Ernährungsversorgung gelingen könnte.
Es brauche Innovationskraft und Ausdauer, eine „das muss doch gehen“-Energie, und immer wieder den Impuls „Das schaffen wir doch!“, sagte Prof. Dr. Maja Göpel, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), in ihrer Keynote.
Wie kann die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft gelingen?
„Ein bisschen weniger schnell Richtung Rot fahren reicht nicht mehr, wenn wir das Ökosystem Erde retten wollen.“, sagte Prof. Dr. Maja Göpel in ihrem Vortrag. Die Wissenschaftlerin machte keinen Hehl daraus, dass Umweltrisiken aktuell zu den weltweit größten Bedrohungen der Menschheit zählen. Es sei nicht mehr fraglich, sondern offensichtlich, dass wir einen gesellschaftlichen Wandel brauchen. Ihrer Meinung nach führt der Weg zu einer Gesellschaftstransformation in Richtung Nachhaltigkeit über positive Leitbilder und muss prozessorientiert angelegt werden. Es reiche nicht aus, immer neue Ziele und Maßnahmen zu definieren, meint Göpel. Wir müssten sie ernst nehmen und beobachten, was warum und wie wirkt oder auch nicht. Das Management der Veränderungsprozesse sei zentral, um zu erkennen, ob wir auf dem richtigen Weg sind – oder ob nachjustiert werden muss. Dieser prozessorientierte Ansatz fehle bislang in der Nachhaltigkeitsstrategie. Göpel sprach von einer „Black Box“.
Bei ihren Überlegungen geht es Prof. Dr. Maja Göpel nicht um Konsumgewohnheiten einzelner Menschen, sondern um einen systemischen Ansatz. Sie forderte die Zuhörerinnen und Zuhörer auf, sich ehrlich zu fragen: Welche Anreizsysteme und welche Rahmenbedingungen haben uns in die gegenwärtige Situation geführt? Und welche brauchen wir heute, um unser Ökosystem zu stabilisieren? „Wir sollten auch von Pionieren lernen, von den Vorreitern in Sachen Nachhaltigkeit, und herausfinden, was sie brauchen, um aus der Nische heraus zu kommen.“, so Göpel.
Ernährung in den planetaren Grenzen – Wie ist dies möglich?
Dr. Brent Loken, Director of Science Translation der EAT Foundation stellte erstmals in Deutschland die Planetary Diet vor. EAT ist eine globale Nichtregierungsorganisation (NGO) mit Sitz in Norwegen, die von der Stordalen Stiftung, dem Stockholm Resilience Centre und dem Wellcome Trust gegründet wurde, um eine Ernährungswende zu beschleunigen. In Kooperation mit „The Lancet“, einer der führenden medizinischen Fachzeitschriften hatte die EAT-Lancet-Kommission im Februar 2019 unter Mitwirkung von fast 40 Wissenschaftlern den Bericht "Food in the Anthropocene: the EAT-Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems" veröffentlicht. Der Bericht zeigt, dass es möglich ist, die Weltbevölkerung gesund und ausgewogen zu ernähren und gleichzeitig die Belastungsgrenzen unserer Erde bei der Lebensmittelerzeugung nicht zu überschreiten.
Planetary Health Diet
Mehr zum Report der EAT-Lancet-Kommission und zur Planetary Health Diet erfahren Sie auch in unserem Artikel Planetary Health Diet: Speiseplan für eine gesunde und nachhaltige Ernährung
"Wir können tatsächlich für 10 Milliarden Menschen Lebensmittel erzeugen und gleichzeitig die Grenzen der Erde wahren.", sagte Brent Loken, als er erstmals die Ergebnisse der EAT-Lancet-Kommission in Deutschland präsentierte. In seinem Vortrag "Healthy Diets from Sustainable Food Systems – The Science is Clear" unterstrich Loken, dass die wichtigste Veränderung, um das Klima zu schützen, auf unserem Teller stattfinden muss: Die Reduktion des Fleischkonsums.
Ausgewogen essen aus nachhaltiger Erzeugung
Laut den Ergebnissen der EAT-Lancet-Kommission ist klar: Eine gesunderhaltende und gleichzeitig nachhaltig erzeugte Ernährung für alle Menschen dieser Erde ist möglich. Aber wie sieht diese aus? Die Planetary Health Diet setzt auf viel Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse, dazu gelegentlich ein Stück Fleisch und Fisch. Ein Konzept, das kulinarische Abwechslung garantiert – das konnten Spitzenköche bereits zeigen. Landen mehr Hülsenfrüchte auf unseren Tellern statt Fleisch, dann bringt das ganz automatisch weitere Effekte in Sachen Klimaschutz und Landnutzung.
Die zweitwichtigste Maßnahme betrifft die landwirtschaftliche Produktion. Sie muss CO2-Emissionen absorbieren, statt sie zu emittieren, sagt Brent Loken. Und an dritter Stelle steht die Halbierung des Lebensmittelabfalls. Alle drei Maßnahmen zusammengenommen zeigen den größten Effekt im Hinblick auf die ernährungsbedingten Emissionen – so könnten wir sogar wieder in den „grünen Bereich“ kommen.
Aber nicht nur das Klima ist belastet: Durch unser globales Ernährungssystem sind auch die Landnutzung, die biologische Vielfalt und die Phosphor- und Stickstoffkreisläufe aus dem Ruder gelaufen. Eine Ernährungsumstellung auf dem Teller bringt hier allein nicht den größten Effekt. An erster Stelle muss die Lebensmittelverschwendung drastisch reduziert werden, und die Produktionspraktiken müssen sehr ambitioniert verbessert werden. Es zeigt sich: Die Probleme können nur gelöst werden, wenn alle Akteure ihren Beitrag leisten. Nicht umsonst sprachen die Autoren des EAT-Lancet-Reports vom Jahrhundert der großen Ernährungstransformation.
Impulse für nachhaltige Ernährungsempfehlungen in Deutschland
In seinem Vortrag zeigte Brent Loken auch erstmals vorläufige Abschätzungen zum deutschen Speiseplan. Dabei wurde sehr deutlich, wie wichtig auch in Deutschland eine Fleischreduktion ist. Prof. Dr. Bernhard Watzl, Vizepräsident der DGE arbeitete in seinem Vortrag heraus, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es bei den nationalen Ernährungsempfehlungen mit Blick auf die Kernergebnisse des EAT-Lancet-Reports bzw. der "Planetary Health Diet" gibt.
Eine ökologisch verträgliche – nachhaltige – Ernährung sei bereits seit 2011 ein wichtiges Thema für die DGE, betonte Bernhard Watzl in seinem Vortrag. Zu den Übereinstimmungen bei den Ernährungsempfehlungen gehören der hohe Anteil an Obst und Gemüse und ein relativ geringer Anteil tierischer Lebensmittel. Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Co., die eine große Rolle in der "Planetary Health Diet" spielen, sind dagegen in den DGE-Empfehlungen derzeit nicht sichtbar. „Die Hülsenfrüchte sind aktuell noch in die Warengruppe Gemüse integriert. Das wollen wir in Kürze ändern, weil das nicht mehr zeitgemäß ist,“ sagte Watzl.
Ähnlich verhält es sich mit den Nüssen: Die Empfehlungen der "Planetary Health Diet" sehen 50 Gramm Nüsse pro Tag vor. In den DGE-Regeln finden sich derzeit keine eigenen Empfehlungen zum Verzehr von Nüssen, weil sie dem Obst zugeordnet sind „Auch hier stehen Änderungen an“, sagte Bernhard Watzl. Der Wissenschaftler begründete die geplante Überarbeitung mit dem Ziel, mit den DGE-Empfehlungen noch deutlicher die Gesunderhaltung der Menschen und der Erde unterstützen zu wollen.
Im Hinblick auf den Milchkonsum in Deutschland gab es auf der Nachhaltigkeitskonferenz Diskussionsbedarf. Denn im Report der EAT-Lancet-Kommission schnitten die Deutschen nicht so gut ab. Zugrunde lagen Daten der Welternährungsorganisation FAO zur Milchproduktion in Deutschland. Die Daten aus der Nationalen Verzehrstudie II (NVS II) zeigen hingegen, dass der Milchverzehr der Deutschen sowohl im Rahmen der Empfehlungen der "Planetary Health Diet" als auch innerhalb der DGE-Empfehlungen liegt. "Die Diskussion hat gerade begonnen und geht genau in die richtige Richtung.", meinte Watzl.
Die Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes mit Leben füllen
Die Bundesregierung hat sich zur Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen bekannt und fördert im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie bereits viele zukunftsfähige Lösungen. Mit der Nachhaltigkeitskonferenz wollte das Ministerium einen Raum schaffen, um unterschiedliche Akteur*innen in den Austausch und zu bringen. In vier Foren diskutierten die Teilnehmenden über eine Ernährung in planetarischen Grenzen, über Futtermittel aus Soja und Palmöl ohne Waldrodung, Ökolandbau als Motor für Nachhaltige Entwicklung sowie Boden und Klimaschutz. „Nachhaltigkeit ist eine Daueraufgabe“, sagte die Ministerin. Dazu gehört, dass unsere Landwirtschaft ressourcenschonender wird und dass wir unsere Ernährung verantwortungsvoller gestalten. Diese Aufgabe können wir nur gemeinsam erfüllen, sagte sie in ihrer Rede.