- Seit dem 1. Januar 2022 darf in deutschen Brütereien kein Küken mehr wegen seines Geschlechts getötet werden.
- Stattdessen erfolgt oft bereits im Brut-Ei eine Geschlechtsbestimmung. Im anderen Fall werden die „Bruderhähne“ mit aufgezogen.
- Langfristiges Ziel der Ökobranche ist die Umstellung auf Zweinutzungsrassen, die sich als Legehennen und Masthähnchen eignen.
Bis 2021 wurden in Deutschland Jahr für Jahr etwa 45 Millionen männliche Küken getötet. Der Grund: Die Küken stammten von Legehennen, die speziell auf Legeleistung gezüchtet werden. Die Brüder solcher „Hochleistungshennen“ fressen genauso viel, legen aber weder Eier noch setzen sie schnell und viel Fleisch an. Sie sind also unrentabel. Daher wurden die männlichen Küken kurz nach dem Schlüpfen getötet und zu Tierfutter verarbeitet.
Infos zur Gesetzesänderung vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
Diese Praxis ist heute in Deutschland verboten: Seit dem 1. Januar 2022 gilt ein Gesetz, nach dem kein Küken mehr wegen seines Geschlechts getötet werden darf. Stattdessen erfolgt eine frühe Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei. Wird dieses Verfahren nicht angewendet wird, werden die männlichen Küken als Bruderhähne aufgezogen. Eine dritte Alternative ist die Züchtung von Rassen, die beides können: Eier legen und Fleisch ansetzen.
Können wir nun mit gutem Gewissen Eier essen? Wir erläutern Ihnen den aktuellen Stand und geben Tipps für den Einkauf von Eiern und Hähnchenfleisch.
Technischer Fortschritt: Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei
Eine Lösung des Problems liegt in der "Aussortierung" von Eiern mit männlichen Küken-Embryonen in den ersten Tagen ihrer Entwicklung. Die Küken werden also gar nicht erst ausgebrütet. Wie sich dies technisch umsetzen lässt, wird seit einigen Jahren intensiv erforscht.
Derzeit gibt es verschiedene Verfahren, mit denen sich das Geschlecht bereits im Brut-Ei herausfinden lässt (= "In-ovo-Geschlechtsbestimmung"). Nicht alle sind bereits in großem Stil im Einsatz. Im Prinzip lassen sich zwei Typen unterscheiden:
- Bei flüssigkeitsbasierten Verfahren wird jedem Ei eine winzige Menge Flüssigkeit entnommen und untersucht. Eines davon ist das endokrinologische Verfahren: Nach neun Tagen Bebrütung wird ein Tropfen Harn des Embryos analysiert. Enthält er ein bestimmtes Hormon, ist der Embryo weiblich; wenn nicht, ist er männlich.
- Weitere Forschungsansätze arbeiten mit optischen Methoden. So werden die Eier beim spektroskopischen Verfahren etwa vier Tage lang bebrütet und dann mit einem speziellen Lichtstrahl durchleuchtet. Das Geschlecht lässt sich durch Analyse des reflektierten Lichts bestimmen. Ein anderes, bereits marktreifes Verfahren kann am 13. Brut-Tag anhand der ersten Federn das Geschlecht bei Rassen bestimmen, die braune Eier legen.
Bei Eiern mit männlichen Embryonen beendet dann eine kurze Schockfrostung die Bebrütung. Die Eier werden zu proteinreichem Tierfutter verarbeitet. Aus Eiern mit weiblichen Embryonen schlüpfen nach insgesamt 21 Tagen Küken, die zu Legehennen heranwachsen.
Wie sieht es bei Bio aus?
Laut EU-Bio-Verordnung ist die Geschlechtsbestimmung im Ei auch für Bio-Eier erlaubt. Öko-Anbauverbände wie Demeter, Bioland oder Naturland lehnen die Geschlechtsbestimmung im Ei aber ab. Sie halten sie nicht mit den Grundsätzen einer ökologischen Erzeugung vereinbar. Manche sehen darin lediglich eine vorgezogene Kükentötung im Ei und eine Zementierung der Abhängigkeit von großen Konzernen. Die Bio-Anbauverbände engagieren sich daher für ein Umdenken, bei dem die Erzeugung von Eiern und Geflügelfleisch als Einheit betrachtet und nicht nur das Zuchtziel "Höchstleistung Eierlegen“ verfolgt wird.
Die "Brüder" aufziehen - eine Übergangslösung
Den Wert der Hähne hat die Brudertier Initiative Deutschland (BID) schon lange fest im Blick. „Bruderhähne“ sind die männlichen Geschwister der Legehennen. Die BID setzt sich dafür ein, dass die Bruderhähne als Masthähnchen aufgezogen werden – und zwar in ökologischer Haltung. Die Mehrkosten dieser Aufzucht werden gegenfinanziert durch einen Aufpreis von 2 bis 4 Cent pro Ei. So subventionieren also die Eier der Hühner die bisher nicht wirtschaftliche Aufzucht der Hähne.
Neben der BID gibt es heute viele andere Initiativen aus der Bio- und Naturkostbranche, die sich für die Aufzucht männlicher Küken einsetzen. Und auch die ersten Großen des deutschen Einzelhandels haben nachgezogen: So gibt es zum Beispiel bei Rewe „Spitz & Bube“-Eier aus Boden- oder Freilandhaltung und in manchen Märkten auch Bruderhahneier in Bioqualität. Als erster Discounter war Penny mit der Eiermarke "Herzbube" aus konventioneller Erzeugung am Markt. Aldi-Süd zieht für alle Bio-Eier die Bruderhähne mit auf.
Zweinutzungshuhn - das Ökohuhn der Zukunft
Neben der Aufzucht männlicher Küken von Legehennen setzt die Ökobranche langfristig auf die Züchtung von Zweinutzungshühnern. Das sind Hühner, die sowohl genügend viele Eier legen können als auch Fleisch ansetzen. Langfristig sollen solche Hühnerrassen in der Bio-Geflügelhaltung zur Regel werden. Bislang lassen sich deren Eier und Fleisch allerdings als „Bio-Premiumprodukte“ nur schwer im großen Stil vermarkten. Allenfalls Feinschmecker und die gehobene Gastronomie wissen das delikate Hähnchenfleisch zu schätzen. Marktexperten fordern daher gemeinsame Anstrengungen von Bio-Handel, Anbauverbänden und Politik, um die Umstellung auf Zweinutzungshühner voranzutreiben.
Zweinutzungsrassen legen 1/3 weniger Eier
Zweinutzungsrassen gab es früher fast auf jedem Hof. Moderne Legehennen haben wenig mit ihnen gemeinsam. Sie wurden so gezüchtet, dass sie möglichst viele Eier legen: heute mehr als 340 Eier pro Jahr. Zum Vergleich: 1950 legte eine Henne gerade mal 120 Eier im Jahr.
Die heutigen Zweinutzungsrassen schaffen deutlich mehr: die Rasse Les Bleues 180 bis 200 Eier, neuere Zuchtlinien alter Rassen bis zu 230 Eier. Diese geringere Legeleistung geht mit einer guten Eignung der männlichen Tiere als Fleischlieferanten einher. Deren Schlachtgewicht beträgt je nach Alter und Rasse zwischen 1,5 und 3 Kilogramm.
Bruderhahn oder Zweinutzungshuhn – was ist der Unterschied?
Weil die Aufzucht männlicher Küken von spezialisierten Legerassen nicht wirtschaftlich ist, wurden diese in der Regel direkt nach dem Schlupf getötet. Seit dem 1. Januar 2022 ist das Kükentöten in Deutschland verboten. Mittels technischer Lösungen kann das Geschlecht im Ei bestimmt werden, sodass die männlichen Embryos getötet werden. Immer mehr Bio-Betriebe ziehen aber auch die männlichen Küken als sogenannte Bruderhähne auf. Langfristig sollte jedoch der Einsatz von Zweinutzungshühnern das Ziel sein. Was diese Rassen ausmacht, finden Paula und Felipe im Video heraus!
Mehr Durchblick auf dem Eierkarton
Noch kann man sich trotz des neuen Gesetzes nicht 100prozentig darauf verlassen, dass jedes Ei auf dem deutschen Markt ohne Kükentöten produziert wurde. Denn das Gesetz gilt nur für deutsche Brütereien. Es könnten aber Eier verkauft werden, die von Legehennen stammen, die im Ausland geschlüpft sind, aber in Deutschland im Stall stehen.
Wer sichergehen möchte, greift zu Eiern mit dem KAT-Siegel. Die Vorgaben des „Vereins für kontrollierte Tierhaltungsformen e. V. (KAT)“ zur Vermeidung des Kükentötens gelten auch für ausländische Betriebe, die am KAT-System teilnehmen.
Der Aufdruck "ohne Kükentöten" verrät nicht auf den ersten Blick, welche Methode dahinter steckt. Die Verbraucherzentralen fordern daher eine eindeutige Kennzeichnung auf der Verpackung, wie das Kükentöten jeweils verhindert wurde. Bis dahin bleibt Verbraucherinnen und Verbrauchern nur die Möglichkeit, sich selber genauer durch telefonische Nachfrage oder eine Recherche im Internet zu informieren.