- Der Künstler und gelernte Gärtner Karsten Winnemuth schuf im Jahr 2004 in Kassel eine Versuchsfläche für zukunftsträchtige Nutzpflanzen.
- Aus dem Projekt wurde im Jahr 2009 der Verein „Essbare Stadt e. V.“. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, 1.100 Fruchtgehölze in ganz Kassel zu pflanzen, er unterhält einen Gemeinschaftsgarten, pflegt Streuobstwiesen und veranstaltet u. a. solidarische Kochevents.
- Mittlerweile nutzt die Stadt Kassel das Potential der Projektidee offensiv, um sich als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit zu profilieren: Anlässlich der 1.100-Jahr-Feier war der Verein „Essbare Stadt“ offizielles Jubiläumsprojekt.
Aus Liebe zum Grün, alten Pflanzenarten und gutem Essen errichtete der Künstler und gelernte Gärtner Karsten Winnemuth im Jahr 2004 in Kassel eine Versuchsfläche für zukunftsträchtige Nutzpflanzen. Am ehemaligen Trafo-Haus am Lutherplatz pflanzte er Nutz- und Heilpflanzen wie Yams, Erdmandeln oder Pfirsiche, und schuf eine Plattform für Künstler und Kultivierungsexperimente in der Stadt. Aus dem Projekt wurde im Jahr 2009 der Verein „Essbare Stadt e. V.“, ein Kreativlabor für eine neue Bürgerkultur.
Die Stadt Kassel beäugte das Treiben erst einmal misstrauisch, die Pfirsichpflanzung war nicht amtlich genehmigt. Ganz anders schon im Jahr 2013: Anlässlich der 1.100-Jahr-Feier in Kassel war der Verein „Essbare StadtV offizielles Jubiläumsprojekt. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, 1.100 Fruchtgehölze in ganz Kassel zu pflanzen, sie unterhält einen Gemeinschaftsgarten, pflegt Streuobstwiesen und veranstaltet solidarische Kochevents.
Bei solchen Engagements ist es wichtig, die politischen Gremien mit einzubinden, sagt Karsten Winnemuth. „Die Ortsvorsteher sind von unseren Pflanzaktionen begeistert. Die Bewässerung wird möglichst mittels Baumpatenschaften von Anwohnern organisiert, manchmal hilft auch die Feuerwehr“. Es stellt sich aber auch die Frage, ob es auf Dauer zu leisten ist, solche gesellschaftlich erwünschten Projekte ehrenamtlich zu managen, meint Winnemuth.
Wie kann man die Verbindung schaffen zwischen Ehrenamt und Behörden? Und wie kann es gelingen aus selbstorganisierten Projekten, die dem Gemeinwohl dienen, auch eine wirtschaftliche Basis für die Organisatoren zu schaffen? Hier ist wohl viel Engagement und Ausdauer nötig.
Studien zur kooperativen Stadtgestaltung
Forschungsprojekt „Essbare Städte“ des IÖR
In einem Forschungsprojekt hat das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) anhand von drei Fallstudien untersucht, inwieweit essbare Städte einen Beitrag zur sozio-räumlichen und sozio-ökologischen Nachhaltigkeitstransformation leisten können. Eine Befragung von Nutzerinnen und Nutzern der Münchner Krautgärten zeigte beispielsweise, dass der Krautgarten die Ortsverbundenheit und die kooperative Stadtgestaltung in München stärkt. „Die Krautgärten sind wichtige Bausteine einer essbaren und grünen Stadt. Gerade wenn Städte notwendigerweise immer weiter verdichtet werden, ist es deshalb wichtig, diese grünen multifunktionalen Oasen der Selbstversorgung zu schützen und in die Stadtentwicklung zu integrieren.“, erläutert Dr. Martina Artmann, Projektleiterin im IÖR.
Studie „Die neuen Gartenstädte“
Die Ergebnisse der Studie fließen nun in das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Folgeprojekt „Zukunftsstadt Dresden 2030+“ ein und werden wissenschaftlich in die Praxis umgesetzt. Hier testen die Wissenschaftler dann, inwieweit Bürgerinnen und Bürger im Rahmen einer kooperativen Stadtgestaltung zusammen mit der Stadtverwaltung unterschiedliche Bausteine einer essbaren und grünen Stadt umsetzen können.
Die neuen Gartenstädte
Bereits im Jahr 2014 hat die Dokumentarfilmerin Ella von der Haide („Eine andere Welt ist pflanzbar!“) die Studie „Die neuen Gartenstädte“ zu Kooperationsmöglichkeiten zwischen Kommunen und Gemeinschaftsgärten veröffentlicht. Die 34 Best-Practice-Beispiele aus verschiedenen Ländern sollen Kommunen einen Werkzeugkasten an die Hand geben, um Ideen für gemeinsame Strategien mit den Initiativen zu entwickeln.
Sozialer Mehrwert des urbanen Gartenbaus
Urbane Gartenbau-Projekte erbringen bedeutende Leistungen im informellen Bildungsbereich. Sie sorgen dafür, dass agrarkulturelles Wissen wieder wert geschätzt wird und ermöglichen den Naturzugang für Bevölkerungsschichten, die wenig Platz haben.
Gärtnern als „grüne Sprache“ der Völker und für eine neue Esskultur
In Deutschland gibt es etwa 150 interkulturelle Gärten. An diesen Orten können Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte Obst und Gemüse anbauen, tauschen und gemeinsam feiern. Hier geht es ums Ankommen und Wiederverwurzeln. Menschen ohne Zugang zu Bildung und Ressourcen können etwas erwirtschaften und die Ökonomie des Schenkens praktizieren.
Zur „grünen Sprache“ der Völker gehört aber nicht nur die Kultur des Gärtnerns, sondern auch eine neue Esskultur: Man trifft sich bei Mitbringbüfetts, in der Vokü (Volksküche) oder beim demonstrativen Tafeln auf dem Bürgersteig. Beliebt sind kulinarische Veranstaltungsreihen mit kreativen Menüs aus Selbstgezogenem. Dabei wird eine neue Form der Esskultur zelebriert, die für Genuss und Lebenskunst steht, fernab von Feinschmeckerlokalen und Gourmet-Tempeln.