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(BZfE) – Wir brauchen gute Ernährungsumgebungen und müssen die Entwicklung eines gesunden und nachhaltigeren Ernährungssystems vorantreiben. Das sind die beiden wichtigsten Erkenntnisse aus dem 5. BZfE-Forum „Herausforderungen meistern - Zukunft gestalten. Essen zwischen gestern und morgen“. Sie geben Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit, die mit der Erzeugung und dem Konsum von Lebensmitteln zusammenhängen: Klimawandel und Hunger auf der einen Seite, Überernährung und Überforderung durch Überfluss auf der anderen.

Wer diese Herausforderungen als Krise im konstruktiven Sinne versteht, schöpft daraus die nötige Motivation für Wandel. Die stecke auch in der Übersetzung aus dem Griechischen, nämlich „entscheidende Wende“, erläuterte der Kulturwissenschaftler Professor Gunther Hirschfelder. Mit einem Blick zurück zeigte Hirschfelder auf, dass Krisen oft als Katalysator vor entscheidenden Innovationen auftraten und wie die Menschen früher massive Krisen überwunden haben. Um die Aufgaben der Zukunft zu meistern, forderte Hirschfelder einen Forschungs-Boost, innovatives Denken und politische Lösungen.

„Das Thema Ernährung ist in der politischen Agenda nach oben gerückt“, betonte Dr. Doris Heberle vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Ihrem Grußwort zum BZfE-Forum. „Und unbestritten ist, dass weiterhin ein ganzheitlicher Politikansatz nötig ist, der die Ernährungskompetenz stärkt und Ernährungsumgebungen verbessert.“

In den Blick der Veranstaltung wurde auch das Ernährungsverhalten während der Corona-Pandemie genommen. Erste Studien zeigen, welch große Rolle Essen und Ernährung während der Pandemie für viele einnahmen - und zwar mit günstigen und ungünstigen Effekten. Als positive Ergebnisse nannte die Soziologin Prof. Jana Rückert-John den gestiegenen Konsum von Gemüse, Obst und Bio-Lebensmitteln; außerdem die wiederentdeckte Rolle von gemeinsamen Mahlzeiten als Vermittler von Struktur und Sicherheit.

Die Ernährungspsychologin Prof. Nannette Ströbele-Benschop erläuterte Einflussfaktoren für pandemiebedingte Verhaltensänderungen. Wie ein Mensch auf Stress reagiert, spielt eine große Rolle. Das galt während der Lockdowns genauso für die Gruppe der Eltern sowie Menschen in systemrelevanten Berufen. Hier kompensierten viele offensichtlich den enormen Spagat zwischen Homeoffice, Homeschooling und Homecooking bzw. Angst und Stress mit vermehrtem Essen.

Wie lassen sich positive Verhaltensänderungen stabilisieren und negative wieder umkehren? Einig waren sich alle Akteure darin, dass Ernährungsbildung die nötigen Grundlagen für einen gesundheitsförderlichen und nachhaltigen Ernährungsstil legen und einen neuen Stellenwert erhalten muss. Wichtige Veränderungen braucht es aber vor allem auf gesellschaftlicher Ebene. Hier kommt eine neue Art der Ernährungskommunikation ins Spiel. Die müsse weniger der Vermittlung von Wissen dienen, sondern sich mehr am Alltag und den Biographien der Menschen orientieren, betonte der Medienexperte Professor Jan Grossarth.

Zu diesem Alltag gehört eine Ernährungsumgebung, die den gesamten Prozess unseres Ernährungsverhaltens bestimmt - und zwar überwiegend unbewusst. Die Gesundheitspsychologin Prof. Britta Renner, Mitautorin des Gutachtens „Politik für eine nachhaltigere Ernährung“, skizzierte, dass zu viel Verantwortung für Ess-Entscheidungen beim einzelnen Verbraucher liegt. Eine gesunde und nachhaltigere Ernährungsumgebung könne über verschiedene Hebel gestaltet werden. Einer dieser Hebel ist dabei die Produktkennzeichnung, um Entscheidungen beim Einkauf zu erleichtern, ein weiterer ist die öffentliche Gemeinschaftsverpflegung. So könnten durch verpflichtende DGE-Qualitätsstandards oder eine beitragsfreie Kita- und Schulverpflegung große Effekte auf Bevölkerungsebene erzielt werden. Weitere Ansätze seien Preisanreize, zum Beispiel die Abschaffung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für tierische Produkte.

Einen wichtigen Beitrag zu guten Ernährungsumgebungen könnte auch gezieltes Nudging leisten. Hierzu präsentierte Dr. Jan Michael Bauer von der Kopenhagen Business School Neues aus der noch jungen Forschung. Man sehe bei einfachen Verhaltens-Nudges wie beispielsweise einer Verkleinerung von Portionsgrößen deutliche Effekte beim Verzehr. Zielführend ist seiner Erfahrung in Dänemark nach eine verstärkte Zusammenarbeit von Wissenschaft, Praxis, Verbraucherinnen und Verbrauchern. Warum nicht öffentliche Kantinen als „Real-Labore“ verwenden, schlug Bauer vor; hier könne dann zum Beispiel eine nachhaltigere Ernährung das Standardangebot darstellen und aus den Beobachtungen wichtige Ergebnisse gewonnen werden.

„Wir wissen, dass Informationen allein nicht ausreichen, um Verhaltensänderungen auszulösen. Auf der anderen Seite wollen wir möglichst keine Verbote aussprechen“, so Dr. Hanns-Christoph Eiden, Präsident der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, und unterstrich damit die Chancen, die sich durch gezieltes Nudging und entsprechend veränderte Ernährungsumgebungen ergeben können. So zeigten viele Beispiele aus der Gemeinschaftsverpflegung, wie der Verzehr von Salat und Obst gesteigert werden kann, wenn diese attraktiv und sichtbar platziert werden.

Das Bundeszentrum für Ernährung begleitet sowohl die Politik als auch Wissenschaft und die Menschen an der Basis weiterhin bei allen Aktivitäten, betonte Margareta Büning-Fesel, Leiterin des Bundeszentrums für Ernährung zum Abschluss der virtuellen Tagung. Dabei richte sich der Blick zukünftig stärker auf die Digitalisierung in der Kommunikation und der Ernährung. „Diese Themen werden wir daher auch beim 6. BZfE-Forum adressieren. Wir freuen uns schon jetzt darauf, Sie dazu am 1. September 2022 wieder in Bonn begrüßen zu dürfen“, so Büning-Fesel.

www.bzfe.de

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