(BZfE) – Kann eine regelmäßige Extraportion von Milch, Joghurt und Käse – und damit eine verbesserte Kalzium- und Proteinzufuhr – das Frakturrisiko von Altenheimbewohnern verbessern? Dieser Frage ging eine Studiengruppe um Dr. Sandra Iuliano von der Universität Melbourne, Australien, nach. Die Ergebnisse der zweijährigen randomisierten kontrollierten Studie wurden kürzlich im British Medical Journal veröffentlicht.
Ausgangslage war die Feststellung, dass viele Bewohner solcher Einrichtungen eine zu geringe Kalzium- und Proteinzufuhr hätten und damit ein erhöhtes Risiko für Osteoporose und Muskelabbau. Bekanntlich enthalten Milch und Milchprodukte reichlich Kalzium und Protein. Das Studiendesign sah deshalb vor, dass die Experimentalgruppe (3.301 Senioren) zusätzlich im Mittel 250 Milliliter Milch plus 20 Gramm Käse oder 100 Gramm Joghurt erhielten. Damit kamen sie auf eine tägliche Kalziumzufuhr von 1.140 Milligramm sowie auf eine Proteinzufuhr von 1,1 Gramm je Kilogramm Körpergewicht – was in etwa 10 Prozent über den jeweiligen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) liegt. Die 3.894 Bewohner der Kontrollgruppe dagegen behielten ihre gewohnten Speisepläne bei und nahmen durchschnittlich am Tag nur 700 Milligramm Kalzium und 0,9 Gramm Protein je Kilogramm Körpergewicht zu sich. Die Versorgung mit Vitamin D war bei allen Beteiligten ausreichend.
Im Ergebnis zeigte sich, dass es im Beobachtungszeitraum bei 3,7 Prozent der Heimbewohner mit Ernährungsumstellung und bei 5,2 Prozent ohne Ernährungsumstellung zu Frakturen kam. Das entsprach einer signifikanten Risikoreduktion um 33 Prozent. Hüftfrakturen erlitten 1,3 Prozent beziehungsweise 2,4 Prozent; ein ebenfalls signifikanter Rückgang um 46 Prozent. Stürze traten mit der Speiseplanumstellung um 11 Prozent seltener auf (57 Prozent gegenüber 62 Prozent), hier war die Differenz zwischen den Gruppen bereits nach drei Monaten signifikant. „Damit hat die Ernährungsintervention bedeutende Konsequenzen für die Frakturprävention in Altenheimen und möglicherweise auch darüber hinaus“, so die Studienautoren.
Ein qualitativer Nährstoffmangel bei Bewohnern in Care-Einrichtungen ist gewiss nicht nur in Australien ein Problem. In Deutschland gibt es etwa 8.300 stationäre Senioreneinrichtungen und 10.800 ambulante Pflegedienste, die auch für die Ernährung der Senioren zuständig sind. Offenbar wird diese Aufgabe jedoch nur unzureichend erfüllt: Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) spricht von einem Anteil mangelversorgter Heimbewohner von 25 bis 50 Prozent. Das korrespondiert mit Angaben der Arbeitsgruppe „Ernährung und Stoffwechsel“ der deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG), die ausführt, dass bis zu 50 Prozent der geriatrischen Patienten mangelernährt sei.
Senioreneinrichtungen, aber auch Klinikstationen haben die Möglichkeit, den Ernährungszustand der Bewohner/Patienten bewerten zu lassen. Beispielsweise an dem einmal im Jahr weltweit stattfindenden „nutritionDay“, der in diesem Jahr am 4. November stattfindet. Teilnehmende Institutionen müssen Fragebögen ausfüllen und erhalten nach der Übermittlung der eigenen Daten eine Auswertung zurück.
Der nutritionDay ist eine weltweite Initiative zur Bekämpfung von Mangelernährung in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Ziel ist es, das Bewusstsein für Mangelernährung in den Einrichtungen zu stärken und die Qualität der Ernährungsversorgung zu verbessern. Der nutritionDay ist eine Initiative der „European Society for Clinical Nutrition and Metabolism“ (ESPEN), der Medizinischen Universität Wien und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und wird einmal jährlich an einem festgelegten Tag weltweit durchgeführt.
Rüdiger Lobitz, www.bzfe.de
Weitere Informationen:
www.bmj.com/content/375/bmj.n2364
www.ausmed.com/cpd/courses/older-malnutrition
www.in-form.de/wissen/verpflegung-in-stationaeren-senioreneinrichtungen/
www.aerzteblatt.de/nachrichten/117614/Geriater-fordern-intensivere-Massnahmen-gegen-Mangelernaehrung
(Bildquelle: Schubert Fotografie, BLE)