(BZfE) – „Immer mehr Menschen, vor allem junge Frauen und Männer, entscheiden sich für eine vegane Ernährung. Das mit Abstand wichtigste Motiv ist Tierwohl, gefolgt von gesundheitlichen Interessen und Nachhaltigkeitsaspekten“, erklärte Dr. Markus Keller, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE). Die Weiterbildung „Vegane Ernährung – Wie gelingt eine optimale Nährstoffversorgung?“ vom IFPE fand Mitte Juni 2023 als digitale Veranstaltung für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus Ernährungsberatung und -kommunikation statt.
Unter „veganer Ernährung“ ist laut Keller eine Ernährung zu verstehen, die tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milch, Ei oder Honig gänzlich ausschließt. Auch Lebensmittel und Getränke, die Inhalts- oder Zusatzstoffe tierischen Ursprungs wie Gelatine, L-Cystein, bestimmte Aromen oder Farbstoffe enthalten, werden gemieden. Dieser Ausschluss ganzer Lebensmittelgruppen stellt große Anforderungen an die Auswahl und sachgerechte Kombination von Lebensmitteln, um den Bedarf an allen wichtigen Nährstoffen zu decken. Eine Richtschnur kann die „Gießener vegane Lebensmittelpyramide“ sein, die neben der Anzahl der empfehlenswerten Portionen einzelner Lebensmittelgruppen pro Tag auch entsprechende Mengen empfiehlt.
Die bei einer veganen Ernährung kritischen Nährstoffe Eisen, Zink, Calcium, Jod, Vitamin B2, die Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) sowie Protein – neben den mittlerweile bekannten kritischen Vitaminen B12 und D – stellte die Oecotrophologin und Kochbuchautorin Edith Gätjen in Theorie und Praxis vor. Für eine optimale Versorgung mit Eisen empfahl sie beispielsweise, Getreide und Hülsenfrüchte jeweils in Kombination mit frischem Gemüse und Obst zu essen, um die Resorption von Eisen durch das in Gemüse und Obst enthaltene Vitamin C zu fördern. Außerdem sollte Getreide für ein Bircher Müsli – heute „Over-Night-Oats“ – über Nacht in calciumarmem Wasser einweichen, um die im Getreide enthaltenen Phytate durch Aktivierung des Enzyms Phytase zu reduzieren. Phytate hemmen ebenso wie Ballaststoffe, Tannine, Sojaprotein sowie viel Calcium und Zink die Eisenresorption. Ein weiterer Tipp für eine optimale Eisenversorgung: Kaffee oder Tee zeitversetzt zum Frühstück trinken, etwa am späteren Vormittag. Zusätzliche hilfreiche Hinweise gab Gätjen während der Online-Zubereitung des veganen Mittagsimbisses bestehend aus Spinat Pesto und Dinkelpfannkuchen. So sollte zur bedarfsdeckenden Versorgung mit Protein etwa ein Gramm pflanzliches Protein pro Kilogramm Körpergewicht und Tag gegessen werden, in gezielter Kombination der pflanzlichen Eiweißträger Getreide, Hülsenfrüchte, Kartoffeln und Nüsse.
Gesundheitliche Effekte einer veganen Ernährung stellte Keller anhand der aktuellen Studienlage vor: Keine signifikanten Vorteile bietet die vegane Ernährungsweise offenbar hinsichtlich der Prävention der häufigsten Krebsarten und Gicht. Indifferente Ergebnisse liegen für Osteoporose, Demenz, Depression, Gallensteine und Karies vor. Ein höheres, allerdings nicht signifikantes Risiko ergab sich für Schlaganfälle jeder Art. Erfolge der veganen Ernährung zeigen sich unter anderem in Prävention und (teilweise) Therapie von Übergewicht, Diabetes Typ 2, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, der ischämischen Herzkrankheit und rheumatoider Arthritis. So hatten beispielsweise vegan lebende Personen laut Adventist Health Study 2 einen durchschnittlich niedrigeren Body Mass Index als vegetarisch oder omnivor lebende Personen und in Meta-Analysen ein um etwa 40 Prozent geringeres Risiko für Diabetes Typ 2. Eine vegane Ernährung ist also der Studienlage zufolge nicht zwangsläufig gesünder oder ungesünder als etwa die vollwertige Mischkost nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) – wenn man sich an die jeweiligen Empfehlungen hält.
Ernährungsfachkräfte und medizinisches Personal beraten vegan lebende Menschen oder solche, die auf eine vegane Kost umsteigen möchten, vor allem hinsichtlich der Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Proteinträger, kritischer Nährstoffe sowie einer individuell geeigneten Supplementierung. Eine solche Beratung ist immer empfehlenswert, aber ganz besonders in speziellen Lebensphasen wie Schwangerschaft und Stillzeit, Adoleszenz, bei Krankheit oder Umsetzung einer veganen Familienkost.
Dr. Birgit Jähnig, www.bzfe.de
Weitere Informationen:
Gießener vegane Lebensmittelpyramide: https://ifpe-giessen.de/publikationen/#verbraucherinformationen
Vegane Lebensmittel: https://www.bzfe.de/lebensmittel/trendlebensmittel/vegane-lebensmittel/
Ernährungspyramide: Wie esse ich vegetarisch? https://www.bzfe.de/ernaehrung/die-ernaehrungspyramide/die-ernaehrungspyramide-eine-fuer-alle/ernaehrungspyramide-wie-esse-ich-vegetarisch/
Vegetarische und vegane Ernährung im Kleinkindalter: https://www.gesund-ins-leben.de/fuer-fachkreise/ernaehrung-und-bewegung-fuer-kleinkinder/handlungsempfehlungen/ernaehrung/vegetarische-und-vegane-ernaehrung/
Unterrichtsmaterial „Vege…-was? https://www.bzfe.de/bildung/unterrichtsmaterial/sekundarstufe/vege-was/
BZfE-Blog: Fleischalternativen für (fast) jeden Zweck: https://www.bzfe.de/was-wir-essen-blog/blog-archiv/blog-archiv-2023/mai-2023/fleischalternativen/
(Bildquelle: AdobeStock, minoandriani)