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Julia Sedaeva – stock.adobe.com

(BZfE) – Roggen (Secale cereale) hat in Deutschland eine lange Tradition und war bis Anfang der 1960er Jahre das Hauptbrotgetreide. Heute ist er hierzulande nach Weizen die zweitwichtigste Getreideart, wenn auch mit großem Abstand.

Wie beim Weizen, gibt es auch Roggen als Sommer- und Wintergetreide. Beim Sommerroggen erfolgt die Aussaat im Frühjahr und die Ernte im Spätsommer. Winterroggen wird im Herbst ausgesät und im darauffolgenden Sommer geerntet. In Mitteleuropa wird fast ausschließlich Winterroggen angebaut, er stellt geringe Anforderungen an Böden und Klima und ist wesentlich ertragreicher.

Roggen und Sauerteig werden stets im gleichen Atemzug genannt. Aber warum benötigen Roggenbrote überhaupt Sauerteig? Roggen enthält deutlich weniger Klebereiweiß Gluten als Weizen, aber dafür mehr Pentosane. Diese Ballaststoffe können große Mengen Wasser binden und sorgen zusammen mit Stärke durch Verkleisterungen für ein lockeres, stabiles Teiggerüst. Allerdings enthalten Roggenmehle in der Regel mehr stärkeabbauende Enzyme (Amylasen) als Weizenmehle, welche die verkleisternde Stärke schnell abbauen können. Ungünstigerweise fallen beim Roggen die Verkleisterungstemperatur der Stärke mit der maximalen Enzymaktivität der Amylasen zusammen. Werden die Amylasen nicht gehemmt, kommt es zu einem Abbau des Stärkegerüsts, was wiederum dazu führt, dass nicht mehr genug Teigwasser gebunden werden kann – das Backergebnis wäre ausgesprochen unbefriedigend. Die klassische Lösung: der Sauerteig! Durch eine Säuerung wird die Aktivität der mehleigenen Enzyme durch Verschiebung unterhalb des pH-Optimums gehemmt. Durch die Zugabe von Salz wird zusätzlich die Verkleisterungstemperatur der Roggenstärke um 5 bis 10 Grad Celsius erhöht, was sich ebenfalls stabilisierend auswirkt.

Die Leitsätze für Brot und Kleingebäck definieren Sauerteig als einen Teig, dessen Mikroorganismen (zum Beispiel Milchsäurebakterien und Hefen) sich in aktivem Zustand befinden oder reaktivierbar sind. Ein Sauerteigstarter – auch Anstellgut – genannt, dient zur „Impfung“ des Hauptteigs. Die Mikroorganismen verstoffwechseln die Stärke aus dem Mehl und bilden dabei Säuren und Kohlenstoffdioxid, wodurch das Brot in der Backphase gelockert wird.

Wer selber Sauerteig züchten und damit Brotbacken möchte sollte wissen, dass dies durchaus anspruchsvoll und zeitaufwendig ist. Einfacher geht es mit einem professionell erstellten und gekauften frischen Sauerteig, mit dem man zudem auch noch eine eigene Sauerteigkultur anstellen kann. Eine weitere Möglichkeit ist getrocknetes Sauerteigpulver. Die darin enthaltenen Mikroorganismen sind allerdings nicht mehr sehr aktiv und liefern lediglich den kräftigen Geschmack; für die Triebwirkung muss Hefe zugesetzt werden. Es gibt heute auch moderne enzymschwache Roggenmehle, mit denen es grundsätzlich möglich ist, auch ohne Säuerung und nur mit Hefe zu backen. Der Einsatz von Sauerteig ist dann weniger eine Frage der Krumenstruktur und -elastizität, sondern vorwiegend der Aromabildung. Und das Aroma ist schließlich das, was ein klassisches Roggenbrot ausmacht.

Es gibt fünf Roggenmehltypen: 815, 997, 1150, 1370 und 1740. Dazu kommen noch Roggenvollkornmehl und -vollkornschrot sowie das Backschrot Type 1800, das keinen Getreidekeimling mehr enthält. Je höher die Typenzahl, umso dunkler und gehaltvoller (respektive Mineralstoffe) ist das Mehl. Anders als bei den Typenmehlen sind für Vollkornmahlerzeugnisse bewusst keine Mineralstoff-Korridore festgelegt; denn die natürlichen Gehalte des ganzen Korns „vom Feld“ können stark schwanken. Fast ein Drittel aller deutschen Roggenmahlerzeugnisse sind heute Vollkornmehle beziehungsweise -schrote oder Backschrot 1800.
Viele deutsche Brotspezialitäten – etwa Pumpernickel, Schrotbrote, Berliner Landbrot, Holsteiner Katenbrot, Paderborner, Rheinisches Schrotbrot, Frankenlaib und viele andere – werden mit Roggenmahlerzeugnissen hergestellt.

Die Inhaltsstoffe des Roggens sind vergleichbar mit denen des Weizens, mit ähnlich vielen Mineralstoffen, insbesondere Kalium, Magnesium, Zink und Eisen. Roggen enthält aber bis zu 20 Prozent mehr Ballaststoffe. Das Getreide hat etwa die fünffache Menge des natürlichen Enzyms Phytase wie Weizen, was dazu führt, dass Mineralstoffe wie Eisen und Zink besser in Roggenbroten verfügbar sind.

Rüdiger Lobitz, www.bzfe.de


Weitere Informationen:

Getreide – Vielfalt an Sorten und Produkten: bzfe.de/lebensmittel/lebensmittelkunde/getreide

Brot – vom Acker bis auf den Teller: bzfe.de/lebensmittel/vom-acker-bis-zum-teller/brot

Backtriebmittel – Hefe, Sauerteig, Backpulver und ...: bzfe.de/lebensmittel/lebensmittelkunde/backtriebmittel

Leitsätze für Brot und Kleingebäck: www.deutsche-lebensmittelbuch kommission.de/Dokumente/Leitsaetze_fuer_Brot_und_Kleingebaeck_barrierefrei_StandMaerz2024.pdf

Getreide-ABC: Dinkel – von Grünkern zum Trendgetreide: bzfe.de/service/news/aktuelle-meldungen/news-archiv/getreide-abc-dinkel

Getreide-ABC: Weizen – eine wichtige Getreideart: bzfe.de/service/news/aktuelle-meldungen/news-archiv/getreide-abc-weizen

Bericht zur Markt- und Versorgungslage Getreide 2024: www.bmel-statistik.de/fileadmin/daten/0611020-2024.pdf (Bildquelle: © Julia Sedaeva – stock.adobe.com)

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