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Die Sache mit den Sprossen hat mich noch an ein anderes Kuriosum der 80er erinnert, das einen über die gartenfreie Zeit hinwegtrösten kann: Hermann. Für alle, denen dieser Teil der Zeitgeschichte tatsächlich entgangen sein sollte: Hermann ist eine Art lebendiger Kettenbrief, nämlich ein Weizensauerteig mit dem Status eines Familientamagotchi. Das übliche Prozedere verlief in etwa so:

  • Man erhält ein Schraubglas mit einer nicht besonders ansprechend aussehenden Flüssigteigmasse, meist zusammen mit einer blumig ausgeschmückten Pflegeanleitung, die unter anderem darauf hinweist, dass Hermann keine Metallschüsseln mag (ein Metalllöffel zum Umrühren ist aber erfahrungsgemäß völlig in Ordnung).
  • Man stellt den Teig in den Kühlschrank, lässt Hermann (wer um alles in der Welt hat sich eigentlich diesen Namen ausgedacht???) am ersten Tag in Ruhe, rührt ihn an den folgenden drei Tagen je einmal kräftig durch und füttert ihn am fünften Tag mit je einer Tasse Mehl, einer Tasse Milch und einer halben Tasse Zucker. An den Tagen 6-9 ist ebenfalls kräftiges Durchrühren angesagt.
  • An Tag 10 füttert man Hermann erneut und teilt ihn in drei Teile: Einen verschenkt man, einen behält man, um ihn weiterzuvermehren, und mit den Resten der hermannschen Persönlichkeitsspaltung darf gebacken werden.
  • Nach spätestens vier Monaten, in denen man von unzähligen angeblichen Freunden hygienisch fragwürdige Teigmonster erhalten hat, kann man keinen Kuchen mehr sehen und schickt Hermann in die Ewigen Jagdgründe – aus denen er aber ganz offensichtlich immer wieder zurückkehrt.
Mit essbarem Konfetti bestreuter Guglhupf.
Doris Heinrichs / Fotolia

Ich muss aber gestehen, dass ich über eine Wiedergeburt von Hermann gerade eigentlich gar nichts einzuwenden hätte (vielleicht unter anderem Namen), denn da ich nicht zu den vorösterlichen Fastenanhängern zähle, bin ich auf regelmäßigen Süßnachschub dringend angewiesen – und könnte mich heute beim Hermanngenuss vermutlich auch auf besser verträgliche Tagesrationen zügeln...

Grund genug, sich auf die Suche nach einem Rezept für den Grundteig zu machen, das ich hiermit nachzuliefern verspreche.

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Kommentare (2)

Schon komische Zeiten, diese 80er
Gabi / 02.03.2016 / 13:27 Uhr

Liebes Löwenzähnchen, danke für diese Erinnerung und auch das Rezept. Ich kann mich wirklich noch sehr gut an diesen Hermann erinnern. Der ging damals wirklich in der Nachbarschaft von Haus zu Haus. Irgendwie hatte der ja schon so einen ganz eigenen Geschmack. Ich werde gleich mal einen Teig ansetzen - aber mit frischer Hefe, das geht bestimmt auch. Und dann bin ich gespannt, ob's funktioniert und ob er so schmeckt wie in den 80ern. Liebe Grüße Gabi

Was habe ich verpasst?
Lila / 04.03.2016 / 22:23 Uhr

Ich bin zwar auch ein Kind der 80er, aber diesem "lebendigen Kettenbrief mit dem Status eines Familientamagotchi" (lol!!) bin ich irgendwie entgangen. Mein Leben ist verfehlt. Da hilft wohl nur, gleich ein paar leckere Muffins zu verdrücken.

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