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Energydrinks sind „in“ und werden aggressiv beworben. Was denken Kinder und Jugendliche als Zielgruppe der Produkte über gesundheitliche Risiken durch Energydrinks? Die Studie gibt Antworten. 

leere Getränkedosen
Gesa Maschkowski

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„Von der Nische zur Norm“ titelte im Jahr 2013 die Zeitschrift Lebensmittelpraxis in einer Sonderausgabe zu Energy- und Trenddrinks. Die süße Koffeinbrause macht sowohl der Industrie als auch dem Handel richtig Spaß. Der Markt verzeichnet seit Jahren ein- bis zweistellige Zuwachsraten. Verzehrerhebungen zeigen aber auch, dass es unter den Kindern und Jugendlichen bestimmte Gruppen gibt, die durch Energydrinks zu viel Koffein aufnehmen.

In 14 qualitativen Interviews haben wir untersucht, was die Zielgruppe selbst über gesundheitliche Risiken von Energydrinks denkt. Unsere InterviewpartnerInnen konnten über einschlägige Erfahrungen mit „Energy“ berichten. Sie hatten auch klare Vorstellungen davon, wie ein verantwortlicher Umgang mit Energydrinks aussehen könnte. Die Studie gibt wichtige Hinweise dazu, wie sich eine zielgruppengerechte Kommunikationsstrategie gestalten lässt.

Wenn, dann richtig: - Verzehrdaten

Hersteller von Energydrinks investieren jedes Jahr Hunderte von Millionen Euro in die Werbung mit Trend- und Risikosportarten. Diese Strategie war bisher sehr erfolgreich. Die Absatzmengen in Deutschland haben sich von 2005 bis 2012 fast vervierfacht (Lebensmittelpraxis 2013). Warenkundlich gehören die Getränke zu den frei verkäuflichen koffeinhaltigen Softdrinks. Handelsübliche kleine Dosen enthalten ungefähr so viel Koffein wie eine Tasse Kaffee, der Trend geht jedoch zur Halbliterdose (Lebensmittelpraxis 2015). Die Zielgruppe sind Jugendliche und junge Erwachsene. Nach Erhebungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) konsumieren etwa 60 Prozent der deutschen Jugendlichen zwischen zehn und 18 Jahren Energydrinks, 37 Prozent trinken Energydrinks in Kombination mit Alkohol (EFSA 2013). Verglichen mit anderen Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft ist der Energydrink-Konsum in Deutschland eher durchschnittlich. Zu den Risikogruppen, die durch einen überdurchschnittlichen Konsum auffallen, gehören die „Hoch-Akut-Trinker“. Sie nehmen mehr als einen Liter bei einer Gelegenheit zu sich. In Deutschland gehören 17 Prozent der jugendlichen Energydrink-Konsumenten zu den Hoch-Akut-Trinkern. Damit nimmt Deutschland im europäischen Vergleich einen Spitzenplatz ein. Diese Jugendlichen überschreiten die unbedenkliche Koffeinmenge von drei Milligramm Koffein pro Kilogramm Körpergewicht deutlich (Übersicht 1). 

Eine zweite Gruppe, die überdurchschnittlich viel konsumiert, sind die „chronischen Hochverzehrer“. Sie trinken an vier bis fünf Tagen pro Woche Energydrinks. Zu dieser Gruppe gehören in Deutschland neun Prozent der jugendlichen Energydrink-Nutzer. Auch sie nehmen in der Summe zu viel Koffein auf. Auf das Konto der Energydrinks gehen allerdings nur 16 Prozent des Koffeins, die übrige Menge stammt aus anderen Nahrungsquellen. Auch bei den Sechs- bis Zehnjährigen gibt es eine kleine Gruppe, die mehr Koffein aufnimmt als gesund ist. Europaweit zählen etwa drei Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen zu den chronischen Energydrink-Konsumenten. Gut die Hälfte des Koffeins, das diese Kinder aufnehmen, stammt aus Energydrinks (EFSA 2013).

Die Verzehrdaten zeigen, dass die Koffeinzufuhr durch Energydrinks zwar im bundesweiten Durchschnitt unproblematisch ist, es gibt aber auch riskante Konsumgewohnheiten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) beschäftigt sich daher seit vielen Jahren mit der Bewertung dieser Produktgruppe (u. a. BfR 2000, BfR 2008, BfR 2013). Auch international gibt es eine wachsende Zahl an Publikationen zu Risiken durch Energydrinks bei Kindern und Jugendlichen (z. B. Temple 2009, EFSA 2013, Addicott 2014, Breda et al. 2014, EFSA 2015, Harris, Munsel 2015). Im Wesentlichen geht es dabei um die Gefährdung durch Koffein. „Es gibt nachweislich negative Konsequenzen des Koffeinkonsums unter Kindern und Jugendlichen“, stellt ein Autorenteam der Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahr 2014 in einem Übersichtsartikel fest. „Dazu gehören Wirkungen auf das Nerven- und Herzkreislaufsystem, die physische Abhängigkeit und Sucht verursachen können”(Breda et al. 2014, S. 2). Die amerikanische Ernährungswissenschaftlerin Jennifer Temple (2009) geht davon aus, dass Kinder und Jugendliche besonders sensibel für den Einfluss von Koffein sind, denn das Gehirn befindet sich noch in der Entwicklung. Koffein kann in diesem Alter zu Gewöhnung führen oder auch die Vorliebe für süße Lebensmittel steigern.

Risikokommunikation mit Jugendlichen

Der europäischen Lebensmittelinformationsverordnung zufolge müssen Energydrinks einen Warnhinweis tragen: „Erhöhter Koffeingehalt. Für Kinder und schwangere oder stillende Frauen nicht empfohlen“. Darauf folgt die Angabe des Koffeingehalts in Milligramm je 100 Milliliter. Das Bundesinstitut für Risikobewertung geht jedoch nicht davon aus, dass sich übermäßiger Konsum durch solche Hinweise verhindern lässt (BfR 2013, S. 6). Von Seiten des Gesetzgebers ist bislang nicht vorgesehen, eine Altersbeschränkung für Energydrinks zu erlassen. Es ist also notwendig, Kommunikationsstrategien für Kinder und Jugendliche zu entwickeln, die über Wirkungen eines übermäßigen Konsums informieren und die gleichzeitig den besonderen Bedürfnissen dieser Zielgruppe gerecht werden. Denn Aufklärungsbemühungen können bei Jugendlichen genau das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung auslösen (Schnabel, Bödecker 2012, S. 58). Das liegt unter anderem daran, dass Risikoverhalten im Jugendalter wichtige Funktionen erfüllt. Jugendliche versuchen mit riskanten Aktionen Anerkennung von Gleichaltrigen zu bekommen, aber auch eigene Ängste und Unsicherheiten zu bewältigen (Frank 2010). Ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine zielgruppengerechte Risikokommunikation ist die Einbeziehung der Zielgruppe (Snyder 2007). 

Die Studie

  • Zielsetzung

Ziel der qualitativen Studie war es, die Bedeutung und Wahrnehmung von Energydrinks bei Jugendlichen sowie ihren Umgang damit zu verstehen, um daraus Kommunikationsstrategien abzuleiten. Der Fokus lag auf folgenden Aspekten:

  • Einstieg und Motivation für den Konsum: Warum trinken Jugendliche Energydrinks?
  • Verwendung: Wie gehen Jugendliche damit um?
  • Erfahrungen: Welche Wirkungen kennen sie?
  • Risikowahrnehmung und -bewertung
  • Verantwortungsvoller Umgang aus Sicht der Jugendlichen
  • Methode und Stichprobe

Die Forschungsfragen dienten zur Entwicklung eines Interviewleitfadens. Nach einem Test überarbeiteten wir den Interviewleitfaden und wählten einen biografischen Zugang. Auf dieser Grundlage erfolgten leitfadengestützte, filmische Interviews. Um verschiedene Jugendgruppen zu erreichen, fanden die Dreharbeiten in drei verschiedenen Settings statt: im Skaterpark, im Jugendzentrum und auf der Partymeile in Köln. Zwei Interviews konnten wir nicht durchführen, weil in der Sporteinrichtung eine von einem Energiegetränke-Hersteller gesponserte Veranstaltung stattfand. Bei den befragten Personen handelte es sich um eine Zufallsauswahl (convenience sample). Alle Interviewpartner wussten, dass es sich um eine Vorstudie handelt. Sie wussten auch, dass wir das Material nicht ohne ihre Freigabe veröffentlichen. Wir transkribierten die Aussagen selektiv und codierten sie auf Basis der Forschungsfragen. 

Die Stichprobe umfasste Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 15 und 23 Jahren, darunter sechs junge Männer und acht junge Frauen sowie mehrere Jugendliche mit Migrationshintergrund. Die Befragten antworteten sehr offen. Ein Interview mit zwei jungen Frauen beendeten wir vorzeitig, weil sie abgeholt wurden. Unter den Interviewpartnern gab es Hochverzehrer, die mehrere Dosen pro Tag trinken, und Personen, die selten oder nie Energydrinks zu sich nehmen.

Interviewleitfaden
1.    Fragen zur Motivation und Bedeutung: 
•    Erzähl mal, kannst du dich an das erste Mal erinnern, als du einen Energydrink getrunken hast? Wie schmeckte er dir? Wie bist du darauf gestoßen? 
•    Was macht das Trinken von Energydrinks für dich oder auch andere Jugendliche reizvoll? Was für ein Lebensgefühl vermittelt das Trinken von Energydrinks?
•    Welche Bilder tauchen auf, wenn du daran denkst? 

2.    Fragen zu Umgang und Wirkungen
•    Wieviel trinkst du? (ggf. auch wann)
•    Wie wirken Energydrinks auf deinen Körper?
•    Hast du schon einmal zu viel getrunken? Etwas gespürt und was genau? 

3.    Fragen zur Risikoeinschätzung
•    Wie riskant schätzt du Energydrinks ein? Was sind aus deiner Sicht Risiken? 
•    Wenn du Alkohol, leichte Drogen und Energydrinks vergleichst, was würdest du sagen? Inwieweit kann man sie vergleichen?

4.    Fragen zum verantwortungsvollen Umgang
•    Was meinst du, was würde dich oder andere Jugendliche dazu bringen, weniger zu trinken? Ggf.: Was hätte dich davon abgehalten, Energydrinks zu probieren?
•    Glaubst du, dass du aufhören könntest Energydrinks zu trinken?
•    Was wäre aus deiner Sicht ein verantwortungsvoller Umgang mit Energydrinks?
•    Was, glaubst du, müsste passieren, damit Kinder und Jugendliche verantwortungsvoll damit umgehen?

Ergebnisse

  • Erstkonsum

Die Jugendlichen können sich relativ genau erinnern, in welchem Alter sie zum ersten Mal Energydrinks getrunken haben. Die meisten erinnern sich auch an die Situation. Sie waren zu diesem Zeitpunkt zwischen sechs und zwölf Jahren alt. In diesem Alter nahmen sie Energydrinks als Erwachsenengetränk wahr und tranken sie - ähnlich wie Bier - heimlich.

  • Zugangsmotive

Kinder und Jugendliche trinken Energydrinks, weil sie geschmacklich und optisch gut gefallen: „Weil es gut schmeckt, weil es so viele Sorten gibt und weil die Dosen so toll gestaltet sind“ (IP 2.11/3:50). Einige Interviewpartner haben Markenfavoriten. Die Wahl der Marke hängt auch von Freunden, Trends und Idolen ab. Dazu gehören prominente Skateboard-Fahrer, von bestimmten Marken gesponsert: „∩ ist ein Bull-Skater“ (IP 2.3), Musik-Idole, die bestimmte Marken besingen wie Mountain Dew (IP 2.11) oder Youtube-Stars, die „Energy“ trinken (IP 2.5). In drei Fällen waren die Eltern das Vorbild. Sie haben durch ihren eigenen Energydrink-Konsum die Jugendlichen ermutigt, zu Energydrinks zu greifen: „Wenn ich an Energydrinks denke, dann muss ich an meinen Vater denken“ (IP 2.2). Ein weiteres Argument ist der Preis: Billigmarken sind am Kiosk günstiger zu haben als herkömmliche Softdrinks.

  • Verwendungsgelegenheiten

Die Interviewpartner verbinden den Konsum von Energydrinks häufig mit bestimmten Situationen und Zielen:

  • Geselligkeit: Auf der Klassenfahrt oder abends als Alternative zum Bier in geselliger Runde mit Freunden oder bei LAN-Parties (IP 2.1)
  • Energydrinks als „Schminke für den Alkohol“: Bei Mischgetränken wie Wodka-Energy geht es weniger um den Konsum der Energydrinks als um den Alkohol. Der Zusatz von Energydrinks dient dazu, den scharfen Geschmack der Spirituose abzumildern (IP 2.11).
  • Energydrink-Konsum als Wachmacher in langen Nächten: „Wenn man dann so unterwegs ist, dann merkt man, dass man mehr Adrenalin hat und länger wach bleibt“ (IP 2.3/1:29). Ein Interviewpartner trank vier bis fünf Liter Energydrinks im Selbstversuch, um zu testen, wie lange man am Stück wach bleiben kann (IP 2.12).
  • Energydrinks als fester Bestandteil des Tagesablaufes (IP 2.5, IP 2.11) oder als Notwendigkeit, um morgens oder tagsüber wach und/oder arbeitsfähig zu sein: „Die nächsten Stunden mache ich gut mit, bin aktiv, hyperaktiv sogar“ (IP 2.5/3:36) (IP 2.5, IP 2.9, IP 2.11).

Energydrinks dienen dazu, gezielt ein hibbeliges, hyperaktives Gefühl zu erzeugen: „Also ich fühl mich danach immer glücklich und wach und ich denk mir dann immer, jaaa, jetzt bist du wach, 

  • jetzt kannst du so viel machen wie du willst und man fühlt sich einfach so glücklich. Es ist dann wie so eine Sucht, die dann durchs Trinken - wie sagt man – gesättigt wird“ (IP 2.11/2:23).

Wirkungen und Nebenwirkungen

Alle Interviewpartner kennen die Wirkung von Energydrinks: „Mein Herzschlag wird automatisch schneller, meine Konzentration ist dann erhöht“ (2.5/4:38). Sie können Nebenwirkungen von überhöhtem Konsum beschreiben, etwa Herzklopfen oder Herzrasen. Mehrere Jugendliche sagen offen, dass sie zu viele Energydrinks trinken. Hochverzehrer beschreiben unterschiedliche Symptome:

  • einen Leistungs- und Stimmungsabfall, ein bis zwei Stunden nach dem Verzehr, wenn die Wirkung der Energydrinks nachlässt. In diesem Zustand brauchen sie entweder einen weiteren Energydrink oder müssen schlafen (IP 2.5, IP 2.11).
  • Wirkungen auf das Herz: „Also wenn ich viel Energy trinke, dann merke ich schon, dass mein Herz so anfängt sehr zu schlagen“ (IP 2.4/1:38) (IP 2.7).
  • Luftnot: „Ich habe halt so Zeiten, wo ich mitbekomme, dass mein Herz so gut wie keinen Sauerstoff bekommt“ (IP 2.7/4:48).
  • Beeinträchtigung des Farbensehens nach dem Konsum von mehreren Litern Energydrinks und 48 Stunden ohne Schlaf.
  • Kreislaufkollaps: „Ich bin durch Monster, ich habe ganz viele, also drei Stück getrunken und dann ist mein Körper zusammengesackt und ich bin ohnmächtig geworden – in der Schule“ (IP 2.4/1:49).
  • Wahrnehmung und Umgang mit Risiken durch Energydrinks

Generell schätzen die Jugendlichen Energydrinks nicht so gefährlich ein wie leichte Drogen. Sie weisen darauf hin, dass die Menge entscheidend ist. Zwei Interviewpartner schätzen sich selbst als süchtig ein. Sie sehen keine Möglichkeit, auf Energydrinks zu verzichten: „Für mich wär´s schlimm, ich bin abhängig“ (IP 2:11/2:01).

Auf die Frage, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit Energydrinks aussehen könnte, schlagen die Befragten unterschiedliche Strategien vor. Jugendliche, die wenig trinken, setzen auf Warnhinweise. Sie geben jedoch nicht an, dass die Dosen bereits Warnhinweise tragen. Diejenigen, die häufiger Energydrinks konsumieren, glauben nicht, dass Warnhinweise reichen. Sie schlagen vor:

  • „Man müsste mal zeigen, wie ekelhaft und schädlich das ist“ (2:1/14:34).
  • „Ich glaube, es muss mal so ein richtiger Vorfall mit Energy passieren, dass dann auch überall in den Zeitungen steht, dass das richtig schlimm ist, dass das auch den Körper auf einer Seite kaputt macht“ (IP 2.4/5:0).
  • „Abschreckung funktioniert ja wie bei Zigaretten nicht, da macht man ja nur heiß drauf“ ∩ „`ne Sucht sozusagen bleibt `ne Sucht ∩ und man lässt sich nicht abschrecken von so was“ (IP 2.6 /3:29).
  • Altersbeschränkung, das heißt ein Verkauf erst ab 16 Jahren (IP 2.3; IP 2.11)
  • Eltern gelten als wichtige Vorbilder (IP 2.6, IP 2.8, IP 2.12): „Da sollten die Eltern hinter stehen, ist ja wie bei Videospielen, dass sie dann auch drüber gucken, ob alles gut läuft, halt“ (IP 2.6/ 3:55) oder: „Mich hätte das davon abgehalten, wenn meine Mutter das nicht getrunken hätte“ (IP 2.8/5:33). Auch Freunde oder Youtube-Stars nennen die Befragten als mögliche positive Unterstützer oder Vorbilder.
  • Informationen von Autoritäten wie der Polizei oder dem Gesundheitsministerium lehnen sie dagegen ab: „∩das würde bei mir links rein und rechts raus gehen, weil diese Personen mich nicht interessieren, weil diese Personen sind die, die dir Hausaufgaben geben, Strafen geben etc. ∩“ (IP 2.5/9:13)
  • Auch das Marketing der Hersteller kommt zur Sprache. Die Jugendlichen sind sich bewusst, dass sie die Zielgruppe sind in Bezug auf Geschmack, Bewerbung und Aufmachung der Produkte. So kommt der Vorschlag, die Dosen weniger auffällig zu gestalten oder zu bewerben. Eine Interviewpartnerin ist der Meinung, dass Energydrinks gar nicht hergestellt werden sollten: „Also ich finde damit keinen guten Umgang, das hätten die normal gar nicht produzieren dürfen“ (IP 2.4/4:49).

Ist „Energy“ ein Problem oder nicht? - Diskussion

Die Interviews vermitteln den Eindruck, dass Energydrinks ein fester Bestandteil der Jugendkultur sind. Alle Interviewpartner haben Erfahrungen mit Energydrinks gemacht. Auch Personen, die keine oder wenig Energydrinks trinken, können darüber Auskunft geben, in welchen Situationen und warum man diese Produkte üblicherweise konsumiert. Das Einstiegsalter liegt bei sechs bis zwölf Jahren. Energydrinks kommen zum Einsatz, um den eigenen Körper und die Wachheit gezielt zu beeinflussen, den Geschmack von Spirituosen zu verdecken oder auch, um sie bei bestimmten Anlässen in Gemeinschaft mit anderen zu trinken. Wirkungen auf die Wachheit, aber auch negative Folgen für das Herzkreislauf-System sind den meisten Gesprächspartnern aus eigenem Erleben bekannt. Eine Jugendliche berichtet von Kreislaufversagen, zwei InterviewpartnerInnen verwenden den Begriff „Sucht“ für ihr eigenes Konsumverhalten.

Unsere Ergebnisse decken sich mit Ergebnissen der BfR-Befragung von Hochverzehrern. An erster Stelle der gesundheitlichen Probleme standen in der BfR-Studie Herzkreislauf-Probleme, gefolgt von Hyperaktivität, Schlafstörungen und erhöhtem Blutdruck. Das Suchtpotential folgte an sechster Stelle (BfR 2013, S. 65-66). Bei der vorliegenden Stichprobe handelt es sich nicht um Hochverzehrer, sondern um eine Zufallsauswahl in drei Settings. Wir waren daher überrascht, in unserer kleinen Zufallsstichprobe auch Jugendliche zu treffen, die offen über Gewöhnungs- oder Suchterscheinungen berichteten. Bei den Hochverzehrern in unserem Sample sind Energydrinks fester Bestandteil ihres Tagesablaufes. Ein Leben ohne Energydrinks können sie sich nicht vorstellen. Vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Literatur ist das Thema Sucht und Energydrinks nicht abwegig. So schreibt die amerikanische Verhaltenswissenschaftlerin Meredith Addicott (2014, S. 186): „Dennoch gibt es Belege, dass manche Personen psychologisch und physiologisch von Koffein abhängig werden, auch wenn die Bedeutung dieses Problems noch nicht bekannt ist.“

Kommunikation und Umgang mit Risiken -Schlussfolgerungen

Unsere Studie deutet darauf hin, dass Warnhinweise für die Risikokommunikation nur begrenzt wirksam sind. Im Wesentlichen schlagen solche Jugendlichen Warnhinweise vor, die wenig oder keine Energydrinks trinken. Bemerkenswert ist, dass keiner der Interviewpartner erwähnt, dass es bereits Warnhinweise auf Energydrinks gibt. Das legt den Schluss nahe, dass den Befragten diese Hinweise nicht präsent sind. Unsere Beobachtung deckt sich mit den Befragungsergebnissen des BfR: „Den Konsumenten ist zwar bewusst, dass diese Getränke nicht unproblematisch sind, Auswirkungen auf den eigenen Konsum oder den Umgang damit hat dieses Wissen jedoch kaum. So werden die Verzehrhinweise so gut wie nicht beachtet und es wird davon ausgegangen, dass der Konsum für die eigene Person eher unproblematisch ist“ (BfR 2013., S. 71). InterviewpartnerInnen, die Energydrinks häufiger trinken, fordern klare oder sogar abschreckende Informationen über die Inhaltsstoffe und deren Wirkung. Sie nehmen auch den Gesetzgeber, die Eltern und die Hersteller in die Pflicht.

Für die Risikokommunikation ergeben sich daher folgende Ansätze:

  • Da das Einstiegsalter verhältnismäßig niedrig ist und Energydrinks in ganz unterschiedlichen Settings eine Rolle spielen, sollte die Risikokommunikation auch bei verschiedenen Altersgruppen und Gruppierungen ansetzen.
  • Die Jugendlichen wünschen klare Informationen über die physiologischen und psychologischen Wirkungen von Energydrinks.
  • Eltern sind Rollenmodelle und deshalb in die Kommunikation einzubeziehen.

Die Jugendlichen thematisieren politische Maßnahmen wie Altersbeschränkungen oder die Einschränkung von Werbung. Informations- und 

  • Unterrichtsmaterialien sollten daher auch auf diese Fragen eingehen.

Wie groß ist das Problem und wie bewältigen wir es? – Offene Fragen

Die vorliegende Studie basiert auf qualitativen Interviews. Sie ermöglicht einen Einblick in die Bedeutungszuschreibung, Handlungsmuster und Erfahrungen der Jugendlichen mit Energydrinks. Sie macht jedoch keine Aussage zur Häufigkeit und Verbreitung dieser Handlungsmuster und möglichen gesundheitlichen Folgen. Unklar ist, welche Nebenwirkungen bei jugendlichen Hochverzehrern in Deutschland heute schon auftreten. Das amerikanische Drug Abuse Warning Network (DAWN) registrierte zwischen 2007 und 2011 eine Verdoppelung der Notfälle im Kontext mit Energydrinks (Übersicht 2). Seit 2009 erfasst auch das BfR einzelne Todesfälle und schwere Vergiftungen aufgrund eines übermäßigen Konsums von Energydrinks. Ein flächendeckendes Meldesystem gibt es nicht. Kinderkardiologen berichten von jungen Patienten, die nach dem Überkonsum von Energydrinks mit verdickter Herzwand in ihrer Praxis erscheinen (kardiologie.org vom 16.12.2014). Forschungsbedarf besteht auch bezüglich der Frage, in welchem Alter der Energydrink-Konsum beginnt und welche Folgen er hat. Was bedeutet es, wenn sich Kinder schon im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren an den Konsum von Koffein gewöhnen?

Vor dem Hintergrund der unklaren Gefährdungslage ist auch offen, ob es genügt, allein auf Aufklärungsmaßnahmen zu setzen und inwieweit Staat, Wirtschaft und Institutionen wie Schulen dazu beitragen können, ein Umfeld zu schaffen, das es Jugendlichen erleichtert, verantwortlich mit Energydrinks umzugehen. So stellte der Sozialpsychologe Alfred McAlister bereits im Jahr 1982 (S. 46) fest: „Es ist ganz gleich, wie gut eine Person gebildet, überredet oder trainiert wurde, um ihr Gesundheitsverhalten zu verbessern. Es ist unwahrscheinlich, dass die Veränderungen beibehalten werden, wenn sie nicht durch das soziale Umfeld unterstützt werden.“ Die Gesundheitswissenschaftler der WHO stellen fest, dass die Mischung aus aggressiver Werbung, Marketingmaßnahmen, die sich an junge Menschen richten, und ein wenig reguliertes Umfeld eine Situation geschaffen hat, die mittlerweile zu einer ernsthaften Gefahr für die öffentliche Gesundheit werden kann (Breda et al. 2014). Ein wachsender Markt für Energiegetränke lässt vermuten, dass der Energydrink-Konsum von Kindern und Jugendlichen auch in Deutschland weiter zunehmen wird. So warb beispielsweise die Marke Monster im Jahr 2015 in einer Anzeige damit, dass sie an 365 Tagen im Jahr, Tag und Nacht mit 25 Millionen Fans weltweit vernetzt ist: „Monster verkörpert alles, was junge Männer begeistert: SPORT, GIRLS, MUSIK und GAMING“ (Lebensmittelpraxis 2015). Energyprodukte wie Instant Energypulver mit dem zweideutigen Namen „Koks“ lassen vermuten, dass auch hierzulande Missbrauch und Gewöhnung unter Kindern und Jugendlichen eher gefördert als gebremst werden. 

Danksagung

Wir danken Heiko Walter, Geschäftsführer digipaed multimedia workshops, und Lisa Glahn, myView – Participatory Video for Empowerment, für die Unterstützung bei der Erarbeitung des Interviewleitfadens, Heiko Walter für die sensible und sorgfältige Umsetzung der filmischen Interviews und beiden für die Diskussionen über die Ergebnisse der Interviews.

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