Nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung

Mensa, Kantine und Co. für die Ernährungstransformation nutzen

Ein Mädchen schaut sich das Angebot in der Theke der Schul-Cafeteria an. © spyrakot – stock.adobe.com
  • Die Gemeinschaftsverpflegung ist ein bedeutender Hebel für mehr Nachhaltigkeit im Ernährungssystem. Denn sie erreicht viele Menschen und kann sie zu einer gesünderen sowie klima- und umweltgerechten Ernährung motivieren.
  • Eine nachhaltige Verpflegung in Kitas, Schulen, Kantinen und Krankenhäusern zeichnet sich durch schmackhafte, pflanzenbetonte Gerichte aus.
  • Im Hinblick auf die Kompetenz der Küchenteams, die Beschaffung von bio-saisonalen Lebensmitteln aus der Region und einige weitere Aspekte gibt es noch viele Hürden zu überwinden.
  • Zahlreiche gute Beispiele zeigen, dass eine nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung machbar und attraktiv ist.
  • Arbeitshilfen und Tools helfen Betrieben, die sich auf den Weg machen möchten, um die Gemeinschaftsverpflegung klima- und umweltfreundlicher zu gestalten.

Impact der Gemeinschaftsverpflegung

In Kantinen, Mensen und Co. werden täglich knapp 40 Millionen Portionen Essen ausgegeben. Allein diese Anzahl macht deutlich, welch großes Potenzial die Gemeinschaftsverpflegung (GV) hat, um die Ernährung der Menschen in Deutschland gesünder und nachhaltiger zu gestalten. Durch eine Umstellung auf einen Speiseplan mit mehr pflanzlichen Lebensmitteln, die klima- und umweltschonend erzeugt wurden, kann die GV einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz leisten. Denn eine pflanzenbetonte Ernährung trägt maßgeblich dazu bei, die Treibhausgasemissionen zu senken, die erheblich zur Erderwärmung beitragen.

Auch im Hinblick auf die Lebensmittelverschwendung spielt die GV eine wichtige Rolle. Denn immerhin fallen 17 Prozent der Lebensmittelabfälle in der Außer-Haus-Verpflegung an. Hier könnten beispielsweise durch das aktive Angebot angepasster Portionsgrößen Tellerreste künftig stärker reduziert werden.

Nicht zuletzt sind GV-Betriebe ideale Orte, um Menschen eine nachhaltige Ernährungsweise näherzubringen. Und dies nicht nur durch ein attraktives Angebot an Speisen, sondern auch durch niedrigschwellige Ernährungsbildungs- und Informationsmaßnahmen. Durch positive Kommunikation und gute Geschmackserlebnisse kann die GV somit nachhaltige Ernährungsstile in der Bevölkerung begünstigen.

 

Pflanzenbetont ist klimafreundlich

In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Studien gezeigt, dass eine pflanzenbetonte Ernährung am besten dazu geeignet ist, die Weltbevölkerung in Zukunft gesund und innerhalb der ökologischen Belastungsgrenzen der Erde zu ernähren. Großes Aufsehen erregte zum Beispiel die Planetary Health Diet. Dafür ermittelte die EAT-Lancet-Kommission – ein internationales wissenschaftliches Konsortium – anhand von Modellrechnungen, welche Mengen bestimmter Lebensmittel jeder Mensch auf der Erde essen sollte, um die eigene Gesundheit genauso zu fördern wie die Gesundheit des Planeten. 

Eine solche Ernährungsweise enthält mindestens 50 Prozent mehr Obst und Gemüse als heute im Durchschnitt üblich, aber auch moderate Mengen an Fisch aus nachhaltiger Aquakultur, ein Vielfaches mehr an Nüssen und Hülsenfrüchten sowie deutlich weniger Fleisch und Milchprodukte. 

Wenn Großküchen tierische und pflanzliche Lebensmittel in ein nachhaltigeres Verhältnis bringen, werden Teller bunter, Speisepläne abwechslungsreicher und der gemeinsame Beitrag für eine lebenswerte Zukunft immer größer.

Reformulierung von Rezepten

Auf Basis des Speiseplans der Planetary Health Diet sind mittlerweile verschiedene Ernährungskonzepte und Leitfäden für die GV entwickelt worden. Dabei ist der wichtigste Punkt für mehr Klima- und Umweltschutz, die tierischen Zutaten in Rezepten teilweise oder ganz durch pflanzliche zu ersetzen. Welches Einsparpotenzial dies hat, zeigt folgendes Beispiel: Wird das Rinderhackfleisch in einer Pasta Bolognese durch Sojagranulat ausgetauscht, ergeben sich für 100 Portionen 68 Prozent weniger Treibhausgasemissionen. Bei einer Rezeptur, in der Hackfleisch und Soja gemischt werden, sind es immerhin 38 Prozent weniger CO2. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, ausgehend von fünf Verpflegungstagen pro Woche, an maximal zwei Tagen Fleisch bzw. Fleischerzeugnisse anzubieten. Die Verwendung von pflanzlichen Alternativen zu Milchprodukten, von saisonalem Obst und Gemüse aus der Region sowie ökologisch erzeugten Lebensmitteln hilft zusätzlich, die Gemeinschaftsverpflegung klima- und umweltfreundlicher zu gestalten.

 

Einsparpotenzial bei 100 Portionen

Hürden und Lösungsansätze für klimafreundliches Essen in der GV

Klimakrise und gestiegene Kosten, Fachkräftemangel sowie der Wunsch nach mehr regionalen, saisonalen und biologisch produzierte Lebensmitteln sind große Herausforderungen in der Gestaltung von Gemeinschaftsverpflegung. Gleichzeitig spielt eine pflanzenbetonte und schmackhafte Küche, die umwelt- und klimafreundlich ist, bislang eine unzureichende Rolle in der Ausbildung des Küchenpersonals. Hier ist eine grundlegende Umstellung nötig – von Einkauf und Speiseplanung über die Aneignung neuer Rezepturen und Kochtechniken bis hin zur Verringerung von Speiseresten.

Gute Hilfestellung kann das wachsende Angebot an größtenteils kostenfreien Fortbildungsmaßnahmen leisten (siehe “Gute Beispiele, Projekte und Materialien”). Diese liefern neben Hintergrundinformationen und Rezeptideen auch praktische Ansätze, wie sich das Prozess- und Beschaffungsmanagement in den Großküchen optimieren lässt. So kann zum Beispiel der höhere Preis von Bio-Produkten gut durch den verminderten Einsatz von Fleisch ausgeglichen werden. Und die Verfügbarkeit von saisonalen Bio-Produkten aus der Region lässt sich zum Beispiel durch feste Lieferverträge mit landwirtschaftlichen Betrieben gewährleisten. Auch der Umstand, dass regionale Lebensmittel häufig nicht in vorverarbeiteter Form erhältlich sind, ließe sich ändern, indem GV-Betriebe durch ihre Nachfrage Kooperationen mit lokalen Unternehmen anstoßen. 

Eine große Rolle spielt es auch, Vergabeverfahren so zu gestalten, dass gesundheitsförderliche und nachhaltige Kriterien fest verankert sind (siehe “Arbeitshilfen und Fördermöglichkeiten”). Sind GV-Betriebe offen für Veränderungen und nehmen die existierenden Unterstützungsangbote an, können sie viele der aktuell noch bestehenden Hürden überwinden und die ihnen zugedachte Vorbildrolle übernehmen, um einen von Verantwortung und Genuss geprägten klimafreundlichen Lebensstil in der Gesellschaft zu verankern.

Gemeinschaftsverpflegung als zentrale Ernährungsumgebung

Der Begriff der Ernährungsumgebung umfasst alle Aspekte der physischen und sozialen Umgebung, aber auch der politischen Rahmensetzungen, die Einfluss auf die Ernährung nehmen, darunter unter anderem die Zusammensetzung, Verfügbarkeit, Auswahl, Präsentation und Zugänglichkeit sowie die Preise und die Bewerbung verschiedener Lebensmittel. Als zentrale Ernährungsumgebung hat die GV ein großen Potenzial, gesundes und nachhaltiges Essen für viele Menschen zugänglich und attraktiv zu machen. 

Neben dem Angebot an gesunden, klimafreundlichen Gerichten, die schmecken, können GV-Betriebe in Schulen, Unternehmen oder Krankenhäusern noch viel mehr tun, damit die nachhaltige Wahl für die Tischgäste auch die einfache Wahl wird. Vor dem Hintergrund, dass Essentscheidungen nicht erst in der Warteschlange von Mensa, Kantine und Co. getroffen werden, sondern das Ernährungsverhalten schon vorher durch zahlreiche unbewusste Einflüsse und Gewohnheiten geprägt wird, spielt hier das sogenannte Nudging eine wichtige Rolle. Das Prinzip nutzt das verhaltenspsychologische System der unbewussten und damit schnellen Entscheidung und zielt darauf ab, das menschliche Verhalten in eine bestimmte Richtung zu „stubsen“, ohne Zwang auszuüben. Dies kann zum Beispiel geschehen, indem gesunde und nachhaltige Gerichte prominent platziert und/oder mit einer farblichen markierten Ausgabestation hervorgehoben werden. 

Für GV-Betriebe kann es hilfreich sein, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um Nudging-Maßnahmen umzusetzen. Sowohl mit als auch ohne Beratung ist es zudem sinnvoll, möglichst alle an der Verpflegung Beteiligten mit einzubeziehen, damit die Maßnahmen akzeptiert werden und erfolgreich sind. Vor allem bei Schülerinnen und Schülern ist Partizipation wichtig, damit diese ihre Mensa als "ihre" wahrnehmen und langfristig von der positiven, fairen Ernährungsumgebung profitieren.

 

Definition Gemeinschaftsverpflegung

Die Gemeinschaftsverpflegung (GV) ist neben der Individualverpflegung – also zum Beispiel Imbisse, Restaurants und Systemgastronomie – ein Teilbereich der Außer-Haus-Verpflegung (AHV). Die Einrichtungen der GV stellen Mahlzeiten und damit verbundene Dienstleistungen für definierte Personengruppen in besonderen Lebenssituationen bereit. Dazu gehören beispielsweise Mensen in der Schul- und Seniorenverpflegung, Betriebskantinen oder das Krankenhausessen. 

Video: Eine nachhaltige Gastronomie ist möglich!

Im Video erfahren Sie, wie Küchen durch nachhaltigere Ansätze nicht nur zur Reduzierung von Klimaauswirkungen beitragen, sondern auch wirtschaftliche Vorteile erzielen. Von der Verwendung regionaler, saisonaler und biologischer Produkte bis hin zur Minimierung von Lebensmittelverschwendung – die praktischen Einblicke zeigen, wie gemeinsame Anstrengung und Begeisterung im Team dazu führen können, nachhaltige Veränderungen in der Ernährungsbranche voranzutreiben. Hier können sich Gastronomie, Köchinnen und Köche sowie alle Interessierten von den positiven Auswirkungen einer nachhaltigen Ernährung auf Geschmack, Umwelt und Gemeinschaft inspirieren lassen. 

Das Video ist im Rahmen des  Projektes "Gerechte und nachhaltige Außer-Haus-Angebote gestalten (GeNAH)" unter Beteiligung des iSuN - Institut für Nachhaltige Ernährung an der Uni Münster entstanden, das bis September 2024 von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert wurde. 

 

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Gute Beispiele, Projekte und Materialien

Zahlreiche Projekte zeigen, wie Betriebe eine nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung umsetzen können und unterstützen diese mit Hintergrundinformationen, Beratung, Materialien und Tools. Einige Beispiele haben wir hier für Sie zusammengestellt.

Arbeitshilfen und Fördermöglichkeiten

Mit den Vergabeverfahren zur Gemeinschaftsverpflegung haben öffentliche Stellen einen wichtigen Hebel in der Hand, um mehr regionale und ökologisch erzeugte Produkte auf die Teller zu bringen und gleichzeitig regionale Wertschöpfungsketten zu stärken sowie Umwelt und Klima zu schützen. Zudem bieten Fördermöglichkeiten eine Chance, nachhaltige Angebote auch finanziell zu stemmen.

Die DGE-Qualitätsstandards für die Gemeinschaftsverpflegung

Die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) unterstützen Verantwortliche in Kitas, Schulen, Betrieben, Kliniken, Senioreneinrichtungen sowie Mitarbeitende von “Essen auf Rädern” beim Angebot einer ausgewogenen und nachhaltigen Verpflegung. Sie erläutern praxisbezogen, was eine bedarfs- und bedürfnisorientierte Verpflegung ausmacht, wie sich eine optimierte Lebensmittelauswahl und -häufigkeit gestalten lässt und liefert Details zur Speisenplanung und -herstellung. Zudem beinhalten die DGE-Qualitätsstandards Empfehlungen zur Nachhaltigkeit und benennen in diesem Zusammanhang die vier Dimensionen Gesundheit, Soziales, Umwelt und Tierwohl.

Die DGE-Qualitätsstandards sind als Broschüren für Verantwortliche und Fachkräfte in der Gemeinschaftsverpflegung erhältlich. Da Kinder und Jugendliche, Berufstätige, Patientinnen und Patienten oder Seniorinnen und Senioren sich in ihren Bedürfnissen unterscheiden, gibt es fünf Versionen, die jeweils auch die Rahmenbedingungen der jeweiligen Lebenswelt berücksichtigen.

Die DGE-Qualitätsstandards für die Gemeinschaftsverpflegung können Sie auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Ernährung herunterladen.

Informationen auf oekolandbau.de

Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) ist ein wesentlicher Baustein des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zur Unterstützung des Öko-Landbaus. Auf dem zentralen Internetportal www.oekolandbau.de gibt es neben zahlreichen anderen Informationen auch viel Wissenswertes rund um die Gemeinschaftsverpflegung, zum Beispiel zur Einführung von Bio-Produkten in Großküchen und zum Aufbau von regionalen Wertschöpfungsketten. Hier eine kleine Auswahl: 

Bio-Produkte in der Außer-Haus-Verpflegung

Praxisbeispiele: Bio in der Außer-Haus-Verpflegung

Mehr Nachhaltigkeit im Kochhandwerk

Biospeiseplanung in der Außer-Haus-Verpflegung

Bio-Produkte richtig ausschreiben

Bio aus der Region für Kitas und Schulen

KA.Wert: Bio-Wertschöpfungsketten in Karlsruhe