- Ernährungstransformation braucht nicht nur Veränderungswillen, sondern auch Kapital. Dafür setzen sich die Regionalwert AGs ein.
- Über 6.000 Menschen haben schon über 20 Millionen Euro in Bürgeraktien investiert.
- Damit stärken sie den Aufbau einer biologischen Land- und Ernährungwirtschaft in ihrer Region.
- Im deutschsprachigen Raum gibt es derzeit neun Regionalwert AGs, weitere befinden sich in Gründung.
Die Idee der Regionalwert AGs
Regionalwert AGs stärken die Lebensmittelwertschöpfung in der Region und zwar vom Acker bis zum Teller. Dafür investieren sie in Bio-Höfe, in Verarbeitungsbetriebe, Logistik und Bio-Handel, aber auch in Restaurants oder mobile Käsereien.
Regionalwert AGs finanzieren sich durch Bürgeraktien. Auch Gemeinden oder Kommunen können die Aktien erwerben. Die Idee hat mittlerweile mehr als 6.200 Menschen überzeugt. Sie haben über 20 Millionen Euro investiert. Das Netzwerk besteht nach Angaben der Regionalwert Impuls GmbH aus mehr als 250 Partnerbetrieben.
Im Vordergrund steht der „Gewinn mit Sinn“. Erst wenn eine AG monetäre Gewinne macht, sind Dividendenzahlungen vorgesehen. Das ist allerdings bei keiner der Regionalwert AGs der Fall. Denn die wichtigen ökologischen und gesellschaftlichen Leistungen werden von unserem Steuer- und Subventionssystem bislang nicht ausreichend honoriert.
Die Vorteile von Regionalwert AGs
- Aktionärinnen und Aktionäre sowie Unternehmen übernehmen gemeinsam Verantwortung für eine nachhaltige Ernährungsversorgung in der Region.
- Sie sorgen dafür, dass es vor Ort wieder ein größeres Angebot ökologisch erzeugter, regionaler Lebensmittel gibt.
- Damit leisten sie auch einen wichtigen Beitrag zur Ernährungsresilienz, denn sie verringern die Krisenanfälligkeit des Ernährungssystems.
- Mit ihren Investitionen ermöglichen sie eine vielfältige und nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft und die Verbesserung der Artenvielfalt.
- Es entstehen neue Arbeitsplätze in der Region.
Die Partnerbetriebe bilden ein starkes Netzwerk. Sie beliefern sich gegenseitig und stärken damit die regionale Kreislaufwirtschaft.
Beispiel aus der Praxis

Ein Haferdrink aus regionalen Zutaten, am Produktionsort in Glasflaschen abgefüllt – das war die Vision von Paavo Günther und Achim Fießinger.
Heute sind die beiden Männer Betriebsleiter der Havelmi eG im beschaulichen Beetzseeheide in Brandenburg. Was den Jungunternehmern zunächst fehlte, waren Kapital und Produktionstechnik. Wo klassische Banken eher abwinken, kam die Regionalwert AG Berlin-Brandenburg ins Spiel: Sie beteiligte sich nicht nur an der Havelmi eG, sondern ebenso an der nahegelegenen, seit Jahren etablierten MostManufaktur Havelland. Dort steht nun die Produktionsanlage des Haferdrinks. Die Havelmi eG profitiert von der Infrastruktur, dem Personal und auch vom Vertriebsnetz der MostManufaktur Havelland.
Derzeit plant das Haferdrink-Startup gemeinsam mit der MostManufaktur Havelland seinen Umzug an einen neuen Produktionsstandort in Brandenburg an der Havel. Dort sollen weitere Mitarbeitende eingestellt und das enkeltaugliche Wirtschaften fortgeführt werden.
Genau das macht den Regionalwert-Gedanken aus: Regionalwert-Betriebe verstehen sich als Partner.
So wirtschaften Regionalwert AGs
Eine Bürgeraktiengesellschaft arbeitet anders als eine klassische Aktiengesellschaft:
- Bürgerinnen und Bürger kaufen Aktien und können mitentscheiden, was mit ihrer Kapitaleinlage passiert.
- Regionalwert-Aktien werden nicht frei an der Börse gehandelt. Das beugt Spekulationen vor.
- Wer Regionalwert-Aktien kauft, wird mit Namen und Adresse im Aktienbuch eingetragen – anders als beim herkömmlichen Aktienmarkt.
- Auf der jährlichen Hauptversammlung berichten Vorstand, Aufsichtsräte und Unternehmen über die Entwicklung und Investitionen.
Das Eigenkapital der Regionalwert AGs fließt in die Partnerbetriebe. So sind auch die Regionalwert AGs von Gewinnen oder Verlusten betroffen. Das Kapital wird möglichst breit gestreut, um Risiken zu reduzieren. Die Aufsichtsräte arbeiten ehrenamtlich.
Die Partnerbetriebe verpflichten sich, soziale und ökologische Nachhaltigkeitsstandards einzuhalten und damit einen „ökologischen Mehrwert“ zu erzeugen. Sie legen Rechenschaft über ihre Geschäftsentwicklung und die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien ab.

Die Entstehung der Regionalwert AGs
Die erste Regionalwert AG wurde 2006 von Christian Hiß in Freiburg gegründet. Der ökologische Landwirt und Gärtner benötigte Ende der 1990er Jahre Kapital, weil er seinen Gemüsebaubetrieb um einen Milchbetrieb erweitern wollte. Das Milchvieh sollte ihn nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft unabhängig von Dünger aus fossilen Quellen machen. Der Banksachbearbeiter lehnte den Antrag jedoch ab. Christian Hiß entwickelte daraufhin die Idee der Regionalwert AG.
Die Regionalwert Impuls GmbH ist die Dachorganisation der neun bestehenden Regionalwert AGs und der Initiativen, die sich gründen wollen. Sie wurde von Christian Hiß und den Regionalwert AGs Freiburg, Hamburg, Rheinland und Berlin-Brandenburg im Sommer 2020 gegründet. Aufgabe der Regionalwert Impuls GmbH ist es, das Regionalwert-Modell weiterzuentwickeln und zu verbreiten. Sie koordiniert und vertritt die Interessen der Regionalwert-AGs. Geschäftsführer ist Stefan Gothe, einer der Aufsichtsräte der Regionalwert AG Rheinland.
Nachhaltige Wirtschaft muss sich lohnen
Mit ihrer Kampagne "Was ist es dir wert"?" zeigen die Regionalwert AGs, dass die EU viel stärker ökologische Leistungen honorieren könnte. Denn es ist kein fairer Wettbewerb, wenn EU-Agrarsubventionen vor allem an Betriebe mit den größten Flächen gehen. Über 4.000 Menschen haben abgestimmt, wofür die EU die sieben Milliarden Euro pro Jahr vergeben sollte. Ökologische Leistungen waren ihnen sehr wichtig. Mehr auf der Website der Kampagne “Was ist es dir wert?”.
Die Regionalwert-Leistungsrechnung macht sichtbar, was Bio-Betriebe leisten. Sie wurde von der Regionalwert AG Freiburg gemeinsam mit Personen aus Wissenschaft und Praxis entwickelt und von Ministerien und Stiftungen gefördert. Sie zeigt: Bio-Betriebe schaffen Werte für die Umwelt und die Gesellschaft in Milliardenhöhe, die bisher in keiner Bilanz auftauchen. Das ist ein wichtiger Beitrag für mehr Nachhaltigkeit auf dem Feld. Denn nur was man messen kann, kann man auch fördern.
Kurzinterview mit Christian Hiß, Gründer und Vorstand der ersten Regionalwert AG in Freiburg

Was gab für Sie den Anlass, die Regionalwert-Idee zu entwickeln?
In der Zeit von 1995 bis 2005 haben wir einen gesellschaftlichen Dialog geführt mit Landwirtinnen und Landwirten, Konsumierenden sowie mit Personen aus Politik und Wissenschaft. Es ging um die Zukunft der Landwirtschaft. So entstand das Konzept der Bürgeraktiengesellschaft und damit eine Art Gesellschaftsvertrag zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft. Die Idee ist: Privatpersonen investieren in Betriebe der gesamten Wertschöpfungskette der ökologischen Land- und Ernährungswirtschaft und sind daran gewinn- und verlustbeteiligt.
Was ist Ihr persönliches Bild von Regionalwert-Aktionärinnen und Aktionären?
Es sind Menschen, die sich für die Zukunft der regionalen Nahrungsmittelversorgung engagieren wollen. Durch die unternehmerische Beteiligung wird Verantwortung übernommen. Die Aktionärinnen und Aktionäre erfahren mehr vom sozioökonomischen und betriebswirtschaftlichen Hintergrund der Landwirtschaft als nur als Konsumierende.
Welche Zwischenbilanz ziehen Sie nach knapp 15 Jahren Regionalwert AG in Freiburg?
Das Konzept gewinnt immer mehr Akzeptanz. Neue Betriebe sowie Aktienzeichnende kommen in allen Regionen dazu. Die Berichterstattung über die sozialen, ökologischen und regionalwirtschaftlichen Leistungen und Risiken bestätigen sich nach 15 Jahren als wegweisend. Die Einbeziehung solcher Leistungen und Werte in die Erfolgsmessung von Unternehmen wird zum Mainstream.
Erklärfilm: Die Regionalwert-Idee
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Der Film erklärt, wie Regionalwert AGs kleine Höfe stärken und so für gute Lebensmittel und eine enkeltaugliche Landwirtschaft in der Region sorgen.
Video-Statement "Was ist es dir wert?"
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Statement von Arne Mehrens von Haus Bollheim, einem Partnerbetrieb der Regionalwert AG Rheinland