Junge Erwachsene als Treiber der Ernährungstransformation?

Welche Rolle pflanzliche Ersatzprodukte spielen

Personen stehen in der Küche. © stockmotion – stock.adobe.com
  • Laut einer Göttinger Umfrage interessieren sich knapp 90 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland für das Thema Ernährung.
  • Von allen Teilnehmenden hinterfragten 40 Prozent ihren Fleischkonsum. Tierwohl und Klimaschutz sind ihnen wichtig.
  • Bei den flexitarisch Lebenden stieg durch die Umstellung der Konsum von Nudeln, Kartoffeln und Fast Food. Auf dem Speiseplan vegan Lebender standen eher mehr pflanzliche Ersatzprodukte.
  • Fazit: Wenn mehr Menschen nachhaltige Ernährungsweisen verfolgen sollen, ist es wichtig, pflanzliche Alternativprodukte zu angemessenen Preisen anzubieten und parallel über eine bedarfsdeckende Kost zu informieren.

Gesunde Ernährung im Fokus

Ernährung ist ein Trendthema. Knapp 90 Prozent der 15- bis 29-Jährigen in Deutschland interessieren sich dafür (Zühlsdorf et al. 2021). Laut der Göttinger Umfrage hat Fast Food in dieser Altersgruppe eher geringe Bedeutung: Nur 10 Prozent lassen sich als Fast-Food-Junkies bezeichnen. Das ist ein positiver Trend, wenn wir bedenken, dass laut KiGGS-Welle 2 zwischen 2014 und 2017 noch 32 Prozent der 14- bis 17-jährigen Mädchen und 61 Prozent der gleichaltrigen Jungen mehr als 2 Portionen Fast Food pro Woche konsumierten (RKI 2020). Doch bei der Göttinger Umfrage geht es um mehr – um die Perspektiven einer nachhaltigeren Ernährung in Deutschland.

Sinkender Fleischkonsum

Das beachten heute viele Menschen: Laut BMEL-Ernährungsreport sind es 23 Prozent, die täglich Fleisch oder Wurst essen, 2016 waren es noch 34 Prozent (BMEL 2024). Informationen über den Anteil derer, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, schwanken je nach Quelle von zwei bis zehn Prozent (z. B. Paslakis et al. 2020; Mensink et al. 2016; BMEL 2024). Unter jungen Menschen hinterfragen 40 Prozent ihren Fleischkonsum, zwölf Prozent essen kein Fleisch mehr (Zühlsdorf et al. 2021). Dass das ein dauerhafter Trend sein könnte, unterstreichen auch die Ergebnisse der Shell-Jugendstudie 2024: 21 Prozent der jungen Frauen und sieben Prozent der jungen Männer interessieren sich für vegane Ernährung (Shell-Jugendstudie 2024).

Dimensionen von Nachhaltigkeit

Das Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung verbindet umweltbezogene, wirtschaftliche und soziale Faktoren. Auf Ernährung übertragen bedeutet das, dass eine nachhaltige Ernährung geringe Auswirkungen auf Umwelt und Klima haben und gleichzeitig gesund, kulturell angepasst, ökonomisch gerecht und bezahlbar sein soll (FAO 2012). Wir können nicht alle Nachhaltigkeitsfaktoren selbst beeinflussen – einen pflanzenbetonten Speiseplan mit viel regionalem und saisonalem Obst und Gemüse sowie Hülsenfrüchten aber schon.

Ernährung ist zunehmend politisch

15- bis 29-Jährigen sind Tierwohl und Klimaschutz wichtig. Die Idee einer Gesellschaft, die weder Fleisch noch Milch oder Eier konsumiert, gefällt vor allem denjenigen, die selbst vegan leben. Sie stimmten zu 50 Prozent der Aussage zu, dass die Nutzung von Tieren für die Fleisch- und Milchproduktion abgeschafft werden sollte. Das erscheint viel, wenn wir bedenken, welche Veränderungen gängiger Ernährungsgewohnheiten das zur Folge hätte. So wollen denn auch 22 Prozent der flexitarisch Lebenden ihren geringen Fleischkonsum als persönliches politisches Statement verstanden wissen (Zühlsdorf et al. 2021).

Was aber kommt auf die Teller derjenigen, die flexitarisch oder vegan essen? Das kommt darauf an: In der Gruppe der flexitarisch Lebenden steigt vor allem der Konsum von Nudeln, Kartoffeln und Fast Food. Leider liefern die Göttinger Daten kein klares Bild, was genau unter diesen Begriff fällt. Sind damit Pflanzen-Patties als Burgerersatz gemeint oder Falafel statt Currywurst? Pflanzliche Ersatzprodukte aller Art finden sich vor allem auf dem Speiseplan der vegan Lebenden. Von ihnen gaben 57 Prozent an, pflanzliche Milchalternativen zu verwenden; in der Gruppe der flexitarisch Essenden waren es 35 Prozent (Zühlsdorf et al. 2021).

Pflanzliche Alternativen im Aufwind

Laut BMEL-Ernährungsreport verdoppelte sich der Anteil der Bevölkerung, der täglich pflanzliche Alternativen konsumiert, von fünf Prozent (2020) auf zehn Prozent (2024) (BMEL 2024). Und vor allem junge Menschen finden es gut, dass es diese Produkte gibt: Unabhängig vom Ernährungsstil sagten das 61,5 Prozent der Göttinger Befragten. Allerdings kritisierten 52,5 Prozent ihren zu hohen Preis, 27 Prozent lehnten den hohen Verarbeitungsgrad ab. 42 Prozent stimmten zu, dass die Alternativprodukte klimafreundlicher seien als das tierische Pendant.

Vor allem pflanzliche Milchalternativen überzeugen. Selbst 34 Prozent derjenigen, die viele tierische Produkte konsumieren, hielten sie geschmacklich für gelungen, unter vegan Lebenden fanden das alle. Auch als Teil einer gesunden Ernährung schneiden Milchersatzprodukte gut ab: 91 Prozent der vegan lebenden Befragten stimmten dieser Einschätzung zu – ein Ergebnis, das zum Nachdenken anregt, wissen wir doch aus anderen Studien, dass das Nährwertprofil pflanzlicher Milchalternativen stark variiert (Klug et al. 2024; MRI 2023).

Fazit und Ausblick

Die Veränderung von Ernährungsgewohnheiten ist für alle eine Herausforderung, ganz gleich welche Ziele wir damit verfolgen. Pflanzliche Alternativprodukte haben hier offenbar Potenzial, stoßen sie doch in allen Altersgruppen auf großes Interesse (Silbermann 2023). Viele Studien haben gezeigt, dass ihr wachsendes Marktangebot eine Brücke hin zu einer nachhaltigeren Ernährung schlagen kann – dafür aber müssen sie auch preislich akzeptabel sein (Kulinaria 2022). Parallel ist es notwendig, alltagnahe Empfehlungen zu einer bedarfsdeckenden nachhaltigeren Ernährung zu verbreiten.

Literatur

BMEL (2024). Deutschland wie es isst – Der BMEL-Ernährungsreport. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 

FAO (2012). Final Document. In: Burlingame B, Dernini S (Hrsg.): Sustainable diets and biodiversity - Directions and solutions for policy research and action. Proceedings of the International Scientific Symposium Biodiversity and Sustainable Diets United Against Hunger

Klug A, Barbaresko J, Alexy U, Kühn T, Kroke A, Lotze-Campen H, Nöthlings U, Richter M, Schader C, Schlesinger S, Virmani K, Conrad J, Watzl B für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (2024). Neubewertung der DGE-Position zu veganer Ernährung. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). Ernahrungs Umschau 71(7): 60–84; DOI 10.4455/eu.2024.22

Kulinaria e. V. (2022). rheingold Studie: Zukunftstrend vegane und vegetarische Ernährung. Pressemitteilung

Mensink G, Barbosa Lage C , Brettschneider, A-K (2016). Verbreitung der vegetarischen Ernährungsweise in Deutschland. Journal of Health Monitoring 1(2) DOI 10.17886/RKI-GBE-2016-033

Paslakis, G., Richardson, C., Nöhre, M. et al. (2020). Prevalence and psychopathology of vegetarians and vegans – Results from a representative survey in Germany. Sci Rep 10, 6840, doi.org/10.1038/s41598-020-63910-y

Reinhardt G, Gärtner S, Wagner T (2020). Ökologische Fußabdrücke von Lebensmitteln und Gerichten in Deutschland. Heidelberg

Robert Koch-Institut (RKI) (2020). AdiMon-Themenblatt: Verzehr von Fast Food (Stand: 29. Juni 2020). www.riki.de

Schell-Jugendstudie (2024). Zusammenfassung

Silbermann N (2023). Interview mit Prof. Dr. Martin Banse. BMEL-Magazin forschungsfelder 2/2023

Zühlsdorf A, Jürkenbeck K, Schulze M, Spiller A (2021). Politicized Eater: Jugendreport zur Zukunft nachhaltiger Ernährung. www.uni-goettingen.de

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